Neo-Austria-Vorstand Krisch: "Wir haben uns den Ruf kaputtgemacht"
Eigentlich hätte er als neuer CEO zur Austria stoßen und dann mit AG-Vorstand Markus Kraetschmer ein Führungsduo bilden sollen. Nach dem Abgang von Kraetschmer, dessen Vertrag gegen eine Abschlagszahlung letztlich nicht mehr verlängert wurde, ist Gerhard Krisch nun der derzeit alleinige Verantwortliche in wirtschaftlichen Belangen.
Aktuell spielt der 55-Jährige einen sehr intensiven Doppelpass mit Sportdirektor Manuel Ortlechner, um das Wirtschaftliche und das Sportliche unter einen Hut zu bekommen und strebt für die Zukunft eine Doppelspitze bei den AG-Vorständen an. Derzeit deckt er noch alle Bereiche ab.
Ebenso hat der frühere Bank-Austria-Mann, der ein gutes Verhältnis zu Robert Zadrazil (CEO der Unicredit Bank Austria) unterhält, Kraetschmers Position in der mit Partner Insignia gegründeten Marketing GmbH übernommen, in der die Austria 30 Prozent hält, während Insignia 70 Prozent besitzt.
KURIER: Wie intensiv ist Ihre Arbeit aktuell, welche Bereiche haben Priorität?
Gerhard Krisch: Es gibt die zwei großen Bereiche Sport und Wirtschaft. Man kann nicht die Kosten reduzieren und gleichzeitig das Sportliche vergessen. Dennoch müssen wir die Kosten in den Griff bekommen und trachten, dass die Erlöse steigen.
Haben Sie das Gefühl, dass sich die Austria schon in einer Phase der Konsolidierung und Stabilität befindet?
Nein, das glaube ich nicht. Es wäre vermessen zu glauben, dass wir nach drei Monaten in einer stabilen Situation sind. Wir fangen bei Null an. Überraschend für mich war, dass manche Basics nicht wie gewünscht vorhanden sind. Wie eine konkrete Aufgabenbeschreibung für gewisse Posten. Es gibt bei der Austria sehr viele gute Dinge, aber wir müssen eine Struktur hineinbringen und an einigen Stellschrauben massiv drehen, wie beispielsweise Fan- und Öffentlichkeitsarbeit. Da haben wir in den letzten Jahren versagt. Wir sind bei den jungen Menschen bis 26 Jahren völlig weg vom Markt. Da muss etwas geschehen. Wir haben uns den Ruf konsequent kaputtgemacht.
Im Herbst wird es eine Finanzkontrolle durch die Bundesliga geben. Wird die Austria die Hürde nehmen?
Ich will nichts schönreden und glaube nicht, dass es ohne gröbere Probleme geht. Das Thema Lizenz wird uns die nächsten Jahre noch beschäftigen. Wir laufen nach wie vor mit einem großen Rucksack herum, das darf man nicht vergessen. Wir arbeiten hart daran, die Kennziffern zu verbessern.
Können Sie beschreiben, wie es um die Partnerschaft mit Insignia bestellt ist? Bisher wurde ja vonseiten des Unternehmens viel versprochen und wenig gehalten.
Ich bitte auch im wirtschaftlichen Bereich um etwas Geduld. Wir haben einen Vertrag mit Insignia als strategischem Partner, der internationale Sponsoren lukrieren soll. Michael Surguladze war im Frühjahr schwer erkrankt. Er kann jetzt wieder Kurzstrecke fliegen, aber nicht Langstrecke, um eventuell im arabischen Raum Sponsoren zu finden. Um ein Signal zu setzen, hat man jetzt Insignia als ersten Sponsor für das Trikot gebracht. Wir beobachten nun, wie es sich entwickelt.
Der Plan hätte aber eine Zahlung von drei Millionen Ende April und eine über vier Millionen Ende August vorgesehen. Insignia hat bisher einen Bruchteil überwiesen. Wie lange schaut man da zu?
