Was über Nehammers Rede bereits bekannt ist – und was nicht

Was über Nehammers Rede bereits bekannt ist – und was nicht
Kanzler Karl Nehammer startet heute mit seinem "Österreichplan" in den Wahlkampf. Viele, aber nicht alle Punkte wurden schon öffentlich.

In Umfragen liegt die ÖVP hinter FPÖ und SPÖ auf Platz drei. Auch in der Kanzlerfrage ist der amtierende Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hinter FPÖ-Chef Herbert Kickl zurückgefallen. Das soll sich bald ändern: Mit der Präsentation seines "Österreichplans" will Nehammer am Freitag, 15 Uhr, in Wels vor 1.500 Anhängern Aufbruchsstimmung entfachen. Die Rede gilt als Startschuss für das Super-Wahljahr: Am 9. Juni findet die EU-Wahl statt, voraussichtlich Ende September die Nationalratswahl.

Die Rede selbst ist noch nicht durchgesickert. Worüber Nehammer inhaltlich sprechen will, ist teilweise bereits bekannt. Die ÖVP hat im Laufe der Woche viele, dem Vernehmen nach aber nicht alle Eckpunkte des Österreichplans an Medien gespielt. Spannend wird auch, wie Nehammer auftritt: Staatsmännisch-nüchtern oder in der Rolle des Einpeitschers, die er als Generalsekretär unter dem damaligen Parteichef Sebastian Kurz (ÖVP) innehatte?

Inhaltlich steht der "Österreichplan bis 2030" der ÖVP auf drei Pflöcken: Leistung, Familie und Sicherheit. Folgende Häppchen hat die ÖVP bereits an Medien übermittelt:

Leistung: Steuern und Abgaben senken

Die ÖVP will die Steuer- und  Abgabenquote auf unter 40 Prozent des BIP senken. Ein Versprechen, das auch Ex-Kanzler Sebastian Kurz im Wahlkampf 2017 machte – und nicht hielt. 

  • Nehammer wird erstens vorschlagen, den Eingangssteuersatz von 20 auf 15 Prozent senken. Erleichterungen will der ÖVP-Chef auch für jene, die nicht Vollzeit arbeiten, weil sie Pflege- oder Kinderbetreuungsaufgaben übernommen haben. Fünf Millionen Menschen sollen von der Maßnahme profitieren.
     
  • Außerdem will die ÖVP die Lohnnebenkosten bis 2030 jährlich um 0,5 Prozentpunkte zu senken. Sparpotenzial sieht die ÖVP bei den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen, Familienleitungen sollen stärker aus dem Bundesbudget finanziert werden – Nehammer könnte hier weitere Details nennen. Kosten: rund 800 Millionen Euro pro Jahr.
     
  • Ebenfalls im Kapitel "Leistung" enthalten ist eine Entlastung bei Überstunden: Ziel ist, alle Überstunden zur Gänze steuerfrei zu machen, "um jene zu unterstützen, die mehr leisten als sie müssten".

Mehr dazu: Steuerreform: Wer von Nehammers Plänen profitiert

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Wirtschaft: Europa zuerst

Im Kapitel "Wirtschaft" wünscht sich Nehammer einen "Regimewechsel in Österreichs Wirtschaftspolitik". Es sei eine Abkehr vom Interventionalismus und Etatismus der letzten vier Krisenjahre notwendig, und damit eine Rückkehr zur sozialen Marktwirtschaft. 

  • Dem Vernehmen nach soll auf ein Zurückfahren von Subventionen und stattdessen auf Garantien und Anreize gesetzt werden.
     
  • Laut Medienberichten will Nehammer "Europe first" propagieren in Anlehnung an das "America first" des früheren US-Präsidenten Donald Trump. Um gegenüber Asien und den USA konkurrenzfähig zu bleiben, müssten EU-Produkte gestärkt werden. "Es kann nicht sein, dass unfair subventionierte Autos aus dem Ausland wie etwa dem asiatischen Raum in Österreich öffentliche Aufträge bekommen", heißt es laut Medienberichten im Wirtschaftskapitel. 
     
  • Erleichterungen will er beim Vermögensaufbau, die zuletzt von den Sozialdemokraten ins Spiel gebrachten Vermögens- und Erbschaftssteuern werden klar abgelehnt. Und: Bis 2030 will der ÖVP-Chef laut Oberösterreichischen Nachrichten aber die Kapitalertragssteuern bei Spareinlagen am Sparbuch bis 100.000 Euro abschaffen.

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Eigentum: Gebühren und Steuern abschaffen

Mit einer "Eigentumsoffensive" will Nehammer die Eigentumsquote von 48 Prozent auf 60 Prozent heben. Bis 2030 brauche es daher die Einführung eines staatlich besicherten Wohnbaukredits auf das erste Eigenheim, auch eine "Abschaffung aller Gebühren und Steuern auf das erste Eigenheim" schwebt dem Kanzler vor. Genossenschaftswohnungen sollen jederzeit zu den Errichtungskosten erwerbbar sein und nicht zum Verkehrswert.

