Plakolm: Es ist eine Lebensentscheidung. Ich bin absolut gegen Lockerungen in diesem Bereich, und ich sehe auch keine falschere Geste, als nach dem Rekord-Asyljahr 2022 – mit 112.000 Asylanträgen – auch noch Staatsbürgerschaften zu verschenken.
Pollak: Es ist keine Lebensentscheidung. Kinder und Jugendliche sind abhängig vom Einkommen der Eltern. Und die Staatsbürgerschaft haben Sie und ich auch geschenkt bekommen. Ein Staat ohne verschenkte Staatsbürgerschaften wäre ein Staat ohne Demokratie.
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Laut dem Österreichischen Integrationsfonds hat erst die Hälfte der Flüchtlinge, die 2015 gekommen sind, einen fixen Job. Was gelingt nicht in der Integrationspolitik?
Plakolm: Man sollte nicht alle in einen Topf werfen. Es gibt eine große Gruppe junger Menschen, die bereit sind, die Sprache zu lernen, sich in die Gesellschaft und am Arbeitsmarkt zu integrieren. Es gibt aber auch solche, die wiederholt und permanent negativ auffallen, indem sie sich ein durch Sozialleistungen sicheres Leben in Österreich mit Gewaltexzessen aufregender gestalten. Ich bin auch für das Ehrenamt zuständig und kann nur sagen: Es gibt genug Angebote neben Schule und Arbeitsplatz, sich zu integrieren. Die Menschen müssen das aber auch wollen.
Warum nehmen viele diese Möglichkeiten nicht wahr?
Pollak: Wenn die Hälfte den Weg in den Arbeitsmarkt geschafft hat, ist das nicht so wenig. Die Hürden sind sehr hoch. Das beginnt mit dem Erlernen der Sprache oder der schwierigen Anerkennung von Qualifikationen. Und Asylsuchende haben während des Verfahrens gar keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Viele würden gerne arbeiten, dürfen aber nicht. Während Österreich dringend Fachkräfte sucht, werden qualifizierte Leute außer Landes gebracht. Das ist ein Irrsinn.
Plakolm: Wenn man einen Arbeitsplatz mit einer Asyl-Garantie verbindet, ist das Asyl durch die Hintertür. Ja, wir brauchen definitiv mehr qualifizierte, geordnete Zuwanderung. Aber sieben von zehn Asylwerbern, die nach Österreich kommen, sind Analphabeten. Sie zu integrieren, ist ungleich schwieriger.
Pollak: Dass sieben von zehn Analphabeten sind, stimmt insofern nicht, als die Hälfte davon in der Herkunftssprache alphabetisiert ist – nicht in lateinischer Sprache.
Plakolm: Es ist aber ein Faktum, dass es Analphabeten in der lateinischen Sprache viel schwerer haben, Deutsch zu lernen.
Pollak: Genau, für einen Teil ist es schwierig. Und deswegen geht es beim Asylrecht auch nicht um das wirtschaftliche Brauchen, sondern um Menschenrechte und Schutz. Die Asylmigration ist eine andere als die Arbeitsmarktmigration, die wesentlich zu Österreichs Wohlstandswunder beigetragen hat.
Frau Staatssekretärin, Ihr Wiener Parteikollege Karl Mahrer hat zuletzt Videos gedreht, die beinahe suggerieren, Wien habe die Türkenbelagerung verloren. Ist das ein politisches Klima, das Integration erleichtert?
Plakolm: In Wien haben wir extreme Herausforderungen. Jeder, der das negiert, kennt den Alltag in Schulen und Kindergärten nicht. Es gibt einen Teil, der sich integriert. Wer aber glaubt, dass er über dem Gesetz steht und sich auch so benimmt, muss auch die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. Da bin ich definitiv auch dafür, dass wir einmal strenger bei einem 14-jährigen Asylwerber hinlangen, als dass sich elfjährige Mädchen abends nimmer heimgehen trauen.
Inwiefern „hinlangen“?
Plakolm: Indem wir abschreckende Präzedenzfälle schaffen. Es reicht einfach nicht, wenn wir bei Minderjährigen nur die Eltern ermahnen, dass sie ihren Betreuungspflichten nicht nachkommen.
Pollak: Also Gesetze gehören für alle gleich angewendet, unabhängig von der Herkunft der Person. Aber ich habe Ihre Frage etwas anders verstanden: Herr Mahrer hat sich Methoden angeeignet, die wir bisher nur von den extremistischen Rändern kennen. Er hat sich auf einen Markt gestellt und dort ein Video gedreht, um gegen Syrer und Afghanen aufzuwiegeln, die dort Marktstände betreiben. Es ist besorgniserregend, dass etwas in die politische Mitte rückt, was bisher nur am extremistischen Rand war.
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Laut dem Institut für Sozialforschung ist Antisemitismus in arabischen und türkischen Communitys deutlich stärker ausgeprägt. Ist zu viel Zuwanderung aus gewissen Kulturkreisen ein Problem?
Pollak: Natürlich gibt es Konfliktpotenzial, wenn Menschen aus Kriegs- oder Konfliktregionen kommen. Dann besteht die Gefahr, dass ein Teil dieser Konflikte auch hier ankommt. Deshalb ist es ganz wichtig, dass diese Leute Zugang zu Bildung, Arbeit und auch sozialen Kontakten haben, damit solche Konfliktherde eben nicht hier weiter brodeln. Die Studie ist besorgniserregend.
Plakolm: Extremismus, egal ob religiös oder politisch motiviert, ist Gift für die Gesellschaft. Wir müssen stärker überlegen, wie wir dem entgegentreten können. Aber ich sehe die Verantwortung schon ganz klar bei den Glaubensgemeinschaften, sich nach außen von diesem Gedankengut zu distanzieren. Hier muss Nulltoleranz gelten.
Pollak: Offiziell tut das die Islamische Glaubensgemeinschaft auch. Aber ich denke, es braucht mehr. Es braucht eine gesamtgesellschaftliche Strategie gegen Hassideologien, weil die eben nicht nur von zugewanderten Menschen kommen.
Plakolm: Definitiv. Ich möchte noch hinzufügen: Man hat aktuell null Handhabe, wie man etwa Hasspredigern auf TikTok begegnen kann. Also diese Radikalisierung von jungen Menschen, die passiert vielerorts nicht nur analog, sondern auch digital, im Versteckten.
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Laut Volkshilfe sind 324.000 Kinder und Jugendliche in Österreich armutsgefährdet. Die Regierung zahlt armutsgefährdeten Familien heuer 60 Euro pro Monat und Kind zusätzlich. Reicht das?
Pollak: Ganz klar: Nein. Aus meiner Sicht bräuchte es das, was es für Unternehmen gegeben hat: Eine „Koste es, was es wolle“-Politik. Wir brauchen eine Kindergrundsicherung. Es sind insbesondere alleinerziehende Frauen betroffen und ich bin schon erstaunt, dass diese überschaubare Menge an Personen nicht viel besser unterstützt wird. Österreich ist eines der reichsten Länder der Erde.
Plakolm: Eine der obersten Prioritäten in der österreichischen Familienpolitik hat definitiv die Eindämmung von Armutsgefährdung bei Kindern. Wir sind im internationalen Vergleich im europäischen Vergleich im Spitzenfeld, was Leistungen für Familien betrifft. Es hat sich Gott sei Dank im Jahresvergleich bereits gezeigt, dass unsere Maßnahmen in der Familienpolitik dazu geführt haben, dass die Armutsgefährdung zurückgegangen ist.
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