Wrabetz als Rapid-Boss: "Ich werde öfter angesprochen als je zuvor"
Alexander Wrabetz und seine Gedanken zum Sport im KURIER-Interview: Nach 15 Jahren an der ORF-Spitze stellt sich der 62-Jährige der Wahl zum Rapid-Präsidenten.
Alexander Wrabetz übernimmt eines der meist diskutierten Ämter im österreichischen Sport: Der 62-jährige Wiener wird am 26. November zum Rapid-Präsidenten gewählt. Wie hält es der ehemalige ORF-Generaldirektor eigentlich mit dem Sport, was hat er am Küniglberg für seinen Lieblingsverein getan und warum versteht er die Fan-Proteste gegen die WM in Katar?
Im Rahmen der Interview-Serie "Es lebe der Sport" hat sich Alexander Wrabetz für den KURIER Zeit genommen.
KURIER:Welche Bedeutung hat für Sie Sport, abseits von Rapid?
Alexander Wrabetz: Er hat eine große Bedeutung, allerdings in erster Linie als Konsument, Zuschauer oder Fan. Er war in den letzten 15 Jahren Teil meines Berufslebens, da der Sport ein wichtiger ORF-Bestandteil ist. Persönlich bin ich Hobbysportler, der etwas läuft, um fit zu bleiben.
Hat es in Ihrer Jugend Sportarten gegeben, die Ihre Leidenschaft geweckt haben?
Ja, Fußball. Ich habe in der Schülerliga gespielt, allerdings nicht im Vereinsfußball. Und Skifahren hat mich auch interessiert.
Warum reichte es nicht für mehr?
Das war eine Frage der Selbsterkenntnis.
Hat es in Ihrer Jugend Idole und Vorbilder gegeben?
In den 70er-Jahren war Hans Krankl die Ikone für mich. Ich war auch beeindruckt von der deutschen Nationalmannschaft und von Bayern München. Ich war in der Schule linker Verteidiger und Paul Breitner war da mein Vorbild.
Als ORF-Generaldirektor muss man auch Pragmatiker sein. Gibt es Momente im Sport, in denen die Emotion überhandnimmt?
Ja, ich war mit meinen Kindern oft beim Fußball. Wenn ich zu laut geworden bin und sich die Leute nach mir umgedreht haben, dann haben die Kinder gesagt „Sei leiser!“
Haben Sie jemals einen Schiedsrichter geschimpft?
Nicht so, dass er es gehört hätte.
Sie sind ein Freund der Kultur, Österreich bezeichnet sich als Kulturnation. Warum ist der Stellenwert des Sports nicht so hoch?
Das sehe ich gar nicht so. Sport hat in den letzten Jahrzehnten mit dem Aufkommen des Fernsehens sehr zur Identifizierung beigetragen. Im Fußball hat es geschwankt, aber im Skifahren waren wir immer in der Weltspitze dabei. Fußball bewegt – das merke ich auch jetzt, wenn ich auf die Straße gehe.
Wie?
Im ORF-Rapid-Vergleich: Ich werde öfter angesprochen als je zuvor.
Die TV-Rechte werden immer teurer. Gibt es ein Anrecht auf hochklassigen Sport im Free-TV?
Es gab eine dramatische Änderung. In Malaysia kennt jeder die Champions-League-Stars. Auch bei uns sind die Jungen oft eher Fans von internationalen Vereinen. Es ist eine Herausforderung für den nationalen Fußball, Antworten zu finden. ServusTV hatte die Möglichkeit, Rechte zu erwerben, weshalb doch mehr im Free-TV sichtbar bleibt. Sky als Pay-TV macht das sehr gut, spricht aber die Hardcore-Fans an. Beim Skisport war das für den ORF einfacher, weil Peter Schröcksnadel immer sehr klar war. Ich halte es für wichtig, dass der Sport sichtbar ist.
Ist eine Trendwende möglich?
Jetzt ist das ganz große Geld hinein gekommen. Das dominiert, mit problematischen Entwicklungen wie der Idee der Super League. Sport ist eine spekulative Ware geworden. Den Finanzgruppen ist es egal, ob sie in Öl-Futures handeln oder mit Fußball. Aber weil Fußball so viele Menschen begeistert, fließt immer mehr Geld ins System. Ob diese Irrationalität irgendwann ein Ende findet, weiß ich nicht.
