Die beiden Anträge zur Staatsbürgerschaft wurden von der Bezirksorganisation Alsergrund verfasst. Einer fordert unter dem Titel "Staatsbürgerschaft als Recht statt als Privileg zu begreifen", dass selbst bei schweren Verbrechen die Staatsbürgerschaft nicht entzogen werden kann. Interessanterweise wird dieser Antrag mit Hinweis auf das Terrorattentat vom 2. November 2020 aufgezogen. Da wird kritisiert, dass von sozialdemokratischer Seite nicht entschieden zurückgewiesen worden wäre, dass dem Attentäter die Staatsbürgerschaft gar nicht entzogen werden hätte können.
Zitat: "Die Staatsbürgerschaft ist kein Privileg, das für geleistete Verdienste, oder lediglich bedingt für die Dauer der Einhaltung gewisser Kriterien verliehen wird. Sie ist ein Recht, welches man als Mitglied unserer Gesellschaft nach Erfüllung gewisser Kriterien erwirbt." Und: "Auch im Fall von schweren Verbrechen wird sie nicht entzogen. Hier eine zweite Klasse von Staatsbürger*innen zu definieren, welche die Staatsbürgerschaft nur "bis auf Widerruf" besitzt, stets bedroht vom Entzug derselben, folgt dem klassisch nationalistischen Narrativ von den "echten Österreichern" gegen "die Anderen".
"Deswegen sollte der Bundesparteitag folgendes beschließen: "Die SPÖ bekennt sich zu einem Verständnis der Staatsbürgerschaft als ein dauerhaft erworbenes Recht. Sie lehnt eine Zweiklassengesellschaft von Staatsbürger*innen ab. Die SPÖ tritt entschieden gegen Forderungen auf, den Entzug der Staatsbürgerschaft als Mittelzur Ahndung von Straftaten einzusetzen."
Ministeranklage als Drohung
In einem zweiten Antrag der Bezirksorganisation Alsergrund wird das eigenständige Recht auf Staatsbürgerschaft für Jugendliche, die in Österreich aufwachsen, behandelt. Darin geht es um die automatische Staatsbürgerschaft für junge Menschen. "Der große und wachsende Anteil der ÖsterreicherInnen ohne österreichische Staatsbürgerschaft stellt den Anspruch Österreichs, eine Demokratie zu sein, ernsthaft in Frage." Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass die doppelte Staatsbürgerschaft für junge Menschen voll akzeptiert werden soll. Der Antrag im Wortlaut: "Alle langfristig ansässigen und aufenthaltsberechtigten Minderjährigen sowie jene Erwachsenen, die hier aufgewachsen sind, müssen einen Rechtsanspruch auf die Staatsbürgerschaft ohne weitere Voraussetzungen und Bedingungen haben. Es soll nicht erforderlich sein, andere Staatsangehörigkeiten aufzugeben."
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Von der SPÖ Wien liegt weiters ein Antrag zu Afghanistan vor. Da wird gefordert, dass schutzbedürftige Menschen aus Afghanistan in Ländern wie Österreich aufgenommen werden müssen, dass es sichere Fluchtwege nach Europa geben muss und dass es einen sofortigen Stopp aller Abschiebungen nach Afghanistan gibt. Brisant ist in diesem Fall die angehängte Drohung, dass die SPÖ mit einer Ministerklage reagieren müsse, falls das nicht so passiert. Wörtlich liest man dazu: "Sollte die Bundesregierung, allen voran der Innenminister, weiterhin bei ihrer beschämenden und die Menschenrechtskonvention missachtenden Politik bleiben, soll der SPÖ-Nationalratsklub die Möglichkeit einer Ministeranklage prüfen und gegebenenfalls entsprechende Gespräche mit den anderen Parlamentsparteien zur Mehrheitsfindung aufnehmen.
Absage an Doskozil-Kaiser-Papier?
Dass diese Anträge näher an der Migrationspolitik liegen, wie sie der neue Bundesparteivorsitzende Andreas Babler versteht, ist keine Überraschung. Allerdings existiert zur Migration noch immer ein Beschluss aufgrund des SPÖ-Positionspapier "Flucht - Asyl- Migration - Integration", das von den Landeshauptleuten Hans Peter Doskozil (Burgenland) und Peter Kaiser (Kärnten) ausgearbeitet worden ist. Darin sind natürlich hauptsächlich Forderungen zur Integration zu finden. Aber auch bessere Kontrollen der EU-Außengrenzen und verstärkte Anstrengungen bei der Aushandlung von Rückführungsabkommen. Und: "Wer keinen Asylgrund hat, darf nicht bleiben."
Dass die drei Anträge am Parteitag abgesegnet werden, ist aber nach jetzigem Stand unwahrscheinlich. „Ich gehe nicht davon aus, dass die Antragskommission deren Annahme empfehlen wird“, sagt Julia Herr, Leiterin der Kommission. Die Inhalte der Anträge würden weit über die bestehende Beschlusslage der SPÖ zu diesen Themen hinausgehen, deshalb brauche es dazu noch eine weitere interne Diskussion. Zudem würden die inhaltlichen Schwerpunkte bei diesem Parteitag woanders liegen, allen voran beim Thema Teuerung.
Auf die SPÖ-Debatte über den Umgang mit der Staatsbürgershaft reagierte auch Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP): "Ich kann zu den Vorschlägen, die wieder aus der SPÖ Wien zur Staatsbürgerschaft kommen, nur den Kopf schütteln. Die SPÖ denkt jetzt offenbar auch an einen Ausbürgerungsstopp für Schwerverbrecher. Ich kann mich hier nur wiederholen: Das wird es mit uns nicht geben. Die Staatsbürgerschaft ist ein hohes Gut und darf nicht verschenkt werden. Wer nach Österreich kommt und dann schwere Verbrechen begeht, soll das Land auch wieder verlassen müssen."
Update: Der Artikel wurde um 13.17 Uhr um die Stellungnahme von Julia Herr ergänzt
Weiteres Update: Der Artikel wurde um 19 Uhr um eine Reaktion von Ministerin Susanne Raab erweitert
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