Kann man Staatsbürgerschaften aberkennen?
Hier muss man zwischen einfachen Staatsbürgern und Doppelstaatsbürgern unterscheiden. Wenn jemand nur österreichischer Staatsbürger ist, kann er die Staatsbürgerschaft nur in seltenen Ausnahmefällen verlieren. Denn: „Nach dem für Österreich geltenden Völkerrecht, insbesondere dem Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit, muss sichergestellt werden, dass Staatsbürger nicht staatenlos werden“, sagt Europa- und Völkerrechtler Walter Obwexer zum KURIER. Heißt: Eine Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft ist meist nur möglich, wenn der Betroffene eine zweite Staatsbürgerschaft hat.
Kickl will Personen, die sich wider die Grundprinzipien der österreichischen Kultur verhalten, die Staatsbürgerschaft wieder entziehen. Ist das aktuell möglich?
Nein. Nur in folgenden Ausnahmefällen kann ein einfacher Staatsbürger die Staatsbürgerschaft verlieren: Beitritt zu einer fremden staatlichen Armee oder erhebliche Schädigung der Interessen der Republik im Ausland. In beiden Fällen ist es erlaubt, dass die Person staatenlos wird. Die Aberkennung einfacher Staatsbürgerschaften wegen anderer Gründe sei nur möglich, wenn Österreich all seine völkerrechtlichen Verpflichtungen kündigen würde, betont Obwexer.
Und dann?
„Mit der Aberkennung der Staatsbürgerschaft hätte die staatenlose Person zwar kein Aufenthaltsrecht mehr, ausgewiesen werden könnte sie aber nur, wenn ein anderer Staat sie aufnimmt und auch grundrechtskonform behandelt“, sagt Obwexer. Er halte die Debatte nicht für zielführend: „Ich glaube, Österreich sollte sich vielmehr verstärkt darum bemühen, dass Staatsbürger unsere Werte teilen. Man kann auch über rechtliche Verschärfungen bei Doppelstaatsbürgern reden.“
➤ Mehr lesen: Plakolm: "Einmal strenger bei 14-jährigem Asylwerber hinlangen"
Wann kann Doppelstaatsbürgern der österreichische Pass entzogen werden?
Doppelstaatsbürgerschaften sind nur in Ausnahmen legal. Etwa, wenn ein Kind einen österreichischen und einen ausländischen Elternteil hat. Und selbst bei illegalen Doppelstaatsbürgerschaften sei die Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft sehr schwierig, erklärt Obwexer. Das hat die Debatte über Personen mit illegalen österreichisch-türkischen Doppelstaatsbürgerschaften gezeigt. Die Republik wollte ihnen die österreichische Staatsbürgerschaft ex lege entziehen, der Europäische Gerichtshof (EuGH) wies das zurück.
Warum?
Die Personen sind auch Unionsbürger. Die Unionsbürgerschaft kann man verlieren, wenn eine echte Bindung zum EU-Staat dauerhaft wegfällt, aber es gelten strenge Voraussetzungen. „Hier muss im Einzelfall geprüft werden, ob der Verlust der Unionsbürgerschaft verhältnismäßig ist. Auch dann, wenn die Person ein schweres Verbrechen begangen hat“, sagt Obwexer. Bei der Prüfung werden viele Faktoren abgewogen und berücksichtigt: die Bindung zur Familie, das Kindeswohl und die berufliche Tätigkeit.
➤ Mehr lesen: Brisante SPÖ-Anträge zu Recht auf Staatsbürgerschaft
In Österreich geborenen Staatsbürgern kann man laut Kickl die Staatsbürgerschaft nicht entziehen. Richtig?
Falsch. Bei Doppelstaatsbürgern komme es, „abweichend von der Aussage des FPÖ-Klubobmanns, nicht darauf an, ob die Menschen in Österreich geboren wurden oder nicht“, sagt Obwexer.
Wie häufig wird Österreichern die Staatsbürgerschaft aberkannt?
Äußerst selten. Eine zentrale Statistik gibt es laut Innenministerium (BMI) nicht. Prinzipiell verleihen die Ämter der Landesregierung die Staatsbürgerschaft – und können sie auch wieder aberkennen. Die Aberkennungen würden in den unterschiedlichen Bundesländern im niedrigen zweistelligen Bereich liegen, heißt es aus dem BMI. Man geht bundesweit von 10 Aberkennungen pro Jahr aus.
Kommentare