Die Australian Open und das schwierige Thema Ureinwohner

Ashleigh Barty überzeugt. Sportlich brauste sie in Melbourne durch die ersten beiden Runden der Australian Open. Doch auch im Interview lässt die Australierin keine Fragen offen. „Ich bin eine sehr, sehr stolze indigene Frau“, sagte die Weltranglisten-Erste nach einem ihrer Matches noch auf dem Tennisplatz.
Nach dem Wirbel um Novak Djokovic und seine Einreise-Papiere waren die Veranstalter bei den Australian Open bemüht, ein neues Thema zu servieren. Am Mittwoch, beim „First Nations Day“, erinnerte man an die indigene Bevölkerung und daran, was ihr über die vergangenen Jahrhunderte alles angetan wurde. Und das war keinesfalls wenig – und nichts, worauf man mit Stolz zurückblicken könnte.
Ashleigh Barty, die Beste der Welt, hat indigene Wurzeln und nutzte auch in den vergangenen Jahren die Bühne des Turniers, um auf die Geschichte der Ureinwohner aufmerksam zu machen. „Ich liebe es, mein Erbe zu feiern“, sagt die 25-Jährige. Dieses Kulturerbe verbinde sie mit dem Land.
Nationalfeiertagsstreit
Dass die Australian Open den 19. Jänner unter das Motto der „First Nations“, also der indigenen Bevölkerung, stellen, ist kein Zufall. Wenige Tage später, am 26. Jänner, feiert Australien seinen offiziellen Nationalfeiertag und damit die Ankunft der ersten europäischen Siedler im Hafen von Sydney 1788. Für viele ist es ein Sommertag mit Barbecue, Bier und Feuerwerk, für die Indigenen aber ein Tag der Trauer.
Mit ihm begann die „Herrschaft des weißen Mannes“ – und ihre Leidensgeschichte. Dabei soll das Motto der Briten bei der Ankunft gelautet haben: Die Eingeborenen dürfen auf keinen Fall belästigt oder beleidigt werden. Sie sollten mit Freundschaft behandelt werden. Es kam anders, wie Tim Marshall in seinem Buch „Die Macht der Geografie im 21. Jahrhundert“ eindrücklich beschreibt.
Mit der zunehmenden Landnahme wurden die Ureinwohner vertrieben und massakriert. So umfangreich, dass 1920 nur noch 60.000 indigene Australier auf dem Kontinent lebten. Tausenden Ureinwohnern wurden die Kinder weggenommen, um sie in Heimen „umzuerziehen“.
Nur sehr langsam änderte sich die Einstellung der Australier zu ihrer Urbevölkerung. Ein Wendepunkt war das Jahr 1967 mit der Verfassungsänderung, durch die Aborigines zumindest als Teil der Bevölkerung anerkannt wurden. Erst im Jahr 2008 gab es eine offizielle Entschuldigung für die Tausenden gestohlenen Kinder.
Noch immer liegt vieles im Argen. Heute zählt Australien knapp 800.000 Menschen indigener Abstammung. Doch von Hunderten Sprachen der indigenen Völker sind die meisten verloren gegangen. Indigene sind zwar voll im Alltagsleben integriert, ihre Lebenserwartung ist aber immer noch geringer als der australische Durchschnitt. Arbeitslosigkeit, Alkoholismus und Krankheiten sind nach wie vor ein Dauerproblem. Auch die Corona-Pandemie trifft die Indigenen mehr als andere Bewohner Australiens. Hinzu kommt Rassismus: Die Mehrheit der Australier ist negativ gegenüber den eigenen Ureinwohnern eingestellt.
Wichtige Vorbilder
Ashleigh Barty erhält langen Applaus, als sie sich auf dem Court in Melbourne „stolze Ngarigo“ nennt. Dass sie stolz sein kann, verdankt sie auch einer gewissen Evonne Goolagong Cawley. Die heute 70-jährige war – wie heute Barty – die Nummer eins der Tenniswelt. Auch sie hat indigene Wurzeln. Nicht nur ihre Leistungen hätten sie inspiriert, sondern auch „ihre Leidenschaft, der indigenen Gemeinschaft zu helfen“, sagt Barty.

Kinder mit indigenen Wurzeln aus kleinen Gemeinden können davon profitieren, Idole wie Barty oder Goolagong zu haben – oder Leichtathletin Cathy Freeman, die erste indigene Australierin mit Olympia-Gold. Sie ist regelmäßige Gratulantin bei Bartys Erfolgen. Und fügt gerne drei Herzen zu ihren Glückwünschen hinzu: Einmal rot, einmal gelb, einmal schwarz – die Farben der Aborigines.
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