Eileen Gu hat am vergangenen Dienstag dem Druck aus ihren beiden Heimatländern stand gehalten und Gold im Big Air der Freeskierinnen geholt. In der Nacht auf Sonntag (3.00 MEZ) hat sie im Slopestyle die nächste Chance auf Gold, auch in der Halfpipe in der Woche danach (Freitagnacht) ist sie Favoritin.
Ihre Sportart kannte in China bisher kaum jemand. Heute sehen ihr Millionen bei ihren Olympiabewerben zu. Das hat auch eine politische Note: China will 300 Millionen Chinesen zum Wintersport bringen – die Jungen sind durch das spektakuläre Snowboard und Freeski leichter zu begeistern. "Ich wollte durch meine Entscheidung für China auch eine neue Generation mit dem Wintersport vertraut machen", sagte Gu dazu.
Heute kennt sie jeder. Ihr Gesicht lacht von Plakaten in jeder Ecke Pekings. Laut Berichten soll sie zu den bestverdienenden Sportlern Chinas gehören.
"Bleib doch in China"
Ein Beigeschmack bleibt: Gu startet zwar für China, ihren US-Pass soll sie aber nicht abgegeben haben, was laut chinesischem Staatsbürgerschaftsgesetz aber Pflicht wäre. In den Olympia-Unterlagen wird sie als Doppelstaatsbürgerin geführt, was vor allem die Kritiker in den USA auf den Plan ruft.
Und die werden mit ihrer steigenden Bekanntheit immer mehr. Unter ihrem Post aus dem Jahr 2019, in dem sie ihren Wechsel nach China ankündigte, stehen etliche Hassnachrichten. "Bleib doch gleich in China", ist noch das geringste, was da auf die 18-Jährige einprasselt. Der rechte TV-Sender Fox News bezeichnet sie als "undankbares Kind", das es nicht zu schätzen wisse, dass die USA sie aufgezogen und zur Spitzenathletin gemacht habe.
Ein bisschen was ist dran. Allein, dass Yan Gu mit Töchterchen Eileen als Alleinerzieherin lebte, ist in China so nicht unbedingt möglich. Bis 1997 war das sogar illegal, bis heute gilt es als soziales – und finanzielles – Problem. Diesseits des Pazifik die Demokratie und Freiheit leben – jenseits des Pazifik Ruhm und Geld kassieren. So mancher Amerikaner nimmt ihr das übel.
Ob Gu von der Politik instrumentalisiert werde? Fragen zu diesem Thema will die 18-Jährige nicht beantworten. Ein Indiz könnte eine Person sein, die bei ihrem Gold-Lauf beim Big Air vor dem Stahlwerk in Peking im Publikum saß: Peng Shuai. Jene Tennisspielerin, die nach einem kontroversiellen Posting, in dem sie einem hochrangigen chinesischen Politiker sexuellen Missbrauch vorwarf, wochenlang verschwunden war und damit weltweit für Schlagzeilen sorgte.
Auf die Frage, ob sie Peng sah, die an der Seite von IOC-Präsident Thomas Bach den Bewerb verfolgte, verneinte Gu und dankte Peng für die Unterstützung. "Ich hoffe ich lerne sie mal kennen."
Auf politische Diskussionen lässt sich Gu nicht ein. Und beim Kulturkampf USA gegen China will sie auch nicht mitspielen, sie versteht sich als Brückenbauerin. Beim Olympiasieg der US-Snowboarderin Chloe Kim stand Eileen Gu im Publikum und herzte vor den Augen Millionen Zuseher ihre amerikanische Freundin nach deren Run.
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