Im Notfall wird es teuer, extrem teuer. Nach einer Cyberattacke im Unternehmen müssen rasch Sicherheitsexperten ran, um die Daten zu retten. Doch diese verlangen für ihren Einsatz Preise, die mitunter "schon fast erpresserisch sind", bestätigt Peter Lieber, Präsident des Verbandes der Österreichischen Softwareindustrie (VÖSI), entsprechende Schilderungen von Unternehmen dem KURIER.
Allein für ein Festplatten-Recovery nach einem Hackerangriff würden inzwischen 10.000 Euro verlangt. Lagen die Tagessätze für einen Software-Spezialisten vor einigen Jahren noch bei 800 Euro, so müsse man derzeit mindestens das Doppelte, also zwischen 1.500 bis 2.000 Euro, hinlegen. Besonders betroffen ist der IT-Security-Bereich.
Lieber sieht die Entwicklung kritisch. Er spricht von "Preisexzessen in einem total überhitzten Markt". Weil sich kleine und mittelständische Betriebe die Preise diverser IT-Spezialisten nicht mehr leisten können oder wollen, müssten sie oft mit zweitklassigen Produkten vorliebnehmen.
Kopfprämien
Grund für den Preisschub ist der akute Fachkräftemangel, der zum gegenseitigen Abwerben von Spezialisten und damit zu "Gehaltsexzessen" bei gefragten IT-Experten geführt habe. Der Chef von SparxSystems berichtet von Personalberatern, die IT-Fachkräfte zunächst an eine Firma vermitteln, sie aber später wieder von derselben Firma abwerben. "Es ist ein perverser Trend, weil die guten Leute am Markt halt einfach schon vergeben sind".
Die Personalrekrutierung habe sich völlig umgedreht. Heute müssten sich Arbeitgeber bei ihren potenziellen Mitarbeitern bewerben und sich etwas einfallen lassen, um aufzufallen. "Wer bestimmte Programmiersprachen kann, braucht sich derzeit sicher nirgendwo bewerben, er wird gefunden".
Zwischen 70.000 und 100.000 Euro sei mittlerweile ein durchaus marktübliches Jahresgehalt für Spitzenkräfte. Für die heimischen Betriebe sei das ein Problem, weil gehaltsorientierte Experten nach Deutschland oder in die Schweiz abwandern, wo die Gehälter noch um ein Drittel höher sind.
Um die Lohn-Preis-Spirale in der IT-Branche einzubremsen, schlägt der Branchensprecher Änderungen bei der jährlichen Lohnrunde der Sozialpartner vor. So sollte die generelle Gehaltserhöhung nur für die KV-Mindestlöhne gelten. Die Ist-Löhne sollten gar nicht oder je nach Qualifikation in abgestufter Form erhöht werden. "Eine Ist-Lohnerhöhung für alle Beschäftigten in der IT-Branche ist ein kontraproduktives Signal, weil sie den Betrieben den Spielraum für eigene Lohnerhöhungen nimmt", argumentiert er.
"Eine Ist-Lohnerhöhung für alle Beschäftigten in der IT-Branche ist ein kontraproduktives Signal, weil sie den Betrieben den Spielraum für eigene Lohnerhöhungen nimmt"
Peter Lieber
Ausbilden, ausbilden!
Da die Fachkräftekrise in allen EU-Ländern ein Problem sei, könnten sich die heimischen Betriebe nur selbst helfen und mehr Nachwuchs ausbilden. "Der einzige Weg aus der Krise ist, den Nachwuchs selbst auszubilden", sagt Lieber und hofft auf mehr Pioniergeist in seiner Branche. Denn nur auf das staatliche Bildungssystem zu hoffen, sei zu wenig, zumal an den -HTLs und Fachhochschulen derzeit eher ein "ungesunder Start-up-Hype" herrsche und sich viele lieber selbstständig machen wollen.
An den HTLs und Fachhochschulen herrscht derzeit eher ein ungesunder Start-up-Hype"
Peter Lieber
Damit auch Klein- und Kleinstbetriebe Lehrlinge ausbilden könnten, müsste die Lehrausbildung reformiert werden und mehr branchenübergreifende Ausbildungsverbünde mit einem Leitlehrbetrieb geschaffen werden. "Solche Verbünde scheitern aber leider oft am Neidkomplex der Unternehmer", klagt Lieber, der auch die Ein-Personen-Unternehmen in die Pflicht nimmt: "Ja, auch EPU sollten im Sinne eines Padawans Lehrlinge ausbilden". (Anm.: Ein Padawan ist bei den Jedi-Ritter ein Schüler, der von einem ausgebildeten Jedi unterrichtet wird)
Der Verband Österreichischer Software Industrie (VÖSI) vertritt 50 in Österreich tätige Software-Unternehmen, darunter Konzerne wie Microsoft, IBM oder Atos sowie kleine und mittlere IT-Firmen wie Raiffeisen Informatik oder RISE. Peter Lieber (48) ist mehrfacher Unternehmensgründer. Seine beiden größten Software-Firmen LieberLieber und SparxSystems sind im Bereich IT-Infrastruktur tätig
Die Nachfrage nach Software-Leistungen werde auch in den nächsten Jahren hoch bleiben, ist Lieber überzeugt. Für heuer erwartet er ein Branchenwachstum von 6 bis 9 Prozent. "Das hat nicht nur mit der Pandemie zu tun, sondern auch mit dem Bewusstsein, wie sehr man Software braucht". Die Fachkräftekrise dürfte sich damit weiter zuspitzen.
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