Warum Thomas Schmid weiter warten muss
Die Nationalratswahl ist vorüber – und in den türkisen Polit-Büros gab es ein Aufatmen. Die Entscheidung darüber, ob Thomas Schmid, der mit Chats und Geständnissen viele ÖVP-Politiker und mit ihnen verbandelte Unternehmer schwer belastet hat, Kronzeuge wird oder nicht, platzte nicht in den Wahlkampf.
Das war befürchtet worden, weil die Entscheidung, die politisch eine enorme Tragweite hat, schon recht lange auf sich warten lässt. Der Vorhabensbericht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) liegt im Justizministerium; ebenso wie zwei andere brisante Causen (Peter Sidlo soll über einen türkis-blauen Deal Finanzvorstand der Casinos Austria geworden sein. Die WKStA hat von August 2019 bis März 2024 ermittelt. Und: Dem Ex-Justizminister Wolfgang Brandstätter, ÖVP-Ticket, wird u. a. Amtsmissbrauch, Anstiftung zum Geheimnisverrat und Falschaussage im U-Ausschuss vorgeworfen.)
Und je mehr Zeit vergeht, desto mehr blühen Spekulationen rund um die Hintergründe.
Entscheidet Zadić noch?
Schmid, ehemaliger Generalsekretär im ÖVP-geführten Finanzministerium und Ex-ÖBAG-Chef, hat im Sommer 2022 bei der WKStA ein Geständnis abgelegt und im November 2022 einen Antrag auf den Kronzeugenstatus gestellt. Die WKStA hat geprüft und ihre Entscheidung kurz vor Ostern an die Fachaufsicht geschickt.
Beobachter gehen davon aus, dass die WKStA ihm den Status gewähren will, weil sie sich kurz vorher nach seinen Vermögensverhältnissen erkundigt hat. Diese Angaben braucht man für die Berechnung einer Diversion, die Kronzeugen bekommen, wenn eine Staatsanwaltschaft von einer Strafverfolgung absieht.
Ende Mai ist der Vorhabensbericht im Justizministerium eingelangt. Es seien dann noch „weitere Informationen“ nötig gewesen, heißt es auf KURIER-Anfrage. Der letzte Bericht sei im August gekommen. „Sobald die Prüfung durch die Fachabteilung abgeschlossen ist, wird das entsprechende Vorhaben dem Weisungsrat vorgelegt.“
Die Letztentscheidung liegt bei Justizministerin Alma Zadić. Sofern die Grüne zu dem Zeitpunkt noch im Amt bzw. noch nicht in Karenz ist. Im Dezember erwartet sie ihr zweites Kind.
Schmids Verteidiger Roland Kier hat kürzlich in einem Falter-Interview eine Befürchtung geäußert: Sollte der nächste Justizminister von der ÖVP gestellt werden und dann über das Schicksal Schmids, der unter anderem auch Ex-Kanzler Sebastian kurz schwer belastet hat, entscheiden, wären das „italienische Verhältnisse der 80er-Jahre“, sagte er. Zadić sei jetzt am Zug, um aufzuzeigen, ob ihr die Korruptionsbekämpfung ein „reales Anliegen oder nur ein Lippenbekenntnis“ sei.
Die Rolle der grünen Justizministerin in dieser Entscheidung wird in Juristenkreisen aber auch in eine andere Richtung gedeutet: In diesem Szenario kommt die Fachaufsicht zu dem Schluss, dass Schmid den Kronzeugenstatus nicht verdient hat – nur will sich Zadić, so wird gemutmaßt, gegen Ende ihrer Amtszeit politisch nicht umbinden lassen, den Mann, der von allen außerhalb der ÖVP für seine „mutige Lebensbeichte“ gefeiert wird, fallenzulassen. Also dauert es eben noch.
Hohe Ansprüche
Fest steht: Die Ansprüche an einen Kronzeugen sind hoch. Das weiß Georg Krakow, Strafverteidiger (in der Ibiza- bzw. Casinos-Causa ist er nicht beschäftigt, Anm.) und Anti-Korruptionsexperte. Als Kabinettschef der früheren Justizministerin Claudia Bandion-Ortner 2010 war er maßgeblich am Entwurf der Kronzeugenregelung und am Ausbau der heutigen WKStA beteiligt.
„Die Kronzeugenregelung wurde für Mitläufer geschaffen, die durch ihr Insiderwissen zur Aufklärung der Taten anderer beitragen, die ohne sie nicht möglich gewesen wäre“, erklärt Krakow. „Wenn jemand nicht nur Mitläufer, sondern sogar einer der Haupttäter ist, und in weiten Teilen über Mittäter nur bestätigt, was ohnehin bekannt war und an anderen Stellen nur seine Einschätzungen mitteilt, dann ist das zu wenig.“
Schwere Folgen
Ob das auf Schmid zutrifft, lässt Krakow offen – als ehemaliger Staatsanwalt hütet er sich davor, Kollegen Ratschläge zu erteilen. Aber es klingt durch: Die Suppe könnte zu dünn sein. An neuen Offenbarungen hat Schmid etwa Angaben zu einer Einflussnahme auf das Steuerverfahren von Investor René Benko geliefert. Und die Causa Benko hat durch die Milliardenpleite der Signa mittlerweile unübersichtliche Ausmaße erreicht.
In der Inseratencausa hat Schmid, nachdem bereits gegen Österreich ermittelt wurde, die Heute-Verlegerin Eva Dichand und ihren Mann, Krone-Herausgeber Christoph Dichand, belastet. Die Ermittlungen stehen noch am Anfang, weil nach den Hausdurchsuchungen in den Medienhäusern alle Daten versiegelt wurden und erst vom Gericht aufwendig gesichtet werden müssen.
Bekommt Schmid den Kronzeugenstatus nicht, wäre das für ihn persönlich dramatisch: Er hat auch sich selbst belastet und könnte für alles strafrechtlich verfolgt werden. Die folgenschwere Sicherstellung seines Handys jährt sich im November übrigens zum fünften Mal.
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