Medaillenjagd in Trondheim: Wie die ÖSV-Nordischen die Skistars übertrumpfen wollen

Die letzte Nordische Weltmeisterschaft auf norwegischem Boden ging in die Geschichte ein. Nicht nur wegen der 500.000 Fans, die 2011 am Holmenkollen in Oslo für ein unvergleichliches Sportfest sorgten.
Österreichs Team schrammte damals mit sieben Goldmedaillen knapp am Sensationssieg im Medaillenspiegel vorbei.
Es war das letzte Mal, dass Österreichs Skispringer und Kombinierer (10 WM-Medaillen) die ÖSV-Alpinen (8 Medaillen bei der WM in Garmisch-Partenkirchen) übertrumpften. Bei der WM in Trondheim könnte sich diese nordische Erfolgsgeschichte wiederholen.
Das österreichische Skiteam erreichte bei der Heim-WM in Saalbach-Hinterglemm zuletzt sieben Podestplätze – eine Marke, die für die Nordischen in Reichweite ist.
Vor dem ersten Bewerbstag unterzieht der KURIER das ÖSV-Team einem Leistungscheck.

Daniel Tschofenig gewann heuer die Vierschanzentournee
- Skispringen, Herren
Es spricht kaum etwas gegen die österreichischen Überflieger und Seriensieger, außer vielleicht: Die Pflichtmedaillen sind oft die schwierigsten Medaillen.
Die ÖSV-Adler reisten am Mittwoch mit 39 Podestplätzen und der Dreifachführung im Weltcup (Daniel Tschofenig, Jan Hörl, Stefan Kraft) nach Trondheim – die Erwartungshaltung ist ähnlich enorm wie die Fallhöhe nach der Machtdemonstration in diesem Winter.
„Wenn man sich es hochrechnet, dann wäre eigentlich alles andere als der erste Platz im Teambewerb nicht mehr zufriedenstellend“, sagt Routinier Michael Hayböck. „Allerdings habe ich schon oft erlebt: Du kommst zu einem Großereignis und die Dinge sind plötzlich anders.“

Cheftrainer Andreas Widhölzl schwebt auf Wolke sieben
Bei der WM-Generalprobe in Sapporo war zuletzt erst zum zweiten Mal in den 23 Saisonspringen kein Österreicher auf dem Podium gelandet. „Das Feld ist enger zusammengerückt“, stellt Cheftrainer Andreas Widhölzl fest.
Das große Plus der Österreicher: Im Gegensatz zu den letzten Großereignissen, bei denen Stefan Kraft meist der einzige Hoffnungsträger war, ist die Verantwortung nun auf mehreren Schultern verteilt – das verringert den Druck und erhöht die Medaillenchancen. Im Teambewerb liegt Gold für die ÖSV-Adler auf dem Servierteller.

Jacqueline Seifriedsberger erlebt mit 34 ihren x-ten Frühling
- Skispringen, Frauen
Favoritinnen sind andere, wie etwa die Slowenin Nika Prevc, die bei den letzten sechs Weltcupspringen in anderen Sphären flog. Die ÖSV-Springerinnen sind aber auf Tuchfühlung zu den Medaillen.
Lisa Eder, Eva Pinkelnig und Jacqueline Seifriedsberger standen in dieser Saison bereits auf dem Stockerl, die 36-jährige Pinkelnig sorgte in Villach für den einzigen Sieg in diesem Winter.
Diese Geschlossenheit sollte im Idealfall im Teambewerb nach 2019 (Silber), 2021 (Gold) und 2023 (Silber) für eine weitere Medaille reichen. Im Mixed-Teamwettkampf (jeweils 2 Frauen und Männer) stehen die Zeichen ebenfalls sehr gut.

Eva Pinkelnig feierte einen Saisonsieg
Ein kleines Fragezeichen schwebt über Team-Leaderin Eva Pinkelnig. Der 36-jährigen Vorarlbergerin geht das Skispringen in diesem Winter nicht so leicht von der Hand, im Jänner spielte sie sogar mit dem Gedanken, die Saison vorzeitig zu beenden.
Gut vorstellbar, dass der Gesamtweltcupsiegerin von 2022/23 die Insolvenz ihres Kopfsponsors (Palmers) und die damit verbundenen Nebengeräusche, Diskussionen und Begleiterscheinungen zugesetzt haben.

Johannes Lamparter liegt im Gesamtweltcup an vierter Stelle
- Nordische Kombination, Herren
Fünf Österreicher liegen im Gesamtweltcup in den Top zwölf, doch Masse heißt nicht zwangsläufig Klasse. Einzig Johannes Lamparter hat es in diesem Winter schon auf das Podest geschafft, der Doppelweltmeister von 2021 konnte sich in Schonach auch einmal in die Siegerliste eintragen.
„Das Niveau war noch nie so hoch, es geht extrem eng her“, sagt der 23-jährige Tiroler, der ein echter WM-Spezialist ist und schon sechs Medaillen besitzt.
Größter Hoffnungsträger neben Lamparter ist Stefan Rettenegger, der starke Langläufer aus dem Pongau hatte in dieser Saison aber Aufholbedarf im Skispringen.
Pflichtmedaille im Team
Während in den beiden Einzelrennen ein Griss um die Top 3 herrschen wird, ist für die ÖSV-Kombinierer im Teambewerb eine Medaille Pflicht. Denn nur Deutschland, Norwegen und Österreich stellen ein konkurrenzfähiges Quartett.
Auch wegen der fehlenden sportlichen Dichte ist Trondheim die Abschiedsvorstellung für diesen Bewerb. Bei den Winterspielen 2026 wird die Staffel durch einen Teamsprint (2 Athleten) ersetzt.

Kombiniererin Lisa Hirner stand in dieser Saison einmal auf dem Podest
- Nordische Kombination, Frauen
Mit einem dritten Platz in Lillehammer war der Saisonstart für Lisa Hirner verheißungsvoll, doch gesundheitliche Probleme warfen die beste ÖSV-Kombiniererin aus der Bahn. Bei den Heimweltcups in Ramsau und Seefeld musste die Steirerin deshalb sogar w. o. geben.
Eine topfitte Lisa Hirner hätte im Auftaktbewerb am Donnerstag über 5 Kilometer (mit Massenstart) Außenseiterchancen, nach der verkorksten Vorbereitung stellt sich aber die Frage: Kann Hirner in der Loipe mit den Schnellsten mithalten?
Auf der Schanze präsentierte sich die 21-Jährige am Mittwoch im Training stark und landete zwei Mal in den Top 3. Auch im Mixed-Bewerb (jeweils 2 Frauen und Männer) wird es schwer mit einem Podestplatz.

Teresa Stadlober und Mika Vermeulen gehen in der Loipe auf Medaillenjagd
- Langlauf
Wer hätte das gedacht nach all den Skandalen und Rückschlägen in diesem Jahrtausend: Österreich hat im Langlauf bei Frauen wie Männern eine berechtigte Medaillenhoffnung.
Teresa Stadlober und Mika Vermeulen haben in den vergangenen Wintern eindrucksvoll bewiesen, dass sie mehr als nur Mitläufer sind und die norwegischen Dominatoren ein wenig ärgern können.
Der halbe Norweger Vermeulen – der Steirer lebt und trainiert seit Jahren in Lillehammer – war in dieser Saison Stammgast in den Top Ten und zeigte bei der Tour de Ski mit Rang 2 auf. Teresa Stadlober lief heuer sogar bereits zwei Mal aufs Podium. Bei der WM ist dem Duo im Skiathlon und im 50-Kilometer-Marathon einiges zuzutrauen.
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