Die Begrüßung mit dem Platzwart im Leistungszentrum verläuft herzlich. Noch viele Jahre nach ihrem Karriereende ist Kaiser regelmäßig in die Südstadt gekommen, um den Speerwurf zu üben. Die Modelkarriere der 37-jährigen Oberösterreicherin läuft noch heute.
Auf die mit ihrer Routine flott erledigten Fotos folgt ein Gespräch über ein Leben zwischen und mit zwei Welten.
KURIER: Welche Bedeutung hat Sport heute noch für Sie?
Patricia Kaiser: Der Sport ist viel entspannter geworden. Es ist kein Muss mehr, dass ich Leistung bringe. Aber mein Alltag braucht immer noch Sport. Zum Wohlfühlen, Entspannen und um einen Knopf im Kopf zu lösen. Dafür gehe ich laufen, mache aber auch Krafttraining, weil es ein guter Ausgleich ist. Früher bin ich öfters über Grenzen gegangen und habe dann jeden Wirbel und Muskel gespürt.
Gibt es Abnützungserscheinungen vom Leistungssport?
Zum Glück nicht, weil ich mit nur 21 Jahren einen Bandscheibenvorfall hatte.
Wie praktisch.
Ich habe danach drei Jahre mit Trainern alles aufgebaut und gewusst, dass ich mein Leben lang Sport betreiben muss. Damals habe ich auch falsch trainiert. Speerwurf, Hochsprung, Dancing Stars – da haben viele Belastungen zusammengespielt.
Sie sind mit nur 15 Jahren "Miss Austria" geworden. Wie haben Sie das als Teenager wahrgenommen und wie sehen Sie das jetzt?
Der Sport und meine Familie haben mich vor vielem bewahrt. Wenn andere Mädels dachten, es ist wichtig, nur schön zu sein, dachte ich, es sei wichtig, zum Training zu gehen. Das hat mich immer am Boden gehalten.
Patricia Kaiser wurde am 13. Juni 1984 in Ried im Innkreis geboren, trainierte im örtlichen Turnverein und wurde mit 15 Jahren zur jüngsten "Miss Austria". Mit 20 wurde die Siebenkämpferin zur Staatsmeisterin im Speerwurf. Die Model-Karriere läuft bis heute.
Aus einer früheren Ehe stammen zwei Kinder. Heute lebt die 37-Jährige, die auch als Moderatorin arbeitet, mit dem Kameramann Markus Selikovsky in einer Patchworkfamilie am Stadtrand von Wien.
Haben Model-Aufträge Zeit für den Sport gekostet?
Ich habe mit dem Modeln eine finanzielle Absicherung erfahren. Diese Kombination war gut, dadurch konnte ich beide Bereiche füttern. Aber natürlich bin ich dann für Shootings in Europa herumgeflogen. Als Erstes hab’ ich immer abgeklärt, wo die Sportstätten sind und mit wem ich dort trainieren kann.
War Ihnen damals klar, dass Sie mit der Leichtathletik nie viel Geld verdienen werden?
Ja, ich wusste, dass ich das gut verpacken muss. Man kann es verbinden und vermarkten. Wenn du aber als Sportlerin ganz rauf willst, dann muss der Fokus nur darauf gerichtet sein. Ich wusste schon, dass ich mit dem Modeln nicht dauerhaft nach New York gehen würde, im Sport aber auch nicht an Olympia teilnehmen werde.
Sie waren im Siebenkampf und im Speerwurf aktiv. Wie wird man Speerwerferin?
Meine Motivation war, die Steine soweit wie mein Bruder zu werfen. In der Schule war ich dann beim Schlagball unschlagbar. Als sie bei den Mädchen nach den Buben das Maßband einrollen wollten, mussten sie es für mich wieder ausrollen, weil ich 50 Meter geworfen habe. So hat es angefangen.
Waren Ihre Muskeln beim Modeln ein Problem?
