Star-Anwalt Norbert Wess: "Ich habe gegen Francesco Totti gespielt"
Der Jurist wollte Fußballer werden. In der KURIER-Serie „Es lebe der Sport“ erzählt er, wie Hans Krankl seine Karriere verhindert hat und welchen Einfluss der Sport vor Gericht hat.
Norbert Wess ist einer der bekanntesten Juristen des Landes. Nicht so bekannt ist, dass der Anwalt von Grasser, Karmasin und Co. nahe dran war am Traumberuf Fußballprofi.
"Egal, wie viel zu tun ist: Jeden Montag während der Saison haben wir Sitzung im Strafsenat der Bundesliga", erzählt der gebürtige Mödlinger. "Das ist mir eine Ehre und der Teil vom Fußball, den ich mir erhalten habe."
Norbert Wess: Verhindert wäre zu hoch gehängt. Aber er hat sie auch nicht proaktiv unterstützt (lacht). Ich bin aus Mödling und habe dort bei den Miniknaben begonnen. Mein größtes sportliches Erlebnis war das Brunner Kleinfeldturnier: Wir haben gegen AS Roma gespielt und später ausgehoben, wer dabei war. Ich kann mit Fug und Recht sagen: Ich habe gegen Francesco Totti gespielt.
Angeblich spricht Totti jetzt noch in Rom von Ihnen.
Davon geh’ ich aus (lacht). Ich war wirklich begeisterter Fußballer und bin in Mödling bis in die U 21 gekommen – wir waren richtig gut. Damals waren das die Vorspiele zu den Profis, ich kann mich an Markus Schopp als Gegenspieler von Sturm erinnern. Unser U-21-Trainer war Günther Stöffelbauer, der war super. Im HAK-Maturajahr hat er mich gemeinsam mit dem Trainer der Profis, Hans Krankl, zur Seite genommen und gefragt: "Was machst du eigentlich, wenn du bei uns keine Chance auf einen Profivertrag bekommst?"
Wie haben Sie geantwortet?
"Dann würde ich Jus studieren." Die Antwort der Trainer war: "Super Idee!" (lacht) Ich habe trotzdem noch vier Monate lang versucht, Hans Krankl zu beeindrucken, aber seine Einschätzung war nicht ganz falsch. Dabei war es wirklich mein großer Traum, in einer Lehrerfamilie – ich glaub’, wir haben 24 Pädagogen – Fußball-Profi zu werden. Ich habe sogar gesagt: "Ich geh’ in die HAK, weil ich eh nicht studieren will, sondern Fußballer werde." Schon als Kind war das schönste Weihnachtsgeschenk für mich die Karte fürs Wiener Stadthallenturnier.
War Hans Krankl ein Idol?
Dadurch, dass mein Papa in Favoriten ausgewachsen ist und Austrianer war, war ich mehr ein Fan von Herbert Prohaska. Ich wollte im Mittelfeld so spielen wie er und auch mindestens so ein Weltstar werden. Aber natürlich hab’ ich Krankl bewundert. Es gab auch außergewöhnliche Trainings mit ihm.
Erzählen Sie, bitte.
Die Jungen durften links und rechts runterlaufen, um dann zu flanken. Krankl hat am Fünfer gewartet und voll durchgezogen. Goalie Georg Heu musste in Deckung gehen, um sich nicht zu verletzen. Krankl hat dann die Hände hochgerissen und geschrien: "Johann K. – immer noch der härteste Volley in Österreich." Er war sehr lustig und konnte in Mödling alle mitreißen. Für mich ist es dann noch in der Regionalliga für Vösendorf und bei Hinterbrühl weitergegangen.
Welche Bedeutung hat der Sport heute für Sie?
