Musiker Plöchl und seine Droge: "Sport ohne Sinn und Ziel kenne ich nicht"

Musiker Plöchl und seine Droge: "Sport ohne Sinn und Ziel kenne ich nicht"
Bekannt wurde Lukas Plöchl als muskelbepackter Teil der Trackshittaz. Heute strukturiert Laufen den Alltag des 34-Jährigen. Disziplin gelehrt hat ihn sein Vater, ein Tischtennis-Trainer aus Peking.

Lukas Plöchl kommt mit dem Fahrrad zum Interviewtermin hoch über Wien. Nach dem Gespräch wird der 34-Jährige noch seine tägliche Laufeinheit im Gelände absolvieren. Ausdauersport ist Ausgleich und Obsession zugleich für den Oberösterreicher, den man hierzulande vor allem wegen seiner Musik kennt. Als die muskelbepackte Hälfte des Hip-Hop-Duos Trackshittaz nahm Plöchl für Österreich 2012 am Song Contest teil („Woki mit deim Popo“). Mittlerweile stimmt er unter dem Künstlernamen Wendja weniger brachiale Töne an. Für Sport bleibe aber immer Zeit, wie er in der Interviewserie "Es lebe der Sport" erklärt.

KURIER: Herr Plöchl, Sie sind mit der guten Zeit von 2:52:32 Stunden beim Wien-Marathon im April unter den besten 200 Läufern gelandet und haben danach enttäuscht geklungen. So ehrgeizig?

Lukas Plöchl: Schon komisch. Und mit Abstand betrachtet, denkt man wieder: Du hast einen Vogel. Warum macht dich das so fertig, wenn du deine Zielzeit verpasst? Aber wenn du im Laufen bist und das Gefühl da ist, dann ist das schon etwas, was auf einmal einen Stellenwert bekommt.

Wo lag die Zielzeit?

Zwischen 2:45 und 2:48, also bei einem Viererschnitt. Aber beim Marathon gab es dann den ersten richtig heißen Tag des Jahres, und das hat man eben bei vielen gemerkt.

Sie hatten Krämpfe. Gab es den Gedanken des Aufgebens?

Die echten Krämpfe sind ja Gott sei Dank erst wirklich beim Schluss-Sprint gekommen. Ich gebe zu, der Gedanke, einfach stehen zu bleiben, war da. Aber um wirklich aufzuhören, reicht nicht ein einziger Gedanke. Dieser muss über viele Kilometer wachsen.

Was fasziniert Sie am Laufen?

Ich habe seit meinem 24. Geburtstag ein Ritual. 24 Jahre, 24 Kilometer im Laufschritt. Und das hat mir sofort gefallen. Aber irgendwann dachte ich, warum nur einmal im Jahr, warum lass’ ich es die 364 anderen Tage schleifen? Irgendwann habe ich gemerkt, dass es mir leicht fällt, diese Strecken zwischen 20 und 30 Kilometern zu laufen. Und nur wenig später war ich schon Teil dieser Lauf-Blase.

Sie haben einen Lauftrainer und halten sich strikt an dessen Trainingspläne. Ist das noch Hobby-Sport?

Ich würde es gar nicht so in eine Schublade stecken. Für Hobbysport investiere ich vielleicht ein bisschen zu viel, aber Profitum ist es auch noch nicht. Was es heißt, Profi zu sein, habe ich tagtäglich bei meinem Papa gesehen.

Der viele Jahre lang Tischtennis-Nationaltrainer in Österreich war …

Genau. Wenn ich Pause mache, gehen die Profis noch einmal zum Training. Gerade vom Tischtennis kann man sich wirklich etwas abschauen, was Trainingsumfänge angeht. Die Leben praktisch in der Halle bei Kunstlicht. Und meinen Lebensunterhalt muss ich auch nicht durch Sport finanzieren. Welchen Rang ich bei einem Lauf erreiche, verändert mein Leben nicht.

Wie oft laufen Sie?

Sechs Tage die Woche, aber natürlich unterschiedliche Umfänge. Und dazu ein bisschen Kraftkammer. Aber nicht mehr wie früher aus ästhetischen Gründen, sondern eher um meinem 34 Jahre alten Körper etwas Gutes zu tun.

Laufen mutet monoton an im Gegensatz zu Ihrer kreativen Arbeit als Künstler. Ist das beabsichtigt als Ausgleich?

Wahrscheinlich. Aber was einen anzieht, kann man ja oftmals nicht so genau beschreiben. Für mich ist es ein Anker, ein Fixpunkt in meinem Alltag, der Halt gibt. Musik dagegen ist etwas Schnelllebiges und oft ein Hype-Thema. Sport funktioniert ganz anders als Musik oder Kunst.

