Fachkräftemangel treibt IT-Gehälter in die Höhe
Die Wahrscheinlichkeit, digital angegriffen zu werden, hat in der Pandemie deutlich zugenommen. Laut KPMG-Studie verzeichnen 38 Prozent der heimischen Unternehmen eine Zunahme an Cyberangriffen. Wenn nach einer Attacke sprichwörtlich die Hütte brennt, muss rasch eine Security-Spezialistin oder ein Spezialist her, um größeren Schaden abzuwenden und künftige Angriffe zu vermeiden. Nur woher nehmen?
„Was derzeit auf dem IT-Arbeitsmarkt los ist, ist wirklich irre“, schildert Tomas Jiskra, Geschäftsführer des Personaldienstleisters TTP die aktuelle Lage. „Es trifft eine gigantische Nachfrage auf ein äußerst beschränktes Angebot“. Die Folge seien teilweise aberwitzige Gehaltsforderungen, die aus seiner Sicht in den kommenden Monaten die Inflation weiter anheizen werden. „Wir sehen da eine steile Lohnspirale nach oben“, so Jiskra. TTP ist auf Personal für die IT-, Telekom- und Bankenbranche spezialisiert. Kernmärkte sind Deutschland und Österreich, wo aktuell 670 Mitarbeiter beschäftigt sind.
Ab 4.000 Euro aufwärts
So beginnen die Einstiegsgehälter für Security-Experten derzeit bei circa 4.000 Euro brutto pro Monat. Die Top-Gehälter liegen bei 100.000 bis 120.000 Euro pro Jahr, mitunter wird sogar wesentlich mehr bezahlt. Vor der Corona-Krise lag der Schnitt bei ca. 80.000 Euro. „Es ist fast schon absurd, aber wir haben unlängst mit einem Security-Experten für den öffentlichen Bereich über eine Jahresgage von 400.000 Euro gesprochen“, erzählt Jiskra. Dabei handelt es sich freilich um einen Spezialfall, jedoch werden die Gurus in der Branche längst wie Fußballprofis gehandelt.
Viele Klein- und Mittelbetriebe (KMU) könnten sich die Gagen gar nicht mehr leisten, was durch die zunehmende Digitalisierung zum Problem werde, meint Jiskra. In Deutschland sind die Durchschnittsgehälter für Software-Entwickler von 2016 bis 2020 um 26 Prozent gestiegen, wie die Berliner Techjob-Plattform Honeypot errechnet hat.
Für Alfred Harl, Obmann des Fachverbandes Unternehmensberatung/IT (UBIT) in der Wirtschaftskammer, kommt die Gehaltsrallye nicht überraschend. „Wenn das Angebot knapp ist, wird es eben teuer“. Er verweist auf den akuten Fachkräftemangel, der sich in der Corona-Krise verschärft habe. „Wir wissen nicht mehr, wo wir die Spezialisten überhaupt herkriegen sollen“.
24.000 fehlen
Laut aktuellem Infrastrukturreport der Future Business Austria fehlen in den IT-Berufen derzeit 24.000 Fachkräfte. Zwei Drittel der für den Report befragten 240 Manager von Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern finden aktuell nicht die Fachkräfte, die sie benötigen. Der betriebliche Wertschöpfungsentgang durch unbesetzte IT-Stellen wird mit 28 Prozent angegeben. Neben Security-Experten fehlt es vor allem an Software-Entwicklern und IT-Beratern.
„Es zeigen sich jetzt die Bildungsversäumnisse der Vergangenheit“, sagt Harl mit Verweis auf die nach wie vor geringen Absolventenquoten an den technischen Fachhochschulen und Universitäten. Hier müssten die Ausbildungsplätze dringend aufgestockt werden.
Rot-Weiß-Digital-Karte
Da die Ausbildung aber dauert und der Personal-Bedarf im Inland und EU-Ausland nicht gedeckt werden kann, fordert Harl Erleichterungen bei der Zuwanderung aus Drittstaaten. So sollten gefragte Digitalisierungsexperten bei der Rot-Weiß-Rot-Karte bevorzugt und eine eigene „Rot-Weiß-Digital-Karte“ als Aufenthaltstitel erhalten. Die Rot-Weiß-Digital-Card sollte mit einem Re-Location-Service (alle Dienstleistungen rund um die Übersiedelung, Anm.) kombiniert werden.
Die Gewerkschaft sieht das kritisch und fordert stattdessen mehr IT-Lehrplätze im Inland. „In den IT-Berufen fehlen 24.000 Fachkräfte, die Branche bildet aber derzeit nur rund 800 Lehrlinge aus“, weiß Christian Hofmann, Jugendsekretär der Gewerkschaft GPA. Die Wirtschaftskammer müsse hier mehr Verantwortung für den Standort übernehmen und Lösungen durch die Forcierung der Lehrlingsausbildung, neue Lehrberufe und die Unterstützung von arbeitenden Studierenden anstreben.
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