Inseraten-Affäre: Verteidiger legen Studie vor - und fordern WKStA und Schmid heraus

Inseraten-Affäre: Verteidiger legen Studie vor - und fordern WKStA und Schmid heraus
Anwälte der Gratiszeitung "Heute" gehen in die Offensive: Eine Studie soll beweisen, dass es keine "wohlwollende Berichterstattung" für die ÖVP gab.

Fast zwei Jahre ist es her, dass Thomas Schmid bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ausgepackt und eine Reihe von ÖVP-Politikern, Unternehmern, aber auch Medienleuten gehörig unter Druck gebracht hat. Vor etwas mehr als einem Jahr hat er einen Antrag auf Kronzeugenstatus gestellt. Bis dato ohne Ergebnis. Die WKStA prüft noch immer seinen Antrag.

Ob er den Schutzschirm noch bekommt? Fraglich. Falls nicht, dann würde Schmid für alles, was er in seinem Geständnis offenbart hat, als Mittäter zur Rechenschaft gezogen werden. Gerade, was die mutmaßliche Inseratenkorruption bei den Gratiszeitungen Österreich und Heute betrifft.

Die Verteidiger Johann Pauer und Michael Rami (sie vertreten Geschäftsführer Wolfgang Jansky und Herausgeberin Eva Dichand) gehen jetzt in die Offensive. In einem Antrag, der kürzlich zum Akt gekommen ist, fordern sie die WKStA und Schmid heraus: Sie beantragen, den Kronzeugen-Anwärter kontradiktorisch vernehmen zu lassen.

Neuland

Grundsätzlich geht es bei dieser Form der Vernehmung darum, allen Beteiligten die Chance zu geben, einem Beschuldigten oder Zeugen Fragen zu stellen. Und zwar dann, wenn man davon ausgehen muss, dass dies in der Hauptverhandlung nicht möglich sein wird. In der Phase der Ermittlungen stellen üblicherweise ja nur die Staatsanwaltschaft und die Polizei Fragen. Richter und Verteidiger sind erst später, im Prozess, dran.  

Kontradiktorische Vernehmungen gibt es etwa in Missbrauchsfällen, wenn Opfern nicht zuzumuten ist, ihren Peinigern vor Gericht gegenüberzutreten. Oder, wenn ein Zeuge den Prozess aufgrund seines Alters oder Gesundheitszustandes nicht mehr erleben könnte.

Bei einem Kronzeugen-Anwärter ist die Methode noch nicht erprobt, die Heute-Verteidiger betreten Neuland. 

Pauer und Rami begründen ihren ungewöhnlichen Vorstoß damit, dass Schmid – sollte er den Status nicht bekommen – Mitbeschuldigter bleibt. Als solcher hätte er im Prozess das Recht, die Aussage zu verweigern. Die Verteidigung hätte damit nie eine Chance, ihre Fragen zu deponieren. Das widerspräche den Grundprinzipien eines fairen Verfahrens gemäß Menschenrechtskonvention, etwa dem Gebot der Waffengleichheit, argumentieren sie in ihrem Antrag an die Behörde.

Pauer: „Man wird sehen, ob die WKStA eine kritische Befragung des Kronzeugen-Anwärters zulässt.“ Wenn nicht, dann könnten die Verteidiger Beschwerde einlegen – und das Gericht müsste entscheiden.

"Grundsatzvereinbarung"

Was die Verteidiger damit bezwecken? Salopp formuliert vertreten sie die Ansicht, dass die WKStA bei den Ermittlungen auf dem Holzweg ist – und das wollen sie jetzt persönlich aus Schmids Mund hören. 

Die WKStA geht davon aus, dass Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, mit Dichand, Heute-Chefin, eine „Grundsatzvereinbarung“ geschlossen habe. Demnach sollten die Mediengruppen Heute und Krone (von Ehemann Christoph Dichand) „wohlwollend“ über den damaligen ÖVP-Chef Sebastian Kurz berichten, um seine „Bekanntheit und Beliebtheit“ zu fördern.

„Überinterpretation“

Über eine solche „Grundsatzvereinbarung“ sei aber nie explizit gesprochen worden – das gab Schmid bei der WKStA zu Protokoll. Dass sich Dichand eine Intervention bei einer Gesetzesnovelle (bzgl. Stiftungen) sowie mehr Inserate erwartet und andernfalls schlecht über die ÖVP und Kurz berichtet hätte, sei nur eine „Mutmaßung“ Schmids gewesen, die von der WKStA dann „überinterpretiert“ worden sei. In dem Antrag wird auch gefordert, alle sichergestellten Daten und Urkunden zu retournieren. 

Wir erinnern uns: Dichand beschwerte sich in einem Chat bei Schmid, dass Österreich unverhältnismäßig viele Inseratenschaltungen des Finanzministeriums erhalten habe – und forderte, das abzustellen. Zitat: „Wir können auch anders.“

254.359 Artikel aus den Innenpolitik-Ressorts von neun österreichischen Tageszeitungen hat ein Forscher-Team der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) untersucht – und kam zu dem Schluss: Die ÖVP war zwischen 2016 bis 2021 am stärksten präsent, die Tonalität war aber eher durchwachsen. 

Am positivsten konnotiert waren die Grünen, am negativsten die FPÖ. Allein bei der Gratiszeitung Heute kam die SPÖ am besten weg. 

Spannend ist das deshalb, weil der Heute in einem Strafverfahren vorgeworfen wird, sie habe besonders „wohlwollend“ über die ÖVP berichtet. Laut Studie waren die Berichte zur ÖVP aber nur „durchschnittlich“. 

Verteidiger Michael Rami hat die Studie nun vorgelegt. „Sie zeigt, dass es keinerlei bevorzugte Berichterstattung gegeben hat. Vom Tatverdacht ist nichts mehr übrig.“ 

Die Verlagsgruppe, zu der Heute gehört, hat das Forschungsprojekt gefördert. Man habe „ein erhebliches Interesse an einer raschen und empirisch belastbaren Prüfung der eigenen Berichterstattung durch eine unabhängige Institution“, wird erklärt.  

Das Boulevardblatt Österreich, dem auch Inseratenkorruption vorgeworfen wird, kommt in der Studie nicht vor. Die Forscher hatten keinen Zugang zum Archiv. 

Eine „Gegenleistung“ im Sinne einer „wohlwollenden Berichterstattung“ habe es auch nicht gegeben, schreiben die Verteidiger und verweisen auf eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien (siehe Infokasten oben)

Kurzum: Die Vorwürfe der Bestechung und der Untreue seien „zur Gänze falsch“. In dieser Logik hätte auch Schmid als Mittäter in dieser Causa nichts zu befürchten – Kronzeugenstatus hin oder her.

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