Kurzzeit-Ministerin Hackl: "Ich suche das politische Milieu nicht"
Es lebe der Sport, so lautete das Motto am Fluss. Kurzzeit-Ministerin Valerie Hackl war einst erfolgreich in der Rhythmischen Sportgymnastik tätig und ist noch bis Sommer Chefin der Austro Control. Der Sport hat sie geprägt und ist ihr im Berufsleben von großem Nutzen.
KURIER: Welche Bedeutung hat Sport noch für Sie? Bleibt überhaupt Zeit dafür?
Valerie Hackl: Früher habe ich immer gescherzt, dass ich als Kind und Jugendliche das Pensum an Sport aufgebraucht habe. Aber das stimmt nicht, ich brauche Sport nach wie vor als Ausgleich. Ich gehe laufen, möchte in Bewegung sein. Aber nicht mehr wettbewerbsorientiert.
Bekommen Sie durch das Laufen den Kopf frei?
Ich habe einen Beruf, bei dem ich viel sitze. Der Ausgleich mit Bewegung ist wichtig. Wenn ich laufe, dann profitiert auch der Kopf: Es kommen neue Ideen, komplexe Themenstellungen werden leichter.
Rhythmische Sportgymnastik erfordert viel Training. Der Ausblick auf Ruhm und Geld ist überschaubar. Gab es nichts anderes für Sie?
Jeder Sport bedeutet viel Arbeit, wenn man ihn ernst nimmt. Diese Sportart hat immer gut zu mir gepasst. Schade finde ich, dass sie nicht messbar ist. Von Rahmenbedingungen abhängig zu sein, das war für mich manchmal problematisch.
Wie oft haben Sie sich unfair benotet gefühlt?
Regelmäßig. Die Bewertungen muss man hinnehmen, aber nachvollziehbar sind sie nicht immer.
Wussten Sie schon vor dem Wettkampf, dass Sie bei dieser oder jener Kampfrichterin keine guten Noten bekommen werden?
Definitiv. Wie beim Eiskunstlaufen gehört das zu diesem Sport dazu. Würde ich nochmals wählen, würde ich einen Sport aussuchen mit einer objektiven Messbarkeit.
Die Leichtathletik?
Ja, oder Skifahren oder Tennis. Würde meine Tochter meinen Sport wählen, würde es mich einerseits freuen, andererseits würde ich es ein wenig sorgenvoll betrachten.
Ist Ihnen Zeit geblieben für Hobbys, die Teenager eben haben?
Nein, gar nicht. Aber ich konnte das nachholen. Der Sport war für mich sehr erfüllend, er war der Nabel meiner Welt. Natürlich habe ich mitbekommen, dass Schulfreundinnen dies und das gemacht haben.
Was war schöner: die Freude über eine gelungene Übung oder die Höchstnote von den Richterinnen?
Am besten beides. Eine gelungene Übung war schon sehr erleichternd. Das fühlt sich toll an.
Spüren Sie heute vom Sport noch etwas im Alltag wie Abnützungen?
Ich hatte Glück, ich bemerke nichts Negatives. Wenn ich intensiver trainiere, etwa für einen Halbmarathon, dann merke ich, dass ich schnell Kondition aufbaue. Der Körper erinnert sich. Die Dehnung habe ich aber komplett verloren: Beim Yoga falle ich nicht positiv auf.
Warum war mit nur 16 Schluss?
Mein größtes Ziel war Olympia 2000 in Sydney – der Weg ist aber für mich nicht aufgegangen. Damals hat das schon wehgetan, weil es tolle Spiele waren. Mittlerweile bin ich versöhnt, es fehlt mir nichts.
Hat das Schattendasein Ihrer Sportart jemals geschmerzt?
Es war immer Teil des Ganzen, daher gab es kaum eine Erwartungshaltung. Wenn im ORF dann ein Beitrag lief, haben wir den auf Video aufgenommen. Und waren stolz. Bedauerlich war, dass man nur schwer Sponsoren bekommen hat.
Die Karrieren von Gymnastinnen enden früh. War das ein Problem?
Auch da gab es eine klare Erwartungshaltung, wie bei Balletttänzerinnen: Es ist ein Jugendsport. Danach gab es einen klaren Cut. Es fiel die Last ab, jeden Tag zu trainieren.