Sie haben als einziger ORF-Chef drei Wahlen zum Generaldirektor gewonnen. Ist dafür mehr Strategie oder mehr Kampfgeist nötig?
Man muss es schon wollen (lacht). Strategie ist nötig. Wichtig ist, dass sie auf einer Leistungsbilanz aufbauen kann. Ohne Erfolg ist weder durch Strategie noch Kampfgeist eine Wiederwahl möglich.
In welcher Position würden Sie sich mit Ihren Fähigkeiten in einer Fußball-Mannschaft sehen?
Wenn ich es könnte, würde mir der Regisseur im Mittelfeld liegen.
Das klingt jetzt aber mehr nach Prohaska statt nach Krankl.
Ich bin kein Striker, auch wenn ich beruflich zur richtigen Zeit das Richtige getan habe. Aber es liegt mir die Kopfarbeit mehr: Mit Übersicht intelligent Rollen verteilen. So wie einst Steffen Hofmann am Feld.
Das klingt nach vielen Parallelen vom Management zum Fußball.
Ja, etwa wie Teamwork funktioniert und was positive Motivation auslösen kann. Wichtig ist, dass am Ende jemand eine Entscheidung trifft und dafür auch die Verantwortung übernimmt – da war ich immer Anhänger von klaren Hierarchien. Für mich hat beim ORF immer gegolten: Im Erfolg waren wir es gemeinsam, im Misserfolg ist der Generaldirektor schuld. Das ist okay.
Tatsächlich?
Ja. Jene, die „Mir nach!“ schreien und sich nicht einmal umdrehen, um zu schauen, ob auch alle mitgehen, weil sie so ergriffen sind von sich selbst, haben à la longue keinen Erfolg. Das ist in der Wirtschaft so. Und so wird es auch im Fußball sein.
Die Familie Wrabetz zählt in fünfter Generation Rapid-Fans. Wie oft mussten Sie als ORF-Chef aufpassen, nicht als Fan zu entscheiden?
Jetzt kann ich es ja sagen: Die Österreicher sehen am liebsten Rapid. Laut aktueller Umfrage gibt es 1,3 Millionen Fans in Österreich. Deswegen war es auch rational, dass ich immer darauf geschaut habe, Rapid am Schirm zu haben, wenn es eine Möglichkeit dafür gegeben hat.
Wo sind mehr Interessensgruppen unter einen Hut zu bringen: Am Küniglberg oder in Hütteldorf?
Sachlich war die Listenfusion bei Rapid leichter, weil wir sehr ähnliche Vorstellungen haben. Personell war zu spüren, dass der Wahlkampf von 2019 nachwirkt. Ich gehöre aber keinem Lager an und will, dass wir es gemeinsam versuchen. Ich will auch auf enttäuschte Legenden zugehen. Und der ORF? Da reden noch mehr Gruppen mit als bei Rapid, vor allem im politischen Sinne.
Apropos: Der Sport würde sich gerne unpolitisch sehen. Die WM in Katar zeigt, dass es nicht so ist. Wie politisch ist professioneller Sport?
Höchst politisch. Es war eine falsche Entwicklung in der FIFA, dass mit einer Winter-WM in Katar auf die großen Fußballnationen und ihre Fans keine Rücksicht genommen wird. Das war eine Fehlentscheidung, aus der die FIFA Lehren ziehen sollte: Sie sollte für den Sport da sein. Ich finde daher auch die globalen Protestaktionen der Fans gut.
Müssen die Fans Angst haben, Sie als Präsident zu verlieren, wenn Ihnen die SPÖ bei einer Regierungsbeteiligung ein Ministeramt anbietet?
Wenn, dann, wenn, dann ... (lacht) Das ist sehr theoretisch. Ich habe vor, mich als Rapid-Präsident für drei Jahre zu bewerben und es dann auch drei Jahre zu bleiben.
Alexander Wrabetz
wurde am 21. März 1960 geboren. Der Jurist wurde Vorsitzender des Verbandes Sozialistischer Studenten. Der dreifache Vater war Aufsichtsrat mehrerer Unternehmen der ÖIAG
Vom ORF zu Rapid
Vom kaufmännischen Direktor wurde der Döblinger 2006 zum ORF-Generaldirektor, gewann noch zwei Wahlen und blieb bis 2021. Am 26. 11. wird Wrabetz zum ehrenamtlichen Rapid-Präsidenten gewählt.
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