Lohnnebenkosten senken: Ist das eine gute Idee?

Lohnnebenkosten senken: Ist das eine gute Idee?
Kanzler Karl Nehammer will die Lohnnebenkosten senken. Die Neos wollen das sowieso, FPÖ und Grüne prinzipiell auch. Worum es dabei geht, was dafür und was dagegen spricht.

Wenn Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Freitag seinen „Österreichplan“ in Wels präsentiert, wird er für die Senkung von Lohnnebenkosten plädieren. Was für und gegen diese Maßnahme spricht und wie sich die anderen Parteien positionieren.

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Was sind überhaupt Lohnnebenkosten?

Ein Lohn setzt sich aus folgenden Teilen zusammen: Nettogehalt, Lohnsteuer und zusätzliche Abgaben, die sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen. Die Arbeitgeber-Abgaben nennt man auch Lohnnebenkosten. Zu diesen zählen Versicherungsbeiträge, aber auch die Kommunalsteuer, Arbeiterkammerumlage oder Wohnbauförderung. Der ÖGB zählt auch das 13. und 14. Monatsgehalt zu den Lohnnebenkosten. Neos-Vertreter attestierten den roten Gewerkschaftern deshalb ökonomisches Mangelwissen. Diese Debatte sei „künstlich aufgebauscht und führt zu nichts“, sagt WIFO-Ökonom Simon Loretz zum KURIER. „Tatsache ist, dass der Faktor Arbeit in Österreich relativ teuer ist und dass dies auch zum Teil mit Abgaben zusammenhängt.“

Wie hoch sind in Österreich Lohnnebenkosten?

Verdient ein Arbeitnehmer ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt von 3.383 Euro (Zwölftel eines Jahresgehalts von 40.600 Euro), entstehen dem Arbeitgeber laut einer Berechnung des wirtschaftsliberalen Thinktanks Agenda Austria zusätzlich Lohnnebenkosten von 998 Euro. Aktuell liegt der Anteil der Arbeitgeber-Abgaben bei rund 29,5 Prozent des Bruttolohns. Im EU-Vergleich hatte Österreich 2022 die fünfthöchsten Lohnnebenkosten.

Lohnnebenkosten senken: Ist das eine gute Idee?

Was spricht dafür, Lohnnebenkosten zu senken?

„Dass Arbeit in Summe billiger wird“, sagt Loretz. Die Gewinne des Betriebs steigen, er kann also mehr Arbeitnehmer anstellen und/oder höhere Löhne bezahlen. Natürlich könnte der Betrieb die Gewinne auch behalten, wovor ÖGB und SPÖ warnen. Studien zeigen aber, dass Arbeitnehmer zumeist von der Abgabensenkung profitieren. „Üblicherweise profitiert niemals nur eine Seite des Marktes, sondern beide Seiten, relativ zu ihrer Verhandlungsposition“, sagt Loretz.

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Was spricht gegen eine Senkung?

Aus Lohnnebenkosten werden staatliche Leistungen finanziert. Werden sie gesenkt, gibt es zwei Möglichkeiten: die Leistungen zu kürzen oder die entfallenen Einnahmen aus dem Steuertopf zu bezahlen. In der aktuellen Lage bestehe aber wenig budgetärer Spielraum, sagt Loretz. Die Schuldenquote – die Staatsverschuldung in Relation zur Wirtschaftsleistung – bleibt laut Finanzministerium bis 2027 bei über 76 Prozent. Laut einer WIFO-Prognose steigt sie bis 2060 auf 120,6 Prozent an.

Welche Lohnnebenkosten könnte man senken?

In der aktuellen Debatte geht es um Punkte wie den Familienlastenausgleichsfonds (FLAF). Agenda-Austria-Ökonom Dénes Kucsera fordert, diesen aus dem Steuertopf zu finanzieren. „Es ist nicht unbedingt nachvollziehbar, warum die Dienstgeber die Familienleistungen über Lohnnebenkosten finanzieren sollen. Die Senkung der Lohnnebenkosten ist aus dieser Sichtweise sicher überlegenswert“, sagt auch Loretz. Das Problem sei die Gegenfinanzierung. „Eine simple Überführung ins allgemeine Bundesbudget ist zwar möglich, aber angesichts der aktuellen Budgetdefizite auch nur bedingt wünschenswert.“

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Wie positionieren sich die Parteien?

  • ÖVP: Die ÖVP will die Steuer- und  Abgabenquote auf unter 40 Prozent des BIP senken. Ein Versprechen, das auch Ex-Kanzler Sebastian Kurz im Wahlkampf 2017 machte – und nicht hielt. Im neuen Anlauf will die ÖVP  die Lohnnebenkosten bis 2030 jährlich um 0,5 Prozentpunkte senken. Sparpotenzial sieht sie bei den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen und den Familienleistungen – Details sollen folgen. Kosten: rund 800 Millionen Euro pro Jahr.
     
  • Grüne: Grünen-Budgetsprecher Jakob Schwarz hält eine Umschichtung in jenen Bereichen, die keine Versicherungsleistungen sind, für „vorstellbar“ – etwa  beim FLAF oder der Kommunalsteuer. Schwarz plädiert aber für eine schlüssige Gegenfinanzierung. Hier wären unter anderem Vermögenssteuern – ein grundlegendes Anliegen der Grünen – sein Mittel der Wahl: „Sonst würde ein Milliardenloch im Budget entstehen.“
  • SPÖ: ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian betonte zum Jahreswechsel, dass ihm die Debatte um eine Senkung der Lohnnebenkosten „auf den Hammer“ gehe – vor allem, weil es aus seiner Sicht keine konkreten Vorschläge gebe. Auch SPÖ-Parteichef Andreas Babler sprach sich wiederholt gegen eine Senkung der Lohnnebenkosten aus. Er kann sich aber Lohnsteuersenkungen vorstellen. Gegenfinanzierung: Vermögens- und Erbschaftssteuern.
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  • FPÖ: FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch hält eine Senkung für „überfällig“. Potenzial sieht sie beim FLAF und den Kommunalabgaben. Zentraler Punkt der FPÖ ist aber die Abschaffung der Kammerumlage für die WKÖ. Was Belakowitsch zur Gegenfinanzierung vorschlägt: Streichung der CO2-Bepreisung, Abschaffung der ORF-Haushaltsabgabe, Durchforsten der Ausgabenstruktur bei Corona-Maßnahmen.
     
  • Neos: Die deutlichste Senkung der Lohnnebenkosten schlagen die Neos vor. Sie treten dafür ein, diese direkt um 6,55 Prozentpunkte auf den OECD-Schnitt zu senken. Kosten: Laut unterschiedlichen Schätzungen zwischen sieben bis zehn Milliarden Euro.  Und die Gegenfinanzierung? Laut Neos würden die Gehälter und damit auch die Steuereinnahmen steigen. Großes Sparpotenzial sehen die Pinken unter anderem bei den Pensionen

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