Wie oft kämpfen Sie heute noch mit dem inneren Schweinehund?
Jeden Tag beim Aufstehen, ich bin ein Morgenmuffel. Mit zunehmendem Alter gewinnt öfter der Schweinehund. Das hat aber auch mit Gelassenheit zu tun, weil man sich ab und zu etwas gönnen soll.
Viele Turnvereine haben zu wenige Hallen. Was würden Sie tun, wenn Sie Sportministerin wären?
Als Sportlerin habe ich mir gewünscht, dass auch ein Nischensport gut finanziert ist. Natürlich geht es ums Geld. Wichtig wäre auch, dass man mehr Austausch mit anderen Ländern hat.
Gibt es einen sinnvollen Grund, warum die tägliche Turnstunde noch nicht umgesetzt ist?
Gibt es genügend Turnsäle, würde ich gegenfragen. Aber man kann sich ja auch draußen bewegen. Also: Nein, eigentlich nein.
Ihre berufliche Karriere ist ungewöhnlich: Von den ÖBB unter Kern zu einer Beförderung unter Minister Hofer, zu einer vom damaligen Kanzler Kurz ausgesuchten Ministerin in der Kurzzeitregierung 2019, hin zu einer Vertragsverlängerung bei Austro Control unter Ministerin Gewessler – sind Sie ganz un-österreichisch völlig parteifrei?
Ich bin bei keiner Partei. So plakativ aufgezählt bildet das meine Haltung ab: Ich war immer dort, wo ich etwas leisten konnte und auch Spaß an der Arbeit hatte. Offenbar gab es unter mehreren Parteifarben eine Wertschätzung für mein Tun.
Ihnen ist aber schon aufgefallen, dass das so wie bei Ihnen in Österreich nicht häufig passiert?
Ja, natürlich. Ich habe mein Gegenüber öfters stutzig gemacht, weil mich die Leute nicht in eine Schublade stecken konnten.
Sie haben den Parteinamen „Neos“ vorgeschlagen. Wie würden Sie auf ein Angebot reagieren, wenn die Neos Ministerämter zu vergeben hätten, und Sie gefragt werden?
Ich wurde damals, nach Ibiza, nicht als Politikerin, sondern als Expertin gefragt. Das könnte ich künftig auch noch nachvollziehen. Aber ich suche das politische Milieu nicht.
Hat der Einblick als Ministerin Ihr politisches Weltbild verschoben, oder wurden Sie gar abgeschreckt?
Politikerin zu sein, muss man wollen und können. Dafür muss man gerne viel in der Öffentlichkeit stehen. Ich bin nicht der Typ dafür.
Privat
Valerie Hackl, geboren 1982 in Wien, war mehrfache Österreichische Staatsmeisterin in rhythmischer Sportgymnastik, sowie EM- und WM-Teilnehmerin. Sie ist mit dem ehemaligen „Die Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak liiert.
Karriere
Hackl studierte BWL in Wien, promoviert wurde sie an der Uni St. Gallen. 2012 wurde sie bei der ÖBB Assistentin von Vorstand Christian Kern, stieg später selbst in den Vorstand auf, war parteifreie Expertin der Bundesregierung Kurz I und ist seit 2019 CEO der Austro Control.
Sie sind in Führungspositionen tätig: Welche Eigenschaft aus Ihrem sportlichen Leben hilft jetzt?
Wenn man mit sechs Jahren anfängt, und sich das so entwickelt wie bei mir, wird man sehr zielstrebig, leistungsbewusst und diszipliniert. Ich wäre nicht jung in höhere Positionen gekommen, wenn ich das nicht in mir drinnen hätte. Ich muss mich sehr anstrengen, um etwas ganz locker anzugehen. Dazu kommt eine Leidensbereitschaft. Aber die Erfolge lohnen immer: Bei Austro Control habe ich 2019 eine teure, unpünktliche Flugsicherung übernommen. Heute sind wir effizienter, günstiger und eine der pünktlichsten Flugsicherungen in Europa.
Das würde gut zur Politik passen.
Man muss es nicht übertreiben. Ich bin froh, dass es Politiker gibt und sie diese Arbeit machen.
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