Schauspieler Manuel Rubey: "Tennis lehrt die Einsamkeit des Lebens"
Manuel Rubey, 42, ist Schauspieler, Sänger, Kabarettist – und tennisverrückt. Ein Gespräch im Rahmen der KURIER-Interviewserie "Es lebe der Sport" über Novak Djokovic und was der Tennissport mit Buddhismus zu tun hat.
KURIER: Herr Rubey, wenn wir über Tennis sprechen, dann müssen wir natürlich über Novak Djokovic reden. Wie geht’s Ihnen mit diesem Drama?
Manuel Rubey: Also ich habe die australischen Behörden in diesem Moment gefeiert. Und zwar deshalb, weil sie da keine Unterschiede gemacht haben zwischen der Nummer 1 der Welt im Tennis und allen anderen. Leider hat sich mit der Einreise-Affäre das Vorurteil bestätigt, dass Djokovic zwar gleich viele Grand-Slam-Titel hat wie die beiden anderen großen, also Roger Federer und Rafael Nadal, dass er ihnen aber abgesehen davon nicht das Wasser reichen kann.
Die Nummer eins der Welt ist nicht der beste Spieler aller Zeiten?
Möglicherweise ist er - was die Resultate angeht - sogar der beste Spieler, den wir je gesehen haben werden. Aber gleichzeitig hat Djokovic gezeigt: Bei ihm fährt der Lift nicht bis ganz oben.
Kann das, was ein Djokovic auf dem Platz leistet, grundsätzlich nicht für sich allein stehen? Es gibt ja viele Weltsportler, die man nicht zu gesellschaftspolitischen Analysen oder Buchbesprechungen drängt.
Wahrscheinlich ist unsere Zeit unfair, weil man Job und Charakter viel weniger trennt. Ich finde es aber gut, dass sich Superstars an gesellschaftlichen Diskursen beteiligen und sich nicht darauf zurückziehen, Fachidioten zu sein. In der Kunst ist es genauso. Ich kann mir Filme von Woody Allen auch nicht mehr so anschauen wie vor 10, 20 Jahren. Natürlich kann man Djokovic als Tennisfan bei der Ausübung seines Berufs fast immer mit Hochgenuss zusehen. Aber wenn ich weiß, wie er als Mensch tickt, dann fällt mir das mittlerweile schon ziemlich schwer.
Wie kamen Sie eigentlich zum Tennis, wann hat die Leidenschaft angefangen?
Genau kann ich es nicht mehr sagen, da verschwimmt vieles. Als Kind habe ich Kurse gemacht, Stunden genommen. Ich hatte den irrationalen Wunsch, Tennisprofi zu werden. Aber es war sehr bald sehr klar, dass weder ausreichend Geld noch Talent vorhanden sind. Bei Jugendturnieren war oft die zweite Runde schon das höchste der Gefühle. An der Liebe zum Sport hat das aber nichts geändert. Während Klassenkollegen Poster von Frauen oder Popstars an ihre Zimmerwände geklebt haben, hing bei mir der Stefan Edberg überm Bett.
Der Schwede war Nummer 1 der Welt und hat ein halbes Dutzend Grand Slams gewonnen. Auf dem Platz war er kühl und kontrolliert. War Ihnen das nicht zu langweilig?
Überhaupt nicht. Ich hatte immer schon ein Faible für aristokratische Eleganz. Das, was mich heute an Roger Federer fesselt, galt damals für Edberg: Er hat ein unglaublich elegantes Spiel. Und dann kam noch etwas Anderes hinzu: Als Kind hatte ich auf dem Platz sehr mit meinen Emotionen zu kämpfen. Meinen ersten selbst gekauften Schläger hab‘ ich aus Wut auf dem Platz zertrümmert. Überhaupt hab‘ ich in Matches nach den ersten Fehlern gleich die Nerven und damit die Partie geschmissen. Bei Edberg ging es immer um viel, viel mehr als bei mir - und trotzdem hatte er sich immer völlig im Griff. Das hat mir enorm imponiert.
Zertrümmern Sie heute noch Schläger?
Ich bin ganz anders als damals. Ich ärgere mich selten und schlage regelmäßig Leute, die mehr Kondition und Technik haben als ich.
Wie das?
Naja, da kommt mir vermutlich mein Beruf zugute. Ich bin auf der Bühne sehr konzentriert aber nicht wirklich nervös und kann meine beste Leistung abrufen. Beim Tennis ist das ähnlich: Streng genommen geht es ja um nichts, wir operieren nicht am offenen Herzen. Das gibt mir eine Gelassenheit, die viele andere im Match nicht haben, weil sie unbedingt gewinnen wollen.
Multitalent: Manuel Rubey (42) ist Schauspieler, Kabarettist und Sänger. Er war Mitgründer der Band „Mondscheiner“. 2008 wurde er mit seiner Kino-Verkörperung von Falco überregional bekannt und spielte in Erfolgsserien wie „Aufschneider“ und „Braunschlag“.
2011 bekam er gemeinsam mit Thomas Stipsits den Kabarettpreis für das Programm „Triest“. Derzeit ist der Vater zweier Töchter mit seinem ersten Solo-Kabarett „Goldfisch“ und der „Familie Lässig“ auf Tour.
Wie oft spielen Sie denn?
Wenn ich es schaffe, dann mehrmals die Woche. Im Unterschied zum Laufen ist Tennisspielen für mich keine Überwindung, sondern ich freu mich schon Tage vorher darauf. Es spielt dann gar keine Rolle, ob ich verkatert bin oder die halbe Nacht wach war.
