Viktor Gernot: "Ich bin ein Cornetto, dessen Mitte aufgeweicht ist"
Der Kabarettist und frühere Leistungsschwimmer ist Sportfan seit frühester Kindheit. Ein Tennisball ist für ihn magisch, der ÖFB-Teamchef unverständlich.
Als Kabarettist sorgt er für Lacher, früher lachte Viktor Gernot als Schwimmer das Herz. Es hätte gar für eine Profi-Karriere gereicht, einzig das Hirn besiegte damals die unbändige Leidenschaft. Heute drischt der 58-Jährige mit Begeisterung auf die Filzkugel.
In der Interviewreihe "Es lebe der Sport", im Rahmen derer der KURIER "Sport-Fremde" zu ihrer Leidenschaft befragt, erklärt Viktor Gernot, weshalb der Sport für das Leben so wichtig ist.
KURIER: Sport ist eine Schule für das Leben – stimmt das?
Viktor Gernot: Ja, es ist ein Spiegel des Lebens, eine Spielwiese für das richtige Leben. Sich ein Ziel setzen, sich diesem unterordnen, dafür trainieren und dann mit dem Ergebnis zurechtkommen – das schafft Struktur, Disziplin, Sinn, Freude und viele andere Emotionen. Wenn du sportelst, ist es ein Geschenk. Als Sportler ist dir nie fad.
Wie gehen Sie mit Misserfolgen um?
Ein geübter Verlierer ist ein gelassener Verlierer. Beim Sport gibt es nur den Ersten, Platz zwei und drei sind nette Kompromisse. Wenn du beim Sport verlierst, ist es übel. Dieses Scheitern ist eine gute Übung fürs Leben.
Was wäre für Sie ein Misserfolg auf der Bühne?
Wenn man keine Karten verkauft. Schlechte Kritiken müssen nichts bedeuten, oft sind diese Shows dann die erfolgreichsten.
Wenn Sie Applaus erhalten, fühlen Sie sich dann wie ein erfolgreicher Sportler?
Ja. Ein Schlussapplaus bei einer gelungenen Vorstellung ist schon wie ein Podium.
Ist Ihnen das lieber als ein gewonnenes Tennis-Doppel?
Nein, der Erfolg beim Theater ist häufiger, daher genieße ich Siege beim Tennis weitaus mehr. Ich liebe Tennis, spiele es ehrgeizig und nicht sehr talentvoll. Der Ball an sich ist ein Zauberding. Was der bei Milliarden Menschen und auch bei Tieren auslöst – der Ball ist Magie, er überlistet mich. Mit seiner Hilfe kann man noch erstaunliche Dinge aus mir herauskitzeln.
Ist das Spielerische eine Kompensation für Ihr Schwimmen von früher, das mitunter eintönig war?
Ich hatte fünf intensive Schwimmerjahre, wo ich ab sechs Uhr in der Früh schon beim Training war. Insgesamt habe ich Monate in zu kalten Becken verbracht. Aber das hat mir Spaß gemacht.
Warum?
Jedes Training mit acht bis zehn Burschen war ein Wettkampf. Wenn man von einem „Runners high“ spricht, dann gibt es auch das „Swimmers high“ durch die Atmung, die regelmäßigen Abläufe. Da bin ich in wunderbare Denkzustände geraten. Jetzt genieße ich das Spielerische beim Tennis. Ich bin ein 58 Jahre alter Mann und dankbar, dass meine Gelenke Sport noch zulassen.
Wäre eine Schwimmerkarriere möglich gewesen?
Ich hatte die Limitzeiten, um Berufssportler werden zu können. Ich habe aber schon in einer Band gespielt und meine erste Freundin gehabt. Mir war klar, wenn ich zwei, drei Jahre alles aufs Schwimmen setze, dann bin ich vielleicht bei einer EM im zweiten Vorlauf auf Bahn acht dabei und werde insgesamt 41. Da wollte ich meine Kraft lieber anderswo einsetzen. Aber die Zeit war toll, und aus meinen Freunden von damals ist etwas geworden.
Schwimmer haben gewöhnlich ansehnliche Körper. Haben in der Jugend damals die Mädels darauf reflektiert?
