Keine Hoheit, keine Durchlaucht, nicht einmal ein kleines "von": 1919 trat nach der Auflösung der Monarchie das Adelsaufhebungsgesetz in Kraft. Es gilt bis heute und untersagt, Adelstitel oder Würden zu führen, etwa auf Visitenkarten oder in Dokumenten.
Die Strafen für dieses Delikt sind allerdings überschaubar, weil historisch. Im immer noch gültigen Gesetzestext ist von 20.000 K (wie Kronen) die Rede. Wer diese Summe in den historischen Währungsrechner eingibt, sieht: Es sind 21 Cent. Übrigens gibt es auch Ausnahmen: Echte Adelstitel können – allerdings nur unter Umständen – unter dem Gesichtspunkt der künstlerischen Freiheit geführt werden. Da entscheiden die Gerichte im Einzelfall. Nach wie vor führt übrigens Karl Habsburg, Enkel des letzten österreichischen Kaisers Karl, auf seiner Homepage das Wörtchen "von".
Sein Verwandter Ulrich Habsburg-Lothringen forderte in der Vergangenheit immer wieder, Adelstitel in Österreich wie in Deutschland als Teil des Namens wieder einzuführen.
Sind die Titel – weitgehend – verschwunden, die Adelsbegeisterung vieler Österreicher ist es keineswegs. Insbesondere am Land sind die Grafen Grafen geblieben. Warum? "Obwohl wir in einer Republik leben, ist die Berichterstattung über adelige Dynastien gewaltig. Und zwar nicht nur über österreichische. Manchmal bekommt man den Eindruck, dass wir Untertanen der englischen Königin sind", sagt Historiker Hannes Leidinger von der Universität Wien. "Es gibt keine andere Gesellschaftsschicht, über die dermaßen viel berichtet wird. Innerhalb der ausführlichen Adelsberichterstattung kommt dazu, dass bei uns der Adel die Möglichkeit hat, über sich selbst zu berichten. Es entsteht der Eindruck, wir lebten in einer subtilen Form der Monarchie."
Das Monarchistische sei "Teil unserer Volkskultur – trotz republikanischer Tünche", sagt Leidinger. Dazu komme, dass sich "die soziale Wirklichkeit vielfach über Besitzungen erhalten hat. Es kam nach 1918 zu keinem tiefgreifenden Wandel in den Eigentumsverhältnissen, verglichen etwa mit anderen Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns. Es ging nur um den Briefadel, der jetzt eben nicht mehr Durchlaucht genannt werden durfte. Für den begüterten Hochadel hat sich nicht viel verändert. Vor allem im Forstbereich gibt es noch viele Besitztümer. Und von den 1700 Burgen und Schlössern in Österreich werden 400 noch von Adeligen bewohnt und bewirtschaftet."
Auch in Politik und Verwaltung ortet Leidinger Elitenkontinuität. "Phasenweise kam es zu einer regelrechten Rearistokratisierung zumindest von Teilen der Staatsführung und Staatsadministration."
Die hohen Stellungen in der Staatsführung waren in ererbten Händen, die Diplomatie der Aristokratie, die Armee und die hohe Beamtenschaft den alten Familien vorbehalten, beschreibt Stefan Zweig in seiner Autobiografie "Die Welt von Gestern" Österreich vor der Jahrhundertwende. Auch Mitglieder der Familie Schallenberg waren schon im 19. Jahrhundert im K.-u.-K.-Außendienst. "Historisch gesehen wollte man ‚Leute von hoher Geburt‘, um die Monarchen im Ausland zu vertreten", sagt Historiker William D. Godsey von der Akademie der Wissenschaften. Dazu kommt: "Der Staat war arm und man brauchte Leute, die für die hohen Repräsentationskosten im Ausland selbst aufkommen konnten. Das waren nun einmal die Adeligen."
Weiters erforderlich: Fremdsprachenkenntnisse, auch heute noch Grundvoraussetzung für die Aufnahme in den höheren auswärtigen Dienst. "Französisch war immer schon die Sprache der Diplomatie und wurde auch am österreichischen Hof gesprochen. Adelige lernten das von klein auf. Ebenso wie die entsprechenden Umgangsformen", erläutert Godsey.
Apropos Umgangsformen: Ausgerechnet vom sozialistischen Bundeskanzler Bruno Kreisky wird die Anekdote kolportiert, dass er auf die Frage, warum er als Außenminister so viele Adlige in sein Ressort berufe, geantwortet habe: "Im Außenamt brauche ich Leute, die mit Messer und Gabel essen können."
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