Wir verlassen uns ja nicht allein auf Insignia. Ich werde kein Ultimatum nennen, aber auch nicht drei Jahre warten. Insignia ist nach wie vor eine Story, an die wir glauben. Corona hat in diesem Fall die Dinge deutlich erschwert. Vielleicht kommt mit Ende des Jahres der Punkt, wo wir eine Entscheidung treffen müssen.
- Karriere
Gerhard Krisch (55) war über 30 Jahre lang für die Bank Austria national und international tätig. Im Frühjahr 2017 stieg er als Klubchef bei der Vienna ein und führte die Döblinger, deren Financier Kristek verstorben war, durch die Insolvenz. Die Vienna musste danach in der 2. Landesliga neu starten. Krisch war danach beim Regionalligisten Mauerwerk tätig. Zuletzt war er Geschäftsführer des Wiener Eislaufvereins.
- Familie
Krischs Sohn spielte bei der Vienna, aktuell bei Union Mauer.
Wenn Surguladze Kurzstrecke fliegen kann, dann kann er doch auch den ausgemachten Betrag überweisen.
Ja und nein. Die Grundphilosophie der GmbH ist, dass man Sponsoren bringt. Dazu müsste er aber längere Strecken fliegen, was derzeit noch nicht möglich ist. Wir hoffen, dass sich das in den kommenden Monaten ändern wird.
Angenommen, der Doppelpass mit Insignia geht irgendwann nicht weiter, was geschieht mit der GmbH?
Dann wird man eine Lösung finden, davon bin ich überzeugt. Man braucht keine GmbH, um internationale Sponsoren zu finden.
Kennen Sie Herrn Surguladze aus Ihren Zeiten bei der Bank Austria?
Nein, ich kenne ihn nicht persönlich.
Sein Sohn Luca Sur sieht die Austria auf Platz zwei bis vier. Wie hilfreich sind solche Wortmeldungen?
Da bin ich entspannt. Zielvorgaben werden im Verein aufgestellt, durch Manuel Ortlechner und durch mich. Wenn Insignia die Austria in der Champions League sehen will, dann müssen sie einen großen Sponsoring-Sack aufmachen und liefern. Ich möchte nichts versprechen, was ich nicht halten kann. Und ich weiß nicht, wo wir am Ende dieser Saison landen werden. Klar ist, dass solche Statements für den Verein mehr als entbehrlich sind. Ich hoffe, dass die Menschen irgendwann wieder Vertrauen zu diesem Verein finden. Das müssen wir uns erarbeiten.
Wie soll die Austria zum Jahreswechsel dastehen, damit Sie zufrieden sind?
Ich hab’s einfach, ich bin das Krischkind. Für die Austria-Familie hoffe ich, dass sie an kleinen Schritten erkennt, dass sich hier etwas ändert. In den nächsten Wochen machen wir eine umfangreiche Fan-Befragung, um zu sehen, wo wir stehen. Für uns ist das die Nulllinie, bei der wir dann starten.
Die Austria will sich neben der Partnerschaft mit Insignia breiter aufstellen mit heimischen Unternehmen. Wie sehr geht das voran?
Wir arbeiten bei der Erlössteigerung in mehrere Richtungen und verfolgen einige Modelle wie zum Beispiel die Lizenzmarken-Partnerschaft von Vizepräsident Raimund Harreither. Wir müssen weggehen von dem Konzerndenken, hin zu einem bodenständigen Ansatz.
Haben Sie gewusst, worauf Sie sich bei der Austria einlassen? War der Reiz größer als der Masochismus?
Ich habe in meiner bisherigen Karriere eine Erkenntnis gewonnen: Je schwieriger eine Herausforderung ist, desto interessanter ist sie auch. Und es ist eine Ehre, in dieser Position bei der Austria arbeiten zu dürfen. Ich kenne keine Management-Aufgabe, die ich erfüllt habe, wo ich im Rückblick gesagt habe: Hätte ich das vorher gewusst, ich weiß nicht, ob ich das gemacht hätte. Ich möchte die Wiener Austria mit dem gesamten Team in die Erfolgsspur bringen. Wöchentlich tauchen spannende Dinge auf. Aber als Masochismus würde ich es wirklich nicht bezeichnen.
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