Stehen Sie – etwa bei den Australian Open - nachts auf, um Tennis zu schauen?
Vielleicht ab einem Semifinale. Vorher nicht, ich schlafe grundsätzlich eher schlecht, da nehme ich, was geht. Was ich aber manchmal tue ist alte Partien auf youTube nachschauen. Und mitunter nehme ich mir Matches auf und werfe sie am nächsten Morgen im Büro zum Frühstück an die Wand. Vorausgesetzt, ich weiß noch nicht, wer gewonnen hat.
Wie erklären Sie jemanden, der keine Ahnung vom Tennis hat, was genau Sie daran fasziniert?
Allein die Tatsache, dass Du bei jedem einzelnen Schlag 20 und noch mehr Möglichkeiten hast, alles falsch zu machen, ist faszinierend. Die Biografie von John McEnroe ist eine Künstler-Biografie. Dieses Buch kannst Du lesen, Du musst nichts von Tennis verstehen – und Du wirst ihn dennoch lieben.
Wer ist für Sie der GOAT, also der „Greatest Of All Time“?
Ich glaube Roger Federer. Ich habe einmal irgendwo die kluge Feststellung gelesen „Federer ist ein Künstler, der auch kämpfen kann. Nadal ist ein Kämpfer, der auch Künstler ist.“
Dann lassen Sie uns über 2008 reden. Da trafen Federer und Nadal im Wimbledon-Finale aufeinander, Nadal hat Federer in seinem „Wohnzimmer“ geschlagen…
…und ich finde das völlig in Ordnung. Wenn ich mich entscheiden muss, dann bin ich ganz klar im Team Federer. Aber ich verstehe den Nadal so gut. Dass er sich in den Tunnel bringen muss, all seine Ticks…
Bei "Es lebe der Sport" bittet der KURIER Persönlichkeiten zum Gespräch, die vorrangig nur wenig mit Sport zu tun, deren Interesse - aktiv wie passiv - aber groß ist. In Teil eins der Serie kam Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky, einst Basketball-Nationalspieler, zu Wort.
Sie haben Ticks?
Selbstverständlich! Ich räume vor meinem Match die Tennistasche komplett aus und wieder ein. Warum? Weil ich sicher sein will, dass ich alles, was ich brauche, mithabe – zum Beispiel mein Handtuch, zwei Trinkflaschen, das Duschgel.
Geht da der Pedant mit ihnen durch?
Alle Menschen rund um mich würden mich wohl als Pedant bezeichnen. Ich sehe es aber anders. Es geht einem besser, wenn man sich von allem befreit, was unnötig herumsteht oder Ballast darstellt. Wenn Rafael Nadal auf den Platz geht, dann ist das so, wie wenn ich auf die Bühne gehe – es ist unser Büro. Ich verstehe mich als Handwerker, und daher gibt es für meinen Job gewisse Grundregeln. Ich spiele zum Beispiel nie in privaten Klamotten. Ich brauche ein Arbeitsgewand. Tennis entschleunigt herrlich, man kann nicht hudeln. Man muss pünktlich sein, damit man Zeit zum Umziehen hat und in Ruhe auf den Platz gehen kann. Das gehört zu den schönen Seiten dieses Sports.
Was genau gefällt Ihnen da?
Dass man im Hier und Jetzt sein muss. Wenn man in diesem Sport nicht im Hier und Jetzt ist, sondern nachdenkt, was in zwei, drei Punkten oder Games ist, dann verliert man garantiert. Ich neige zum Grübeln und einer gewissen Form der Verzettelung. Tennis ist da eine wunderbare Übung.
Sie lesen auch taktische Bücher zum Tennis?
Eher nicht. Es lässt sich ohnehin alles Buddhistische ganz einfach auf diesen Sport übertragen. In letzter Konsequenz lehrt uns Tennis, wie wir mit der Einsamkeit des Lebens zurande kommen.
Das klingt reichlich ernüchtert.
Aber es ist so: Bei einem Match stehst Du immer allein auf dem Platz. Selbst ein Tennisprofi darf nie mit seinem Trainer kommunizieren, das ist sogar verboten. In welchem Sport gibt es das? Dieser Sport ist eine Metapher für das Leben.
Andrea Petkovic, Tennis-Profi und mittlerweile Literatin, sagt, man kann im Tennis nicht lügen. Wie jemand spielt, so ist er als Mensch. Stimmt das?
Also ich zumindest bin eine gute Version von mir auf dem Platz. Als meine Frau mich einmal ziemlich unerträglich fand hat sie mir ein unglaubliches Kompliment gemacht. Sie hat gesagt: Wenn ich dir beim Fußball, beim Tennis oder beim Tischtennis mit den Kindern zusehe, dann weiß ich, warum ich dich liebe.
Die großen Drei, also Djokovic, Federer und Nadal, werden in Bälde abtreten. Wem drücken Sie dann eigentlich die Daumen?
Die Technik eines Stefanos Tsitsipas ist unglaublich. Er ist mir zwar nicht wahnsinnig sympathisch, aber ihm schaue ich gerne zu.
Wir haben uns jetzt gar nicht über Dominic Thiem unterhalten. Glauben Sie an ein Comeback?
Ich fürchte, die Chance liegt mittlerweile bei 50:50. Wenn er jetzt nicht bald Schmerzfreiheit zurückkommt, dann war's das. Aber ich hoffe es sehr für ihn, weil schmerzfrei hat er bestimmt noch einiges vor und es wäre ihm von Herzen vergönnt.
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