Es war immer eine Gratwanderung. Ich habe oft gehört, dass ich zu muskulös sei – vor allem in Mailand, mit den vielen hungernden Mädels. Meine Reaktion war: "Dann halt nicht".
Als Moderatorin kennen Sie sich auch im Fußball aus und wissen, wie viel Geld für die Profis bezahlt wird. Waren Sie jemals neidisch?
Nein, weil mir Geld nicht wichtig genug ist. Man sollte auch die Sportarten nicht miteinander vergleichen. Trotzdem, wenn man ein bissl davon abschneiden könnte, wäre das gerecht. Ich wünsche es mir für Athletinnen wie Ivona Dadic, oder auch für die vielen Ehrenamtlichen. Das sollte schon besser finanziell abgedeckt werden.
Warum waren Teamsportarten kein Thema für Sie?
In der Schule hatten wir viel Teamsport. Ich war aber vielleicht immer schon mehr eine Einzelkämpferin.
Als Model ist man auch auf sich gestellt.
Ja, das Modeln ist oft einsam. Und es entscheiden viele Menschen über einen.
Welches Geschäft ist brutaler – Model-Business oder Leistungssport?
Es hat beides Ecken und Kanten. Aber man kann doch für sich entscheiden, wie weit es geht. Es ist wichtig, selbstbestimmt zu sein. Leistungssport ist der schönste Beruf überhaupt.
Ist er ehrlicher?
Ja, messbar und ehrlich, bodenständig. Beim Modeln ist das Schwierige, wie du zu Jobs kommst, wie viele Wege du machen musst. Mit Social Media ist eine weitere Ebene dazugekommen. Ich musste lernen, geduldig zu sein. Jetzt, mit 37, werde ich mehr wertgeschätzt. Aber in Wien arbeite ich gar nichts. Man greift offenbar gerne in die Ferne: Als ich im Ausland gelebt habe, hatte ich zwei Aufträge pro Woche in Wien.
Würden Sie ihren beiden Kindern zum Leistungssport raten? Es gibt ja nicht nur die schönen Seiten.
Ich gebe keinen Druck, da braucht es Feingefühl, damit die Kinder selbst erleben, ob das etwas für sie ist. Nur beim Doping hört sich für mich alles auf – das geht gar nicht. Ich war mit dieser Frage aber auch nie konfrontiert.
Doping in anderer Form ist auch bei Models ein Thema.
Mir wurden nie Drogen angeboten. Vielleicht weil ich mich immer klar positioniert habe. Ich bin auch kein Suchtmensch. Mein Zugang ist: Das, was ich habe, möchte ich auf das höchste Niveau bringen. Wenn das nicht reicht, ist es zu akzeptieren. Ich würde mich auch nie auf 50 Kilo herunterhungern für ein Shooting. Ich führe ein gesundes, bewusstes und dadurch entspanntes Leben.
Was hat der Sport abseits des Leistungssports in Ihrem Leben bewirkt?
Der Sport hat mich gerettet. Er war in den harten Zeiten meine Hilfe, er tut auch der Psyche gut. Sport ist mehr als "schauen wir, dass wir gewinnen". Ein Bonus ist, dass ich durch ihn die Modelkarriere länger fortsetzen konnte.
Wie hat die Corona-Pandemie Ihr Leben verändert?
Früher war ich verbissener und hätte nicht mit vier Monaten Stillstand umgehen können. Ich habe mir Projekte geschaffen: Eine Sprecherausbildung, ein Fotostudio, das sich Fotografen teilen können, einen Online-Obst- und Gemüse-Lieferservice. Und ich habe gelernt, dass es auch möglich ist, ein, zwei Tage keinen Sport zu betreiben.
Die tägliche Turnstunde, die es immer noch nicht gibt, würden Sie aber weiterhin unterstützen, oder?
Ja, aber aufs System verlasse ich mich nicht mehr. Ich widme die eine Stunde in unserer Patchworkfamilie selbst den Kindern: Wir tun was, und wenn’s nur ein Spaziergang ist. Das ist die beste Medizin gegen Handysucht.
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