Was meinen Sie damit?

Du kannst dich auf das, was im Wettkampf zählt, mit diszipliniertem Training relativ gut vorbereiten. Weil klar ist, worauf es ankommt. Im Gegensatz dazu kann ich in der Musik fast gar nichts steuern. Der Song, in den ich am meisten investiere, muss kein Hit werden.

Ist Sport gesund, so wie Sie ihn betreiben?

Ich würde gerne Ja sagen, weil ich mich auch vorwiegend vegan ernähre und weitgehend auf Alkohol verzichte. Ich glaube, ich lebe um ein Vielfaches gesünder als der Durchschnittsösterreicher, weil das aber bei unseren „Für 5 Kilometer steig’ ich ins Auto, und am Wochenende sauf’ ich mich an“-Gewohnheiten nicht sonderlich schwer ist. Allerdings, wenn Sie sich jetzt genauer mein Knie ansehen würden, könnte man sagen: Es gibt gesündere Knie in Österreich.

Sie bezeichnen Sport als Ihre Droge. Klingt nicht gesund.

Es gibt Leute, die es übertreiben. Ein Stück weit zähle ich mich sogar da dazu. Wir als Gesellschaft bekommen ja ein bisschen vorgesetzt, dass man dauernd produktiv und in Bewegung sein muss, sonst ist es ungesund. Dem kann ich nicht ganz zustimmen, weil diese Körper, die wir damit verbinden, weder gesund noch normal sind. Vielleicht ist es auch dieser Aspekt, der mich letztlich doch nicht voll und ganz in die Sportwelt eintauchen lässt.

Musiker Plöchl und seine Droge: "Sport ohne Sinn und Ziel kenne ich nicht"

Liu Yan Jun war viele Jahre ÖTTV-Nationaltrainer

War der Sport der Lebensmittelpunkt in Ihrer Familie?

Sport hat auf jeden Fall die Rechnungen bezahlt. Sport war für mich, dass mein Vater in der Früh in die Tischtennishalle gefahren und arbeiten gegangen ist. Und am Abend, als er heimkam, ist er noch Laufen gegangen. Mein Vater kommt aus China, und dort hat man schon einen anderen Zugang zu Sport, zur Trainingslehre, vor allem wie man Kindern etwas beibringt.

Sie meinen Drill? Gab es den?

Ich weiß nicht, Drill ist wohl ein zu hartes Wort. Aber wenn wir Tischtennis gespielt haben, dann haben wir eben nicht eine Stunde gespielt, sondern vier Stunden. Das war so in meinem Vater drinnen, der kam aus einer anderen Welt und konnte gar nicht anders. Wissen Sie eigentlich, wie das war, als er 1987 nach Österreich gekommen ist?

Erzählen Sie es uns bitte!

Mein Vater hatte bis dahin kaum etwas anderes gekannt als die Megametropole Peking. Und eines Tages ist er dann plötzlich in Freistadt gestanden. Als man ihm sagte, man zeige ihm die Stadt, hat er seinen Rucksack gepackt mit Proviant für einen Tagesausflug, von frühmorgens bis spätabends. Nach 15 Minuten im Auto war die Stadtrundfahrt aber beendet.

Hat er sich mittlerweile daran gewöhnt?

Klar. Ich erkenne auch, dass er mit meinem jüngeren Halbbruder ganz anders umgeht. Aber rückblickend bin ich ihm dankbar. Denn wenn er mich etwas gelehrt hat, dann war es Durchhaltevermögen. Sport ohne Sinn und Ziel, so ganz locker nur zum Spaß, das konnte ich auch früher beim Fußball nicht. Und daran hat sich bis heute nur wenig geändert.

Passivsport, auf der Couch oder im Stadion, ist das etwas für Sie?

So ein Champions-League- oder WM-Finale schaue ich mir schon an, aber dass ich einer Mannschaft die gesamte Saison folge, das kommt nicht vor. Im Stadion fasziniert mich weniger der Sport, eher die Atmosphäre, die Euphorie. Im Prinzip hat Live-Sport etwas Wahnsinniges und Irrationales.

Was meinen Sie damit?

Es fasziniert mich, wenn sich Zehntausende über ein Tor freuen oder über einen banalen Fehlpfiff ärgern können. In dem Moment gibt es für viele einfach nichts Wichtigeres. Da hat der Sport eine Kraft, die nicht viele Dinge haben.

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