Welche Rolle der Adel in Österreich noch spielt
Der vergangene Woche angelobte Bundeskanzler Alexander Schallenberg stammt aus dem Mühlviertler Adelsgeschlecht der Schallenberger. Er ist der erste Bundeskanzler der Zweiten Republik, der aus einer aristokratischen Familie kommt. Katholischer Uradel. Was bedeutet das konkret? Von Gesetzeswegen nichts. Zwar beherrschen "Adel" und "Aristokratie" nach wie vor die Gesellschaftsberichterstattung, doch die österreichische Bundesverfassungsgesetz hält fest: "Alle Bundesbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen."
Sind aber tatsächlich alle gleich? Mit dem Adelsaufhebungsgesetz von 1919 wurde die Führung von Adelsbezeichnungen, Titeln und Würden unter Strafe gestellt. Allerdings orten Historiker in der Republik eine gewisse monarchistische Folklore als Teil der österreichischen Volkskultur. Auch in Verwaltung und Landbesitz ist seine "Durchlaucht" noch präsent – auch wenn sie offiziell nicht mehr so heißt.
Keine Hoheit, keine Durchlaucht, nicht einmal ein kleines "von": 1919 trat nach der Auflösung der Monarchie das Adelsaufhebungsgesetz in Kraft. Es gilt bis heute und untersagt, Adelstitel oder Würden zu führen, etwa auf Visitenkarten oder in Dokumenten.
Die Strafen für dieses Delikt sind allerdings überschaubar, weil historisch. Im immer noch gültigen Gesetzestext ist von 20.000 K (wie Kronen) die Rede. Wer diese Summe in den historischen Währungsrechner eingibt, sieht: Es sind 21 Cent. Übrigens gibt es auch Ausnahmen: Echte Adelstitel können – allerdings nur unter Umständen – unter dem Gesichtspunkt der künstlerischen Freiheit geführt werden. Da entscheiden die Gerichte im Einzelfall. Nach wie vor führt übrigens Karl Habsburg, Enkel des letzten österreichischen Kaisers Karl, auf seiner Homepage das Wörtchen "von".
Sein Verwandter Ulrich Habsburg-Lothringen forderte in der Vergangenheit immer wieder, Adelstitel in Österreich wie in Deutschland als Teil des Namens wieder einzuführen.
Sind die Titel – weitgehend – verschwunden, die Adelsbegeisterung vieler Österreicher ist es keineswegs. Insbesondere am Land sind die Grafen Grafen geblieben. Warum? "Obwohl wir in einer Republik leben, ist die Berichterstattung über adelige Dynastien gewaltig. Und zwar nicht nur über österreichische. Manchmal bekommt man den Eindruck, dass wir Untertanen der englischen Königin sind", sagt Historiker Hannes Leidinger von der Universität Wien. "Es gibt keine andere Gesellschaftsschicht, über die dermaßen viel berichtet wird. Innerhalb der ausführlichen Adelsberichterstattung kommt dazu, dass bei uns der Adel die Möglichkeit hat, über sich selbst zu berichten. Es entsteht der Eindruck, wir lebten in einer subtilen Form der Monarchie."
Esterházy Seit dem 13. Jahrhundert
Wer im Burgenland spazieren geht, hat gute Chancen, das auf dem Grund der Esterházys zu tun. Ihr Ursprung lässt sich bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgen. 1687 wurde Graf Esterházy in den Fürstenstand erhoben. 22.400 Hektar Wald und 5.600 Hektar landwirtschaftliche Fläche werden von Esterházy-Stiftungen bewirtschaftet. Auch Wein wird produziert, 2018 waren es 800.000 Flaschen
Liechtenstein Seit dem 12. Jahrhundert
Die Liechtensteins zählen zu den ältesten Adelsfamilien Österreichs. Im 12. Jahrhunderte wird mit Hugo von Liechtenstein erstmals ein Träger des Namens erwähnt. 19.600Hektar land- und forstwirtschaftliche Flächen, ein Weingut und Immobilien hält die Stiftung Fürst Liechtenstein in Österreich. "Wir sind Landwirte seit 900 Jahren", steht online. Ein weiterer Schwerpunkt: erneuerbare Energie.
Meyr-Melnhof Seit dem 19. Jahrhundert
1859 wurde Franz Mayr als Edler von Melnhof geadelt. Die Vorfahren bewirtschafteten einen Bauernhof in der Steiermark. Das Vermögen wusste die Familie zusammenzuhalten 32.400Hektar ist alleine der Forstbetrieb Franz Mayr-Melnhof-Saurau groß und damit der größte Privatforstbetrieb Österreichs. Davon sind 28.000 Hektar Wald und davon ist wiederum eine Fläche von 21.800 Hektar Wirtschaftswald
Das Monarchistische sei "Teil unserer Volkskultur – trotz republikanischer Tünche", sagt Leidinger. Dazu komme, dass sich "die soziale Wirklichkeit vielfach über Besitzungen erhalten hat. Es kam nach 1918 zu keinem tiefgreifenden Wandel in den Eigentumsverhältnissen, verglichen etwa mit anderen Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns. Es ging nur um den Briefadel, der jetzt eben nicht mehr Durchlaucht genannt werden durfte. Für den begüterten Hochadel hat sich nicht viel verändert. Vor allem im Forstbereich gibt es noch viele Besitztümer. Und von den 1700 Burgen und Schlössern in Österreich werden 400 noch von Adeligen bewohnt und bewirtschaftet."
Auch in Politik und Verwaltung ortet Leidinger Elitenkontinuität. "Phasenweise kam es zu einer regelrechten Rearistokratisierung zumindest von Teilen der Staatsführung und Staatsadministration."
Die hohen Stellungen in der Staatsführung waren in ererbten Händen, die Diplomatie der Aristokratie, die Armee und die hohe Beamtenschaft den alten Familien vorbehalten, beschreibt Stefan Zweig in seiner Autobiografie "Die Welt von Gestern" Österreich vor der Jahrhundertwende. Auch Mitglieder der Familie Schallenberg waren schon im 19. Jahrhundert im K.-u.-K.-Außendienst. "Historisch gesehen wollte man ‚Leute von hoher Geburt‘, um die Monarchen im Ausland zu vertreten", sagt Historiker William D. Godsey von der Akademie der Wissenschaften. Dazu kommt: "Der Staat war arm und man brauchte Leute, die für die hohen Repräsentationskosten im Ausland selbst aufkommen konnten. Das waren nun einmal die Adeligen."
Weiters erforderlich: Fremdsprachenkenntnisse, auch heute noch Grundvoraussetzung für die Aufnahme in den höheren auswärtigen Dienst. "Französisch war immer schon die Sprache der Diplomatie und wurde auch am österreichischen Hof gesprochen. Adelige lernten das von klein auf. Ebenso wie die entsprechenden Umgangsformen", erläutert Godsey.
Apropos Umgangsformen: Ausgerechnet vom sozialistischen Bundeskanzler Bruno Kreisky wird die Anekdote kolportiert, dass er auf die Frage, warum er als Außenminister so viele Adlige in sein Ressort berufe, geantwortet habe: "Im Außenamt brauche ich Leute, die mit Messer und Gabel essen können."
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