Ex-Kanzler Kurz startet neuen Versuch, Kronzeugen-Status für Schmid zu verhindern
Im Justizministerium brütet man seit Monaten über dem Kronzeugen-Antrag von Thomas Schmid.
Im Endspurt zur Entscheidung feuern jene Beschuldigten, die von ihm belastet werden, noch einmal sprichwörtlich aus allen Rohren, um zu verhindern, dass Schmid den schützenden Status bekommt.
Dem KURIER liegen zwei Stellungnahmen und eine Beschwerde an das Justizministerium, die WKStA und den Rechtsschutzbeauftragten vor.
In der aktuellsten Stellungnahme (vom 22.10.2024) listet Werner Suppan, Anwalt von Ex-Kanzler Sebastian Kurz, "falsche Aussagen" Schmids auf.
Wir erinnern uns: Der Ex-Generalsekretär im Finanzministerium und Ex-ÖBAG-Chef hatte Kurz in seinem Geständnis bei der WKStA im Sommer 2022 zu mehreren Sachverhalten schwer belastet.
1. Gehaltserhöhung für Kurz' Lebensgefährtin
In einem Fall ging es um Kurz' Lebensgefährtin, die im Finanzministerium beschäftigt war.
Kurz habe sich laut Schmid 2016 ihm gegenüber "in einem Gespräch einmal dafür verwendet, dass es eine Gehaltserhöhung für Frau T. gibt" und ihr "Arbeitsvolumen dabei Berücksichtigung finden soll".
Daraufhin soll eine Neubewertung von T.s Arbeitsverhältnis durchgeführt worden sein; Schmid gab aber an, nicht zu wissen, "wie das mit dem Gehalt letztlich umgesetzt wurde".
Kaum wurden die Vorwürfe aus dem Akt publik, stellte das Finanzministerium klar, dass es 2016 keine Gehaltserhöhung gegeben habe, ihre Entlohnung habe stets dem Besoldungsschema im öffentlichen Dienst entsprochen. Erst 2018 gab es eine Erhöhung, weil T. damals offenbar neue Aufgaben übernahm.
In seiner Stellungnahme weist Kurz-Anwalt Suppan darauf hin, dass Schmid damals noch einmal zu diesem Faktum einvernommen wurde und seine Vorwürfe "vollständig relativieren musste". Er sagte dann: "Eine Bevorzugung gegenüber anderen Mitarbeiten hat Kurz explizit nicht verlangt. Das war auch nicht seine Art."
Die WKStA hat diesbezüglich auch nie ermittelt, stellte aber klar, es bestehe "kein Anlass, den Wahrheitsgehalt in Zweifel zu ziehen".
Suppans Fazit aber lautet: Schmid habe einen schwerwiegenden strafrechtlichen Vorwurf erhoben, der nach Bekanntwerden umgehend widerlegt worden sei. In der Hoffnung zumindest seine Glaubwürdigkeit zu retten, habe er seine Aussagen relativiert und abgeändert.
Und der Anwalt zitiert aus dem Handbuch zur Kronzeugenregelung, in dem genau so ein Verhalten als Beispiel angeführt wird, wie sich jemand als Kronzeuge disqualifiziert. Darin heißt es: "Die angebotenen Informationen können umgehend als falsch widerlegt werden."
2. "Vollgas" bei katholischer Kirche
Den nächsten Fall führt Suppan als Beispiel dafür an, dass Schmid "immer wieder mit falschen Informationen operiert und seine Aussage oftmals situationselastisch an die Vorhalte der WKStA anpasst bzw. seine Aussagen ändert, wenn ihm (meistens öffentlich) die Unrichtigkeit seiner Aussagen nachgewiesen werden könnte", wie es in der Stellungnahme heißt.
Beim Faktum "katholische Kirche" lautet der Vorhalt, dass Kurz Schmid 2019 angewiesen haben soll, gegenüber Kirchenvertretern "Vollgas" zu geben, weil diese die damalige türkis-blaue Regierung wegen ihres Vorschlags zur Sicherungshaft kritisiert haben. Schmid habe den Zusammenhang drei Mal geleugnet und erst nach Vorlage seiner Chats gemeint, er müsse seine Aussage revidieren, weil jetzt "die Erinnerung wiederkommt", schreibt Anwalt Suppan.
3. Sobotka und das Mock Institut
Auch beim Faktum "Alois Mock Institut", in dem Schmid den früheren Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka belastete, seien die Aussagen Schmids umgehend widerlegt worden, schreibt Suppan.
Schmid behauptete damals, Sobotka habe wegen einer Steuerprüfung interveniert. Das zuständige Finanzamt und die Steuerberatungskanzleien bestätigten aber, dass im von Schmid angegebenen Zeitraum 2014 bis 2019 keine Steuerprüfung durchgeführt worden und auch keine geplant gewesen sei.
Die WKStA hat keine Ermittlungen eingeleitet.
4. Die "geheime" Autoleihe
Ungereimtheiten dürfte es auch bei der Causa Ronny Pecik geben: Dessen Verteidiger Norbert Wess macht in einem Einspruch, der dem KURIER vorliegt, eine Rechtsverletzung geltend.