Ich behaupte ja. Viele Jahre später trifft man Schulkolleginnen, für die man schwärmte und von denen man dachte, sie hatten keinen Blick für einen übrig. Und dann sagt sie: ‚Damals hast du mir so gut gefallen, aber ich habe mich nicht getraut.‘ Ein kleines Zeichen damals, und wir wären im Paradies gewesen! Ich profitiere aber jetzt schon noch körperlich: Ich bin ein Cornetto, das man schon minutenlang in der Hand hat und dessen Mitte ein bisserl aufgeweicht ist.
Hätten Sie bei einer Schwimmerkarriere den Nachnamen Jedlicka behalten?
Ja. Ich habe 1989 im ORF eine Sendung moderiert. Der Sendungschef hat gesagt, dass ich als Jedlicka keine Hauptabend-Sendung moderieren kann. Beim Schwimmen war das nie ein Problem.
Wären Sie während der Corona-Zeit lieber Profisportler gewesen?
Ja, dann hätte ich spielen dürfen. Im Lockdown spielte ich Padel-Tennis draußen bei minus ein Grad – mit Haube und Handschuhen.
Wir waren Weltmeister, gemeinsam mit den Fitnessstudios und den Bordellen: Wir durften über neun Monate nicht spielen. Ich wollte alles mittragen, damit wir als Gesellschaft aus der Pandemie rauskommen, und habe mich 14-mal geirrt bei den Einschätzungen. Wir hatten Vorstellungen mit Publikum mit Maske und ohne Gastronomie, da dachte ich mir manchmal schon: Wenn das so bleibt, werde ich lieber Portier.
Schauen Sie gerne Fußball?
Ich schaue gerne, bin aber ohne Bekenntnis für einen Verein. Ich schaue allerdings in letzter Zeit sehr wenig beim ÖFB-Team zu, weil ich mit der Wahl des Teamchefs nicht einverstanden bin. Da bin ich konsequent.
Wie das?
Es ist seit Jahren an der Zeit, dass wir einen Österreicher als Teamchef haben. Müssen wir einen Deutschen nach einer Seuchensaison bei Manchester United einkaufen? Und davor war er Sportchef, aber nicht Trainer.
Da kommt Nationalpatriotismus bei Ihnen durch.
Absolut! Es geht ja ums Nationalteam. Hütter, Hasenhüttl, Glasner, Stöger, Herzog – wir haben Mördertrainer, das weiß die ganze Welt. Nur unser Verband nicht. Dieser Teamchef ist doch um nix besser als unsere Trainer.
Ihr Vater war General. Wie diszipliniert sind Sie in Ihrem Leben?
Mein Vater ist 89 Jahre, er war immer kommod und hat den General nicht an uns ausgelassen. Ich selbst bin diszipliniert, ich muss am Abend abliefern. Das ist wie bei einem Match, für das ich aufgewärmt, fit genug und fokussiert sein muss. Und danach gehe ich öfter früher heim, als ich müsste, weil ich an die nächste Probe denke. Deswegen war mein Spitzname auch „Der Streber“.
Ist Österreich mehr Sport- oder Kulturnation?
Es ist beides. Aber es war der größte Fehler, die Turnstunden in den Schulen zu reduzieren. Ich würde sie sofort verdoppeln. Sport, genauso wie die Ausübung von Kunst, löst so viel Positives im Gehirn eines Kindes aus. Daneben gibt es Fächer, die sich wahnsinnig wichtig nehmen, obwohl du sofort merkst, dass du diesen Dreck maximal noch zum Lösen eines Kreuzworträtsels brauchen wirst. Sportlehrer müssten mindestens auf das Niveau von Sprach- und Naturwissenschaftsprofessoren gehoben werden.
Hat die Kultur eine bessere Lobby als der Sport?
Die Kultur hat mehr Anerkennung, weil sie als ernsthafter und wertvoller wahrgenommen wird. Den Sport kann man als banales Spiel wahrnehmen. Aber dabei ist er mit seinen Facetten so viel mehr und besonders für die Entwicklung von Kindern unendlich wertvoll.
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