Was wir aus der Omikron-Welle lernen
Omi... wie? Sie erinnern sich – so ging das Ende vergangenen Jahres los mit der neuen Variante. Viel wusste man nicht, nur dass die Ansteckungsgefahr viel größer sein sollte als bisher. Die ganz Optimistischen trauten sich sagen, es sähe so aus, als bringe die neue Variante des Coronavirus aber zumindest sanftere Verläufe. Drei Monate später haben wir nicht nur das scheinbar unaussprechbare Wort Omikron in unseren täglichen Wortschatz aufgenommen. Nun, da die Welle langsam abflachen könnte, lohnt es sich, auch über die Lehren aus Omikron Bilanz zu ziehen.
Mehrfachansteckungen sind möglich
„Dann hab’ ich's jetzt wenigstens gehabt, jetzt muss ich mir keine Sorgen mehr machen.“ Viele, die sich mit diesem Satz eine Infektion und die damit verbundene Quarantäne schönreden wollten, sollten einem bitteren Irrtum aufsitzen. Denn: Wer einmal mit Corona angesteckt war, kann sich durchaus wieder infizieren. Eine aktuelle Auswertung aus Großbritannien zeigt, dass sich schon hunderttausende Menschen mehrfach angesteckt haben, einige Dutzend sollen sogar schon vier Infektionen hinter sich haben. Wie kann das sein? Nun: Das Coronavirus mutiert. Wer sich einst mit der Alpha- oder Delta-Variante angesteckt hat, ist vor Omikron nicht geschützt. Und mit BA.2 gibt es innerhalb der Omikron-Variante einen Subtyp, der sich um bis zu 40 Mutationen vom Typ BA.1 unterscheiden soll. Heißt: Sogar eine doppelte Omikron-Infektion ist möglich – wenn auch selten.
Die Herdenimmunität ist ein Mythos
Aus der beschriebenen Möglichkeit der Mehrfachansteckung ergibt sich, dass die sogenannte Herdenimmunität – also eine nach einer einmaligen Durchseuchung immunisierte Gesellschaft – ein Mythos ist. Warum? „Immunität ist reversibel und mehrdimensional“, schreibt der Molekularbiologe Ulrich Elling auf seinem Twitter-Kanal. Das bedeutet zum einen, dass nach einer Mutation eine Ansteckung trotz bisher aufrechtem Immunschutz möglich ist. Zum anderen heißt das aber auch, dass der nach Impfung oder Genesung gegebene Immunschutz mit der Zeit von selbst abnimmt.
Die Impfung schützt nur eingeschränkt vor Omikron-Infektion
Beim Aussetzen der Impfpflicht wurde auch mit diesem Punkt argumentiert: Zwar schützt die Impfung vor schweren Verläufen, für Zweifach-Geimpfte besteht aber praktisch kein Schutz vor einer Infektion mit der Omikron-Variante. Den besten Schutz bietet die dritte Impfung. Eine Ansteckung ist dennoch möglich, die Wahrscheinlichkeit, ins Spital bzw. gar auf die Intensivstation zu müssen, aber viel geringer.
Notstand in Spitälern trotz milderen Verläufen
Wer gedacht hatte, dass sich aufgrund der niedrigeren Hospitalisierungsrate bei Omikron kein Problem für die Krankenhäuser ergeben würde, hat eine Sache nicht mitbedacht: Weil Omikron viel ansteckender ist, müssen viel mehr Menschen in Quarantäne und fallen aus. „Die Frage ist also auch, wie viel Personal zur Verfügung steht bzw. wie viele Betten überhaupt bespielt werden können“, sagt Komplexitätsforscher Peter Klimek.
Mit Prognosen wird man vorsichtiger sein
Omikron hat Klimek und anderen Prognoserechnern aber auch gelehrt, wie schwierig es ist, die Entwicklung des Virus vorauszusagen. „Dass es eine Immunfluchtvariante geben würde, haben wir für möglich gehalten, aber nicht, mit welcher Geschwindigkeit sie uns trifft“, sagt Klimek. „Da hat uns das Virus einmal mehr mit seiner Mutationsfähigkeit überrascht“.
Eine neue Welle braucht keine neue Variante
Welcher Buchstabe kommt im griechischen Alphabet nach Omikron? Gute Frage, aber es braucht nicht unbedingt eine neue Variante, damit die Zahlen wieder in die Höhe gehen. Auch Elling hat kürzlich davor gewarnt, dass die nächste Corona-Welle im Herbst wieder eine Delta-Welle sein könnte (siehe re).
War’s das jetzt bitte mit Corona?
Wohl nicht. Szenarien. Langsam aber doch beginnt die Omikron-Welle abzuflachen und noch macht kein weiterer bedrohlicher griechischer Buchstabe die Runde. Ist jetzt also endlich Schluss mit Corona? Prognose-Rechner Peter Klimek ist zumindest für die nächsten Monate optimistisch. „BA.2 wird in den nächsten Tagen vermutlich den Höhepunkt erreichen, es wird jetzt in der wärmeren Jahreszeit zu einer Erleichterung kommen – zumindest bis die Immunisierung schwindet“, sagt er.
Und dann? In der Wissenschaft ist häufig von vier Szenarien die Rede, die Forscher der britischen Scientific Advisory Group for Emergencies (SAGE) modelliert haben.
Der beste Fall: Zwar wird das Virus weiter mutieren, es wird aber hinsichtlich Ausbreitung und Schweregrad nicht mehr zu einer so gefährlichen Variante wie der Delta-Variante kommen. Die Konsequenz wären nur noch kleine Wellen, ohne schwere Verläufe.
Weniger schön ist das von den Wissenschaftern beschriebene Worst-Case-Szenario: Der Impfschutz bleibt lückenhaft und die Infektionszahlen weltweit hoch. Dadurch kommt es immer wieder zu unvorhergesehen Mutationen und hohen Infektionswellen mit zahlreichen schweren Verläufen.
Die beiden anderen Szenarien beschreiben einen Mittelweg.
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