Aufenthaltsdauer als Bedingung für Sozialhilfe: Was geht und was nicht

Geht es nach Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), soll die Schere „zwischen dem Einkommen aus Arbeit und Sozialleistungen wieder größer werden“, wie er in seiner „Rede zur Zukunft der Nation“ sagte. EU-Bürger seien hier schlechter gestellt, als Asylberechtigte, erklärte er am Sonntag in der ORF-Pressestunde.
Das soll sich ändern. Berechtigt für vollen Sozialleistungsbezug soll künftig nur sein, wer durchgehend fünf Jahre in Österreich lebt.
Ezzes, wie die Regelung aussehen kann, will sich Nehammer am Donnerstag in Dänemark holen.
Sind EU-Bürger tatsächlich schlechter gestellt?
Zunächst ist wichtig, zu wissen: Wenn ein EU-Bürger in ein anderes EU-Land geht und dort arbeitet, hat er sofort Anspruch auf Sozialleistungen – eingeschränkt gilt dies sogar für Arbeitsuchende. Anders verhält es sich, wenn er dort nicht arbeitet bzw. arbeitsuchend ist. Dann nämlich muss er tatsächlich fünf Jahre auf Sozialhilfen warten. Asylwerber haben in Österreich gar keinen Anspruch auf Sozialhilfe, sie fallen in die Grundversorgung. Anders ist das bei Asylberechtigten: Sie haben die gleichen Ansprüche wie österreichische Staatsbürger. Das ist sowohl über eine EU-Statusrichtlinie als auch die Genfer Flüchtlingskonvention geregelt. Bei subsidiär Schutzberechtigten kann der Staat die Hilfen auf bestimmte Kernleistungen reduzieren.
Warum müssen EU-Bürger fünf Jahre warten?
Das liegt an den zwei Voraussetzungen für das Aufenthaltsrecht von EU-Bürgern in anderen EU-Ländern: Erstens muss man umfassend krankenversichert sein und zweitens über ausreichende Existenzmittel verfügen. „Wenn man Sozialhilfe beantragt, ist davon auszugehen, dass man nicht über ausreichend Existenzmittel verfügt. Damit fällt dann das Recht weg, wie ein Staatsbürger des jeweiligen Landes behandelt zu werden“, erklärt Europarechtsexperte Walter Obwexer.
Kann Österreich eine Sozialhilfe-Wartefrist für alle Zugezogenen ohne Job einführen?
Wie Obwexer erklärt, ist das EU-rechtlich grundsätzlich möglich. „Nämlich dann, wenn man sagt, wir machen es für alle, die in den vergangenen Jahren keinen Wohnsitz in Österreich hatten – also auch österreichische Staatsbürger“. Dies gelte dann etwa auch für Asylberechtigte.
Wie funktioniert das dänische Modell konkret?
Bis sie in Dänemark die vollen Sozialleistungen erhalten, müssen Neuankömmlinge neun der letzten zehn Jahre im Land gewesen sein und 2,5 Jahre davon Vollzeit gearbeitet haben. Bis dahin erhalten sie eine „Eingliederungsleistung“, die weniger als die Hälfte der normalen Sozialleistungen ausmacht. In der Theorie gilt das auch für Dänen, die im Ausland gelebt haben. Die Anzahl derer ist allerdings extrem gering.
Kann Österreich das dänische Modell umsetzen?
Dänemark unterliegt anderen rechtlichen Rahmenbedingungen, weil die Dänen bei der EU-Innen- und Sicherheitspolitik eine Ausstiegsklausel haben und daher nicht wie andere Mitgliedstaaten zur Anwendung verpflichtet sind. Allerdings verfährt Griechenland ohne diese Vereinbarung bereits ähnlich wie Dänemark.
Wie kann man Asylberechtigte aus der Sozialhilfe holen?
Tatsächlich sind unter den Asylberechtigten überproportional viele Sozialhilfebezieher. Nach etwa zehn bis 15 Jahren nähert sich die Erwerbsquote bei männlichen Asylberechtigten laut dem deutschen Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aber an die der nicht-zugewanderten Bevölkerung an. „Das heißt, dass sie nicht – wie oft suggeriert – fauler sind, sondern wegen erschwerter Startbedingungen einfach länger brauchen“, sagt Lukas Gahleitner-Gertz von der „Asylkoordination Österreich“.Um den Prozess zu beschleunigen schlägt er vor, Integrationsmaßnahmen zumindest bei Personen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit verstärkt schon während des Asylverfahrens zu setzen.
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