Rauch in ZIB 2 über Mindestsicherung: "Diese Debatte ist einfach schäbig"
Der Streit über hohe soziale Unterstützungen für zugewanderte Familien geht weiter. In Wien ist die Mindestsicherung am höchsten, in anderen Bundesländern wird deutlich weniger an Sozialhilfe ausbezahlt.
Anlass der Diskussion war der Fall einer kinderreichen syrischen Familie mit positivem Asylbescheid in Wien, die insgesamt 4.600 Euro netto Mindestsicherung bezieht. Kritiker meinen nun, dass so der Anreiz, sich einen Job zu suchen, fehlen würde, auch Sanktionen bei Arbeitsunwilligkeit seien nur zögerlich. Andere Stimmen sagen, dass Asylwerber in Österreich zwar durchaus arbeiten wollen würden, es aber nicht dürfen – und so eben in der Mindestsicherung landen.
Zu dieser Debatte war Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch von den Grünen am Dienstagabend Studiogast in der ZIB 2.
Syrische Familie mit hoher Mindestsicherung: "Einzelfall"
Zum Einstieg fragte Moderator Armin Wolf den Minister, was er selbst denn gedacht habe, als er von der hohen Mindestsicherungssumme für besagte syrische Familie gehört hatte. Daraufhin betonte Rauch seine eigene, jahrzehntelange Erfahrung im Sozialbereich und unterstrich: "Man darf bitte diesen Einzelfall nicht hernehmen, um das ganze System zu diskreditieren. Das ist ungerecht."
In Wien seien es nur zehn Familien, die aufgrund ihrer großen Kinderzahl eine vergleichbar hohe Mindestsicherung beziehen. "In der Regel bekommt eine Familie in Österreich 740 Euro Sozialhilfe – während neun Monaten durchschnittlich, dann sind die Leute meist raus aus dem System und gehen wieder arbeiten." Auch teilte Rauch einen Seitenhieb an die Freiheitlichen aus, die hier eine "Scheindebatte" auf dem Rücken von Ausländern führen würden. "Mit Einzelfällen kennt sich die FPÖ ja aus."
Als echtes Problem verortet er die Vielfalt des Systems, das in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt ist. "Es ist unbestritten, dass wir hier Reformbedarf haben. Die Abschaffung der früheren Mindestsicherung war ein Fehler der Schwarz-Blauen Regierung damals," so Rauch.
"Keine soziale Hängematte"
Wie er es mit der Strenge der Sanktionen bei Arbeitsunwilligkeit sehe, wollte Wolf als nächstes von seinem Gast wissen – da es auch hier unterschiedliche Regelungen bei den Ländern gibt, was oftmals ein Nicht-Sanktionieren zur Folge hätte. "Ich teile diese Einschätzung nicht", konterte Rauch. In seinem eigenen Bundesland (Vorarlberg, Anm.) werde dies sogar sehr strikt gehandhabt – auch habe das Gesetz hierbei klare Vorgaben. Rauch betonte nochmals: "Ich möchte dringend den Eindruck zurückweisen, dass sich in Österreich ein System etabliert hätte, wo sich alle in die soziale Hängematte legen und nichts tun. Das ist schlicht und einfach falsch."
Dass es zu wenig Anreiz gäbe, um arbeiten zu gehen, verneinte der Grüne Minister ebenfalls – und kritisierte den Umgangston der aktuellen Debatte. "Es gibt viele Menschen, die sich schämen, um Hilfe zu bitten, auch wenn sie Anspruch auf Sozialhilfe hätten – weil sie Angst haben, diskreditiert werden. Es kann doch nicht sein, dass diese Angst nun aufgrund von Einzelfällen entsteht, obwohl man in Not ist. Ich finde diese Debatte einfach schäbig."
Rauch fordert einheitliches System
"Sind sie für eine einheitliche Regelung bundesweit?", wollte Wolf vom Sozialminister wissen – der dies klar bejahte. "Ich halte es für unsinnig, dass die Regelungen in Oberösterreich beispielsweise dermaßen restriktiv sind. Wir sind in Österreich Gott sei Dank ein Sozialstaat, das ist auch unsere Stärke. Da braucht es Verbesserungen und mehr Transparenz." Man solle jedoch nicht "das Kind mit dem Bade ausschütten" und "sagen, alle sind Tachinierer".
Rauch bekräftigte zudem, arbeitswillige Menschen in Österreich auch arbeiten zu lassen, "unabhängig davon, welchen Status sie haben." Die Annahme, dass die Menschen bewusst nach Wien gehen würden, weil sie dort für ihre Kinder mehr Geld bekommen, ließ der Minister so nicht stehen: Man müsse die Unterbringung von Asylberechtigten so gestalten, dass es vor Ort auch tatsächlich Arbeitsmöglichkeiten gibt. "Bei einer Unterkunft im Waldviertel wird das schwer möglich sein."
Zur von der ÖVP geforderten Wartezeit von fünf Jahren, bis man die volle Sozialhilfe in Österreich bekommt, meinte Rauch: "Ich bin gegen eine Wartefrist. Wer da ist und das Recht auf Sozialleistungen hat, soll sie auch bekommen. Wartefristen machen das System noch komplexer, das halte ich nicht für klug."
Postenbesetzung: "Bin als Sozialminister nicht involviert"
Zum Abschluss sprach Wolf den Minister noch auf die Postenbesetzung der Regierung, die am Dienstagabend bekannt wurde, an. Konkret fragte Wolf kritisch nach den "parteipolitischen Besetzungen" der hohen Positionen. Rauch entgegnete darauf, dass die besagten Posten nach "Qualifikation" besetzt worden seien, "Packeleien" könne er dabei keine verorten. Das nahm ihm der ZIB 2-Moderator aber nicht ab: "Jetzt ganz im Ernst: Vier Direktoren sind bestellt worden, keiner davon ist nicht einer Partei zuzuordnen."
Hier bezog sich Rauch nochmals auf das Bewerbungsverfahren, bei dem die besten Kandidaten ausgewählt worden seien. Und meinte: "Ich bin Sozialminister. Ich bin in diese Personalbesetzungen nicht im Detail involviert."
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