Meine Vergangenheit hat mich durchaus geprägt. In der Kanzlei schauen wir zum Beispiel, ob die Bewerber allenfalls auch Mannschaftssport betrieben haben. Dadurch werden viele positive Reize geschaffen. Wir merken auch, ob jemand länger in einem Mannschaftssport aktiv war: Sie sind im Schnitt teamfähiger und integrieren sich besser. Für mich selbst ist der Sport die beste Möglichkeit zum Abschalten.
Wie meinen Sie das?
Ein gemeinsamer Champions-League-Abend vor dem TV ist ein supercooles Ereignis, das auch meine Frau unterstützt. Da kommen Freunde, und wir freuen uns wie kleine Kinder über die Spiele, und ich kann wirklich zu 100 Prozent abschalten.
Ganz viele! Ich habe viele große Prozesse, da arbeitest du im Team mit mehreren Juristen. Es braucht oft einen langen Atem, Disziplin und auch die Größe, intern Kritik anzunehmen, um in der Spielsituation von 169 Verhandlungstagen wie beim Grasser-Prozess über Nacht mit neuen Aspekten umgehen zu können. Das ist wie die fliegende Umstellung von Dreier- auf Viererkette. Außerdem musst du die Klienten psychologisch durch ein Auf und Ab begleiten.
Wie bei einem Coaching durch das Trainerteam?
Ganz genau! Man merkt ja auch, wie eloquent Trainer heutzutage den Sportlern und der Öffentlichkeit erklären, was zu tun ist.
Ist die Medienarbeit besonders wichtig, wenn jemand wie Sie besonders viele Prominente vertritt?
Ja, das wurde mir auch erst zunehmend in meiner beruflichen Tätigkeit bewusst. Bei Prominenten entsteht enormer medialer Druck. Um das Beispiel Commerzialbank mit Martin Pucher zu nennen: Es war der Wunsch des Klienten, dass medial auch seine Sicht vertreten wird. Da muss dann der Anwalt reüssieren.
Sie haben die Bundesliga im Fall Taboga vertreten. Wie ist es Ihnen als Fan mit Spielmanipulationen gegangen?
Ich war damals betroffen, bestürzt und traurig. Manipulationen im Sport dürfen nicht unterschätzt werden: Das kann diesen auf lange Sicht ruinieren. Da geht es um viel mehr als um einen bloßen Imageschaden. Alles, was den Sport ausmacht, wird da konterkariert. Ähnlich ist es beim Doping, wo einiges wie der Kampf gegen Windmühlen wirkt.
Ist ein Plädoyer wie eine Kabinenansprache?
Es gibt sicher Parallelen. Im Strafrecht ist es aber eher so, dass der Klient glaubt, der Schwerpunkt liegt beim Schlussplädoyer. In Wahrheit liegt er beim Anfangsplädoyer: Dort werden die Pflöcke eingeschlagen. Beim Trainer ist die Pausenansprache aber mindestens ebenso wichtig.
Sie müssen, wie auch ein Trainer, einen Mix aus Pragmatismus und Emotionalität anbieten. Was überwiegt?
Wichtig ist, dass man authentisch ist. Sobald man versucht, wen anderen zu kopieren, ist man nicht mehr gut.
Ein Carlo Ancelotti ist ja auch kein Jürgen Klopp.
Genau, und dennoch sind beide fantastische Trainer. Jeder auf seine Weise. Aber wenn du vom Typ der Ancelotti bist, solltest du nicht versuchen, Klopp zu kopieren.
Ist ein Schuldspruch gefühlt eine Niederlage?
Das sehe ich nicht so absolut. Wichtig erscheint mir, dass ein faires Verfahren stattfindet. Bei Klienten, die von Beginn an geständig sind, ist ein Schuldspruch keine Niederlage. Aber natürlich kann ich an einem Ausgang kiefeln, wobei ich deswegen aber nicht davon schlecht träume oder schlaflose Nächte hätte. Andererseits: Wenn ich wach bin, beschäftigt mich der Beruf nahezu rund um die Uhr. Das mag eine Parallele zum Spitzensport sein.
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