Eine Aussage Schmids sei längst widerlegt, die WKStA wollte aber einen Zeugen, der dies bestätigen könnte, nicht dazu befragen. Ein entsprechender Beweisantrag wurde abgelehnt – worüber sich Wess verwundert zeigt.
Konkret geht es um Autos, die sich Schmid bei dem Unternehmer ausgeliehen hat. Schmid erklärte bei der WKStA, dass niemand davon wusste. Tatsächlich gibt es aber Belege, dass Schmid daraus offenbar kein Geheimnis gemacht hat. Einmal etwa fuhr Schmid mit Freunden in einem rund 350.000 Euro teuren Pecik-Auto auf Urlaub, ein anderes Mal überließ er seiner Schwester eine der Luxuskarossen.
Warum das relevant sein soll? Schmid behauptete, die Autoleihen seien Teil des Bestrebens von Peciks gewesen, sich im Finanzministerium Vorteile zu sichern - sprich: Bestechung.
Die Verteidiger aber meinen: So verboten können die Aktionen nicht gewesen sein, wenn Schmid offenbar einige Leute in seinem privaten Umfeld daran teilhaben ließ. Es gibt sogar einen Chat, in dem ein Freund Schmid scherzhaft auffordert, Pecik das nächste Mal um einen Ferrari zu bitten.
2,75 Millionen Euro Schaden
Neben anderen, bereits bekannten Argumenten von Verteidigern in diesem Verfahrenskomplex, dass Schmid nicht Kronzeuge werden dürfe, führt Suppan in seiner Stellungnahme noch an, dass Schmid gar nicht in der Lage sei, einen etwaigen Schaden wiedergutzumachen.
Die Finanzprokuratur fordert als Privatbeteiligte bekanntlich rund 2,75 Millionen Euro für die Republik zurück. Das könne Schmid, der laut eigenen Angaben monatlich als Angestellter rund 5.920 Euro verdient, nicht stemmen, meint Suppan.
Eine Verzicht auf die Wiedergutmachung komme aus Sicht Suppans nicht infrage. Seine Conclusio: Die Zuerkennung eines Kronzeugenstatus für Schmid sei ausgeschlossen.
Verdient Schmid den Kronzeugenstatus?
Eine dritte Eingabe stammt aus der Kanzlei Ainedter & Ainedter, die zwei Beschuldigte aus dem Ibiza-Verfahrenskomplex betreut. Darin wird detailliert erklärt, warum Schmid die Voraussetzungen für die Kronzeugenregelung nicht erfüllen würde.
Und es wird die Frage aufgeworfen: Reichen die Taten, die Schmid „neu offenbart“ hat (wohlgemerkt erst nach Hausdurchsuchung, Handyauswertung und gescheitertem Vernehmungsversuch) aus, um ihn mit dem Kronzeugenstatus zu belohnen?
Dazu gehören alle Verfahren, die nach Platzen der Ibiza-Affäre im Mai 2019 eingeleitet wurden, unter anderem:
- Casinos Causa
Peter Sidlo, FPÖ, soll durch einen türkis-blauen Deal Finanzvorstand der Casag geworden sein. Mitbeschuldigt sind u. a. Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und einige ÖVP-Leute
- Inseraten-Affäre
Frisierte Umfragen von Sabine Beinschab und steuerfinanzierte Inserate sollen in „Österreich“ erschienen sein, um der ÖVP positive Berichterstattung zu sichern. Thomas Schmid sagte später aus, es habe auch mit „Heute“ und „Krone“ Inseratendeals gegeben.
- Kronzeugenstatus
Gegen Schmid wird seit 2019 ermittelt, 2022 packte er bei der WKStA aus. Sein Kronzeugenantrag, den er vor zwei Jahren stellte, ist noch offen.
Die Inseraten-Affäre dürfte als eine fortgesetzte Tat gesehen werden – und dazu hat Sabine Beinschab schon vorher umfassend gestanden und den Kronzeugenstatus erhalten. Schmid hat später ergänzt, dass es ähnliche Praktiken auch bei anderen Medien gab. Diese Taten wären – sieht man es so wie beschrieben – durch Beinschab schon „verbraucht“ und weder „neu“ noch schwer genug.
Ähnlich sieht das übrigens Eckart Ratz, früherer Präsident des Obersten Gerichtshofes und Kurzzeit-Innenminister, in einem aktuellen Beitrag in der Österreichischen Juristenzeitung (ÖJZ). Den Beitrag hat die Kanzlei Ainedter & Ainedter kürzlich dem Justizministerium übermittelt.
Beschuldigte ohne Einfluss auf Entscheidung
Ob dieser Hinweis und die anderen Stellungnahmen Wirkung zeigen, sei dahingestellt. Beschuldigte haben in der Frage, wer Kronzeuge wird und wer nicht, keine Parteienstellung.
Die Entscheidung obliegt alleine den Experten im Justizministerium bzw. dem Weisungsrat, der die Ministerin berät. Und sie ist weiterhin offen. "Die internen Prüfvorgänge sind noch nicht final abgeschlossen", hieß es auf KURIER-Anfrage diese Woche.
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