Warum der ÖSV nach der WM nicht in Euphorie ausbrechen sollte

Wenn einem einmal die Croissants schon im Schlaf erscheinen und manche Kollegen bereits auf die Idee kommen, das Baguette extralang in den Toaster zu schieben, um endlich wieder in den Genuss von "Schwarzbrot" zu kommen, dann wird es wohl Zeit, dass diese WM ein Ende nimmt.
Der Lagerkoller, der einen früher oder später bei jedem Großereignis befällt, machte sich in Courchevel und Méribel trotzdem nur in der Lightversion bemerkbar. Was in erster Linie daran lag, dass diese Weltmeisterschaft auf die Sonnenseite gefallen ist.
Wahnwitziger Plan
Nicht auszudenken, das Wetter hätte sich hier in den vergangenen zwei Wochen ein wenig verhaltensorigineller präsentiert. Die WM hätte wohl in einem veritablen Verkehrs- und vor allem Terminchaos geendet.

Schon ohne Wetterkapriolen und Verschiebungen sind 13 Medaillenentscheidungen in zwei Wochen ein ambitionierter, um nicht zu sagen: wahnwitziger Wettkampfkalender. Wer bei der FIS auf die Idee gekommen ist, am Abend des Teambewerbs noch die Qualifikationsläufe für die Parallelrennen anzusetzen – obendrein auf einem anderen Berg – kann kein Freund der Athleten und des Sports sein.
Überhaupt dieser Wildwuchs an Bewerben: Kombination, Parallel, Team – die kleinen Teilnehmerfelder, bei denen die klingenden Namen gerne durch Abwesenheit glänzen, legen den Verdacht nahe, dass diese Disziplinen keiner richtig will.
Gelungene Bilanz
Andererseits erwiesen sich gerade diese ungeliebten, manche behaupten sogar unnötigen, Bewerbe für das österreichische Skiteam als Segen. Ohne die Kombi-Medaillen von Ricarda Haaser, Marco Schwarz und Raphael Haaser und Parallel-Silber von Dominik Raschner wäre die ÖSV-Bilanz mickriger ausgefallen.
So konnte Verbandschefin Roswitha Stadlober, die im Vorfeld "vier bis sechs Medaillen" als Ziel ausgegeben hatte, schon vor den letzten Rennen von einer "gelungenen WM" sprechen. Nach dem durchwachsenen Weltcup-Winter mit nur drei Siegen hatten manche dem ÖSV-Team für die WM ja bereits ein Debakel prophezeit.
Die Verantwortlichen beim Skiverband tun freilich gut daran, nicht in Euphorie zu verfallen und das Abschneiden nicht nur schönzureden. Auch sieben oder mehr Medaillen können und dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass auf den Verband große Herausforderungen und schwierige Zeiten zukommen.
Die Ski-Stars von morgen stehen hierzulande nicht wirklich Schlange, in Sachen Talentförderung und Nachwuchsarbeit hat die ausländische Konkurrenz Österreich offensichtlich überholt. Die Junioren-WM im Jänner in St. Anton dient dabei als aktuelles Warnsignal: Österreichs beste Talente schafften gerade einmal zwei Podestplätze, macht Rang zehn im Medaillenspiegel. "Wir haben beim Skifahren zu viele Mängel", klagte ÖSV-Alpinchef Herbert Mandl dieser Tage erst wieder.

Fehlende Paukenschläge
Was von Courchevel und Méribel 2023 sonst noch bleiben wird?
Gut vorstellbar, dass diese WM in den Erinnerungen vieler Skifans sehr rasch schon Schnee von vorgestern sein wird. Der Saisonhöhepunkt hatte keinen Paukenschlag und auch keine Aufreger. Es gab auch nicht diesen einen magischen Gänsehautmoment, der sich für immer ins Gedächtnis brennt. Wie etwa Marcel Hirschers Fahrt zu Slalom-Gold am letzten Tag der Heim-Weltmeisterschaft 2013 in Schladming.
Wer in Courchevel und Méribel eine prickelnde Atmosphäre erleben wollte, der war hoch oben in den noblen Ski-Hütten besser aufgehoben als im Zielgelände. Laut wurde es auf den WM-Tribünen immer nur dann, wenn Alexis Pinturault, der berühmte Ski-Sohn aus Courchevel, auf der Piste unterwegs war – weltmeisterliche Stimmung geht anders.

Große Begeisterung
Vielleicht ist man aber auch nur von den Rennen in Österreich und der Schweiz verwöhnt, jenen beiden Ländern, die den Skisport bekanntlich zur nationalen Angelegenheit erhoben haben und jede Veranstaltung als Hochamt zelebrieren.
Die Franzosen leben ihre Skibegeisterung eben auf andere Weise aus. Sie gehen statt ins Ziel lieber selbst Skifahren. Wer die langen Staus in die Skigebiete, die Menschenschlangen an den Liften sowie Gondeln und die Massen auf den weitläufigen Pisten erlebt hat, der kann sich nur darüber wundern, dass dem Skisport vielerorts keine rosige Zukunft prophezeit wird.
Eine Ski-Krise sieht definitiv anders aus.
Kommentare