Ski-WM: Warum die Schweiz erfolgreicher ist als der ÖSV

Ski-WM: Warum die Schweiz erfolgreicher ist als der ÖSV
Die Schweiz führt den Medaillenspiegel der Ski-WM in Courchevel/Méribel vor dem letzten Rennen an. Wie die Eidgenossen sich zuletzt aus der Krise hievten.

Während die Ski-Nation Österreich vor dem letzten Rennen bei der WM in Courchevel/Méribel noch immer keine Goldmedaille in der Tasche hat und mit dreimal Silber und viermal Bronze zwar das quantitative Soll erfüllt hat, durfte die Schweiz während der vergangenen beiden Wochen bereits über drei Weltmeistertitel, drei Silbermedaillen und eine Goldmedaille jubeln. Die Eidgenossen sind ganz oben im Medaillenspiegel zu finden, während man Österreich weiter unten suchen muss.

Auch in Österreich gebe es "viele gute Leute", weiß Alpindirektor Walter Reusser von Swiss-Ski. Bei der WM hätten "vielleicht wirklich ein paar Sachen auch unglücklich nicht zusammengepasst, dann geht halt vielleicht die Spirale runter". Es droht die schlechteste Ausbeute seit Langem: Seit den Weltmeisterschaften 1987 in Crans-Montana gab es immer zumindest einen Weltmeister oder eine Weltmeisterin aus Österreich. 

Etwas unglücklich seien im Nachbarland die vielen Wechsel in der Führungsstruktur und im Betreuerstab im Frühling 2022 gewesen. Das hätten die Konkurrenten aus der Schweiz "etwas als Risiko gesehen", so Reusser. Letztlich sei die Situation für Österreich aber auch eine Chance, "wie es auch in der Schweiz eine Chance war Mitte der 2000er-Jahre, wo wir in die Krise gerutscht sind und dann unsere Lehren daraus gezogen haben".

Glänzend, Odermatt

Die Schweiz hat die Ski-WM zwar nicht ganz so glänzend gestaltet wie die Winterspiele 2022 in Peking, reitet aber weiter die Erfolgswelle. Mit dreimal Gold, dreimal Silber und einmal Bronze thronen die Eidgenossen auf Platz eins im Medaillenspiegel. Wichtig sei gewesen, die Nervosität draußen zu belassen, sagte Verbandspräsident Urs Lehmann, der mit Alpindirektor Walter Reusser die Fäden im Hintergrund zieht. "Alles für den Sport", lautet das von Lehmann praktizierte Credo.

Dass die Schweizer im Alpin-Bereich allerhand richtig machen müssen, liegt auf der Hand. Marco Odermatt steht vor dem Gewinn seiner zweiten großen Kristallkugel, dazu kommt die überlegene Führung im Nationencup. Und das sind nur zwei Anhaltspunkte. "Wenn du die ganze Saison hinweg die Erfolge hast, die wir gehabt haben als Mannschaft, dann ist die Erwartungshaltung hoch", sagte Swiss-Ski-Präsident Lehmann bei einem Medientermin in Méribel. "Wenn man dann sagen kann, die Mannschaft hat geliefert, die Athleten haben super Erfolge gehabt und zum Teil Historisches geschafft, darf man das als sehr, sehr erfolgreich bezeichnen."

Temporäre Unruhe

Als nach den ersten fünf Tagen in Frankreich lediglich eine Silbermedaille durch Kombi-Lady Wendy Holdener zu Buche stand, kam zwar temporär Unruhe auf. Doch "die Nervosität ist mehr außerhalb gewesen", wie Lehmann erklärte. "Bei den Fans, auch medial ein bisschen. Aber innen drinnen haben es die Mannschaft und die Coaches hervorragend verstanden, den Fokus zu behalten." Als beste Performance bei der WM nannte der 53-Jährige die Gold-Abfahrt von Odermatt. "Ich glaube, das ist nahezu oder die perfekte Fahrt gewesen." Der emotionalste Moment war für ihn der Schweizer Doppelsieg im Riesentorlauf durch Odermatt und Loic Meillard.

Ein zentrales Puzzlestück für den Erfolg ist laut Lehmann der Ansatz, den Sportlern und Sportlerinnen eine Art Rundum-Wohlfühlzone zu bieten. Der Ex-Rennfahrer führte etwa die durchgehende Einzelbetreuung vonseiten der Serviceleute an und das "House of Switzerland". Es sei entscheidend, "wenn ich weiß, ich habe einen Servicemann für mich. Wenn wir wissen, wir Schweizer haben eine Homebase. Psychologie ist so wichtig, und wir werden da nichts dem Zufall überlassen."

Talenteförderung

Vor zwei Jahren hatte die Schweiz in Cortina d'Ampezzo drei Goldene, einmal Silber und fünfmal Bronze gewonnen, in Peking fünfmal Gold, einmal Silber, dreimal Bronze. "Wir haben in den letzten drei Jahren extrem viel Erfolg gehabt mit Cortina, mit Peking und jetzt mit hier. Aber wir sind uns bewusst, es geht nicht immer so weiter. Es muss nur eine blöde Verletzung passieren oder irgendwie eine dumme Konstellation, darum ist eine breite Mannschaft wichtig", sagte Reusser.

Darum widmet sich der Alpinchef seit seinem Amtsantritt 2019 auch leidenschaftlich dem Thema Nachwuchsarbeit. Seit drei Jahren bekommen die Regionalverbände mehr Geld für die Talenteförderung, außerdem hat Reusser die Kadergrößen erhöht. Denn Konkurrenz soll das Geschäft beleben. "Machen wir zwei Jahre was falsch, badest du das wahrscheinlich vier bis sechs Jahre aus", illustrierte der ehemalige Stöckli-Chef seinen Ansatz. "Wir können ja dann nicht wie im Fußballbereich ein paar mehr Athleten einkaufen, damit man sich wieder über Wasser halten kann. Man hat das, was man hat."

Nicht immer Spitze

Die Stärke von Swiss-Ski sei, "dass wir die Einsicht hatten, dass wir nicht im ersten FIS-Jahr beispielsweise Weltspitze sein müssen". In den ersten zwei Jahren passiere der sportliche Vergleich generell nicht international, sondern nur national. "Ich glaube, diese Geduld hilft extrem, dass man Druck aus dem System nimmt, weil Sport ist ein Marathon, und nicht ein Sprint. Am Schluss wird abgerechnet, wenn man 30 oder gar 35 ist, und nicht in diesen ein, zwei Jahren, wenn man pubertiert."

 

Kommentare