Was von Nehammers Grundsatzrede in Wels zu erwarten ist

Die Woche hat innenpolitisch einiges zu bieten. Die Grünen und die Neos präsentieren ihre Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Ex-Finanzminister Gernot Blümel muss im Falschaussage-Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz aussagen und der Verfassungsausschuss des Nationalrats beschäftigt sich noch einmal mit dem Informationsfreiheitsgesetz. Und da ist dann noch die Grundsatzrede von Kanzler Karl Nehammer in der Messehalle in Wels, die wohl - vor allem für die ÖVP - der Höhepunkt der Woche sein wird.
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Rund um diese Rede ist schon viel spekuliert worden. Manche Beobachter vermuteten, dass der Auftritt eine Art Wahlkampfauftakt sein wird und danach doch noch vorgezogene Neuwahlen ausgerufen werden. Damit wird gerechnet, wenn sich der grüne Koalitionspartner durch so manche Aussage brüskiert fühlen sollte. Im Vorfeld der Rede haben sich Vizekanzler Werner Kogler und die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer eher entspannt gezeigt. Sie rechnen nicht damit, dass diese Rede auf die aktuelle Regierungspolitik direkte Auswirkungen haben wird.
Auszüge von Nehammers Rede zu den Kapiteln "Leistung" und "Wirtschaft" liegen der APA vor. Darin ist von einer Steuersenkung "für die arbeitende Mitte" und einem Lohnnebenkosten-Senkungspfad bis 2030 die Rede.
"Mehr Steuerzahler, die aber weniger Steuern zahlen"
Nehammer schwebt demnach ein "Programm für die fünf Millionen" vor, womit die Anzahl jener Menschen in Österreich gemeint ist, die "unser gesamtes System mit ihrer Steuerleistung finanzieren". Diesen solle mehr von ihrem Einkommen und Pensionen bleiben. Die ÖVP will daher den Eingangssteuersatz von 20 auf 15 Prozent senken.
"Wir brauchen mehr Steuerzahler, die aber weniger Steuern zahlen", so das Credo. Erleichterungen will Nehammer auch für jene, die nicht Vollzeit arbeiten, weil sie Pflege- oder Kinderbetreuungsaufgaben übernommen haben.
Lohnnebenkosten-Senkungspfad bis 2030
Weiters wünscht sich die ÖVP eine Leistungsreform des Abgabensystems. Bis 2030 will sie einen Lohnnebenkosten-Senkungspfads um 0,5 Prozentpunkte jährlich implementieren. Erreichen will man dies durch eine Reduktion der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (die Finanzierung des Arbeitslosengelds soll aus ÖVP-Sicht neu strukturiert werden) sowie durch Überführung eines Teils der dienstgeberfinanzierten Beiträge des Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) in das Bundesbudget.
Weniger Subventionen, mehr Anreize
Im Kapitel "Wirtschaft" - hier ist auf ÖVP-Seite vorerst nur von einem "Rohentwurf" die Rede - wünscht sich Nehammer einen "Regimewechsel in Österreichs Wirtschaftspolitik". Es sei eine Abkehr vom Interventionalismus und Etatismus der letzten vier Krisenjahre notwendig, und damit eine Rückkehr zur sozialen Marktwirtschaft. Dem Vernehmen nach soll auf ein Zurückfahren von Subventionen und stattdessen auf Garantien und Anreize gesetzt werden.
1.500 Gäste werden erwartet
In der ÖVP wurde die Spannung im Vorfeld dieses Auftritts gezielt hochgespielt. Nach der Rede im März des Vorjahres über den Dächern von Wien soll jetzt der "Österreichplan" vorgestellt werden. Daran wird seit einiger Zeit gezielt gearbeitet. Zuletzt bei einer Klausur des Kanzlers mit seinen türkisen Regierungsmitgliedern sowie Klubobmann August Wöginger, Generalsekretär Christian Stocker und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka im Hotel Steigenberger im Krems.
Der "Österreichplan" soll an die 60 Seiten umfassen, wobei die Themen Leistung - in diesen Kapiteln finden sich auch die Steuersenkungen für die Mittelschicht -, Familie und Sicherheit im Vordergrund stehen. Er dürfte so etwas wie eine Art Regierungsprogramm mit Blick auf das Jahr 2030 sein. Jene Jahreszahl, auf die auch schon im Vorjahr die Rede von Karl Nehammer ausgerichtet war. "Ob davon noch etwas mit den Grünen in dieser Regierung umgesetzt wird oder ob es dann ein Programm für die kommende Bundesregierung wird, wird man sehen", so die Auskunft aus der ÖVP. Dass es auch bereits eine Wahlkampfrede sein wird, wird von der ÖVP zurückgewiesen.

Kanzler Karl Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler: Die Grünen wollen sich von der Rede in Wels nicht irritieren lassen.
Jedenfalls werden in Wels an die 1.500 Gäste erwartet. Die Rede selbst soll an die 50 Minuten dauern, wobei damit gerechnet wird, dass der Kanzler da überzieht. Wobei auch klargestellt wird, dass der "Österreichplan", der danach auch online gestellt wird, nur die Grundlage der Rede ist. Wie sehr Karl Nehammer auch auf parteipolitische Entwicklungen und auf die Konkurrenz eingehen wird, ist unklar.
Neuwahlen stehen immer noch im Raum
Immerhin ist die FPÖ in den vergangenen Tagen nicht nur wegen der Finanzaffäre in Graz, sondern vor allem wegen des Treffens rechtsextremer Kräfte in Potsdam - darunter auch Martin Sellner von den Identitären in die Defensive geraten. Ob Karl Nehammer da in seiner Rede nachlegen wird, bleibt abzuwarten.
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Gespannt kann man sein, wie die ÖVP nach der Grundsatzrede mit dem Thema "vorgezogene Neuwahlen" umgehen wird. Öffentlich werden solche Überlegungen immer wieder beiseitegeschoben, im Hintergrund tauchen sie dennoch wieder auf. Bisher hat man von der ÖVP ja nur gehört, dass es der Plan sei, erst im September regulär zu wählen. Eine definitive Absage an Neuwahlen klingt anders. Im Gegensatz dazu haben die Grünen klargemacht, dass sie erst im September wählen wollen.
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