Migration: Bei Schutzberechtigten darf Sozialhilfe gekürzt werden
Andrea Hodoschek
23.09.24, 05:00Die Diskussion um die hohe Mindestsicherung in Wien, angeheizt durch das Beispiel der syrischen Großfamilie mit monatlich mehr als 4.600 Euro Sozialhilfe (samt Transferleistungen mehr als 6.000 Euro netto), beherrscht den Wahlkampf.
Die ÖVP wartet nun mit einem brisanten Gutachten zu Mindestsicherung, Grundversorgung und Kinderstaffel auf. Univ. Prof. Wolfgang Mazal, Vize-Vorstand des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien, hält im Gegensatz zur SPÖ eine Neugestaltung für verfassungs- und europarechtlich vertretbar.
Konkret geht es um subsidiär Schutzberechtigte. Von österreichweit 11.404 Betroffenen leben 9416 in Wien, das sind 82,6 Prozent (Stand April 2024). In Wien sind knapp 142.00 Mindestsicherungsbezieher angesiedelt, in ganz Österreich (ohne Wien) 77.100.
Subsidiär Schutzberechtigte erhalten im Gegensatz zu Asylberechtigten nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht von einem Jahr, das verlängert werden kann. Gründe sind etwa eine schlechte Sicherheitslage oder bürgerkriegsähnliche Zustände im Heimatland. Dahinter steht die Überlegung, dass die Umstände für diesen Schutz-Status rascher beendet sein können als die systematischen Verfolgungen laut Genfer Flüchtlingskonventionen.
„Eine Regelung, welche die Kernbedarfe funktional abdeckt, muss bei subsidiär Schutzberechtigten nicht jenes Niveau erreichen, das Staatsbürgern und Asylberechtigten gewährt wird“, lautet die Kernaussage der Mazal-Expertise.
Mindestsicherung: 755 Euro Unterschied
Zum Vergleich: Die Mindestsicherung, auf die Asylberechtigte Anspruch haben, liegt (inklusive Wohnkostenanteil) bei 1155,84 Euro für Alleinstehende und bei je 70 Prozent für Lebensgemeinschaften. Die Grundversorgung beträgt rund 400 Euro.
Mazal bezieht die höchstgerichtlichen Entscheidungen ein. Der Verfassungsgerichtshof habe eine „sachliche Rechtfertigung für eine unterschiedliche sozialhilferechtliche Behandlung Asylberechtigter und subsidiär Schutzberechtigter“ betont, „weil zwischen diesen Gruppen im ausreichenden Maß Unterschiede bestehen“. Eine Reduktion unterliege jedoch dem aus der Europäischen Menschenrechtskonvention abgeleiteten Mindeststandard, der aber höchstgerichtlich nicht betragsmäßig definiert sei. Das Niveau der Grundversorgung habe der VfGH „bislang als ausreichend akzeptiert“.
Die Wiener SPÖ, im besonderen Sozialstadtrat Peter Hacker, beruft sich auf die europäische Status-Richtlinie, subsidiär Schutzberechtigte hätten vollen Anspruch auf Sozialhilfe. Wien werde „sich weiterhin dafür einsetzen, dass diese Menschen nicht auf das Niveau der Grundversorgung beschränkt werden“, betonte SPÖ-Klubchef Josef Taucher.
„Das ist für alle Menschen, die eine Leistung erbringen, ein Schlag ins Gesicht“, empört sich Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer. Wien sei „durch seine überbordenden Sozialleistungen bereits zum Sozial- und Kriminalitätsmagneten geworden und bei der Infrastruktur bereits überfordert“. Als Beispiele nennt er Gesundheits- und Bildungssystem.
Mahrer fordert wie berichtet die Deckelung der Sozialleistungen für subsidiär Schutzberechtigte auf das Niveau der Grundversorgung und somit eine Anpassung an die Bundesländer rund um Wien. Sowie die Umsetzung des Sozialhilfe-Grundgesetzes und die Staffelung für Kinder.
„Kinderstaffel zulässig“
Mazal hält die Mehrkindstaffel – mit steigender Kinderzahl sinkt die Sozialleistung pro Sprössling - für zulässig, die (reformierten) Regelungen in Ober- und Niederösterreich seien verfassungskonform. Der VfGH habe die Kinderstaffel nicht als solche kritisiert, sondern deswegen aufgehoben, weil es dazu kommen könne, dass der notwendige Lebensunterhalt nicht mehr gewährleistet sei. Da kein Mindestsatz pro Kind festgelegt war. Soweit eine landesgesetzliche Regelung diesen Effekt vermeide, sei diese verfassungskonform.
Hacker sorgte für breite Empörung, als er über „unerträglichem Zynismus“ polterte, dass Jüngere das Gewand von älteren Geschwistern tragen sollen. Das sei „echtes Mittelalter“.
andrea.hodoschek@kurier.at
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