Mehr dazu: Wohnen: Wie Nehammer für mehr Eigentum sorgen will

Gendern: Binnen-I verbieten

Für Häme und Stirnrunzeln - bei der Opposition, aber auch beim grünen Koalitionspartner sorgte der türkise Ruf nach einem Gender-Verbot nach bayerischem Vorbild in der Verwaltung. Binnen-I, Sternchen und Doppelpunkte sollen demnach bis 2030 der Vergangenheit angehören auch in Bildungseinrichtungen: "Gendern darf nicht prüfungsrelevant und in wissenschaftlichen Arbeiten verpflichtend vorgeschrieben sein", wurde der Kanzler zitiert. 

Mehr dazu: "Gender-Missbrauch": Nehammer will Binnen-I verbannen

"Sinnvoll" findet Nehammer dagegen das Ausschreiben beider Geschlechterformulierungen. Die Grünen reagierten mit Spott, der Bundeskanzler "fürchtet sich also wieder einmal vor Buchstaben, Doppelpunkten & Sternchen", schrieb etwa Frauensprecherin Meri Disoski via Social Media.

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Sicherheit: "Null Toleranz Prinzip"

Für mehr Strenge tritt Nehammer beim Thema Sicherheit ein, wie ein Auszug aus dem Entwurf des Kapitels "Null-Toleranz-Prinzip bei der Polizei" zeigt. 

  • Bis 2030 will die ÖVP eine "klare Stärkung der Polizei" sowie härtere Strafen für Wiederholungstäter "und jene, die unsere Exekutivkräfte nicht respektieren" hier ist von einem "Null Toleranz Prinzip" die Rede. Auch eine Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten im digitalen Raum zur Bekämpfung von terroristischen Organisationen und organisierter Kriminalität findet sich im Plan, ebenso eine "massive Aufstockung im Bereich Cybercrime und Bekämpfung von missbräuchlichen Einsatz von KI". 
     
  • Außerdem schlägt Nehammer die Schaffung von "32.000 mobilen Polizeiinspektionen durch eine Modernisierungs- und Ausrüstungsoffensive" vor. Das Ziel: Bürger sollen somit für eine Amtshandlung nicht mehr auf eine Polizeiinspektion gehen müssen, sondern die Polizeiinspektion soll "in Form des Polizisten" zu ihm kommen.
     
  • Härtere Strafen will Nehammer aber auch für "Klimakleber" "durch Schaffung neuer Straftatbestände sowie Strafverschärfungen in der Straßenverkehrsordnung, damit Einsatzfahrzeuge nicht mehr behindert werden". Darüber hinaus plädiert die ÖVP wie schon öfters kommuniziert für einen "Ausbau und schnellere Ausweitung der Körperkameras bei Polizisten" und eine Erweiterungen der Kompetenzen für den Verfassungsschutz.

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Migration und Asyl

Auch das Thema Migration fehlt nicht. Nehammer wird die altbekannten ÖVP-Wünsche, die Zuwanderung ins Sozialsystem zu stoppen, wiederholen. 

  • Mit einer "Sozialleistungsreform" sollen etwa die vollen Sozialleistungen erst nach fünf Jahren legalem Aufenthalt in Österreich erhältlich sein, wie Nehammer bereits bei seiner breit inszenierten "Rede zur Zukunft der Nation" im März 2023 gefordert hatte. 
     
  • Der illegalen Migration soll mit "Asylzentren" in Drittstaaten begegnet werden. Bis 2030 brauche es eine "völlig neue Gesamtlösungen im Europäischen Asylsystem" mit Abschiebezentren- und Verfahrenszentren im Ausland. "Ebenfalls soll geprüft werden, ob auch Justizvollzugsanstalten im Ausland realisierbar sind." Abgelehnten Asylwerbern soll die Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Auch tritt Nehammer für die Beschlagnahmung von Wertsachen bei der Einreise ein, um Kosten zu decken.
     
  • Erleichtern will die ÖVP die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte - dazu soll es eine Vereinfachung und einen Abbau von Bürokratie bei der Rot-Weiß-Rot-Karte geben. Die Karte soll demnach künftig binnen 72 Stunden ausgestellt werden und eine "vollständige digitale Antragstellung" ermöglicht werden. Auch soll die Nostrifizierung für Länder und Universitäten entfallen, "die unseren Standards entsprechen".

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Im März 2023 gegen das Verbrenner-Aus

Viele der Vorschläge werden beim derzeitigen Koalitionspartner, den Grünen, auf wenig bis gar keinen Widerhall stoßen. Bereits bei seiner Rede im März konnten etliche Aussagen mit dem Fokus auf den Klimaschutzbereich als Kampfansage an den Koalitionspartner interpretiert werden. Unter anderem wandte sich der ÖVP-Chef damals gegen ein Aus für Verbrennungsmotoren und titulierte Österreich als "Autoland schlechthin".

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