ÖVP-Ministerin Susanne Raab: "Mir ist jedes Mittel Recht"
Ihre Agenden sind Frauen, Familie, Integration und Medien, ihre vorrangige Aufgabe derzeit: die künftige ORF-Finanzierung.
KURIER: "Sie sind keine Feministin“, sagten Sie bei Ihrem Amtsantritt. Hat sich das in den vergangenen drei Jahren geändert?
Susanne Raab: Das stimmt so nicht. Ich habe immer gesagt: Ich will mich selbst definieren. Ich sehe mich als Kämpferin für Frauen und mag generell Rollenzuschreibungen nicht. Ich habe das selbst erlebt: Als ich Mutter wurde, nach zwei Monaten wieder gearbeitet habe, nannten mich einige Rabenmutter. Andere Frauen werden als Hausmütterchen bezeichnet. Und: Ich habe großen Respekt vor allen feministischen Frauenorganisationen und was sie für Frauen leisten. Wir haben gemeinsam in den letzten drei Jahren viel geschafft und ich arbeite gut und gerne mit allen Organisationen zusammen, die etwas für Frauen in unserem Land weiterbringen wollen.
Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock plädiert für eine "feministische Außenpolitik“. Können Sie dem etwas abgewinnen?
Ich war viele Jahre im Außenministerium beschäftigt und habe gesehen, wie wichtig es ist, dass Botschafterinnen die gläserne Decke durchbrechen. Es geht auch in der Diplomatie darum, ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu haben, denn Frauen bringen einen anderen Blick auf die Welt ein. Ich will auch, dass Österreich durch starke Frauen nach außen vertreten wird.
Hat der Krieg hier etwas verändert? Man sagt immer, es sind Männer, die Kriege führen.
Das kann man nicht pauschal beantworten. Ich bemerke jedenfalls bei jeder Verhandlung, dass Frauen andere Lösungs- und Konfliktstrategien als Männer mitbringen und dass sie besonders konsensorientiert sind. Das ist ein Mehrwert.
Kann die Frauen-Quote da helfen?
Ich habe immer gesagt: Die Quote in Aufsichtsräten oder Vorständen ist kein Allheilmittel, weil es dort um wenige Frauen in hochdotierten Positionen geht. Aber: Die Sichtbarkeit der Frauen wird durch die Quoten gestärkt.
Reine Männeretagen sind nicht mehr zeitgemäß. Studien belegen: Wenn Frauen mit an Bord sind, dann ist am Ende der wirtschaftliche Erfolg der Unternehmen größer. Die Debatte überholt uns sowieso, da es eine neue EU-Richtlinie gibt, die genau diese Quoten vorsieht. Diese werden wir in Österreich natürlich umsetzen.
Wie soll die Richtlinie bis 2026 umgesetzt werden und nach welchem Modell: 40 Prozent in Aufsichtsräten oder 33 Prozent in Aufsichtsräten und Management?
Die Verhandlungen liegen bei Arbeitsminister Kocher. Mir ist jedes Mittel Recht, das zu mehr Sichtbarkeit von Frauen führt.
Müssen Sie als Frauenministerin Männer mehr in die Pflicht nehmen?
Es muss möglich sein, Familie und Beruf zu vereinbaren. Und es muss möglich sein, dass Mütter arbeiten gehen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Gleichzeitig müssen wir die Männer mit an Bord holen. Es ergibt keinen Sinn, Frauenpolitik zu machen, die sich gegen Männer richtet. Wir müssen auch die Väter stärken und jene vor den Vorhang holen, die in Karenz gehen. Deshalb wird es demnächst eine Väter-Kampagne mit männlichen Role-Models geben.
Oft scheitert es ja nicht am Willen der Väter, die Kinder zu betreuen, sondern daran, dass sie besser verdienen, als die Mütter.
Richtig! Die harten Fakten sind: Frauen erhalten immer noch für dieselbe Arbeit bei gleicher Qualifikation weniger Geld als Männer - das ist inakzeptabel. In Oberösterreich wird das Einstiegsgehalt für Pädagoginnen jetzt auf 2.950 Euro angehoben. Das ist nur grundvernünftig, weil den Beruf hauptsächlich Frauen ausüben und sie einen wesentlichen und wichtigen Beitrag zur Gesellschaft leisten. Nur eine flächendeckende Kinderbetreuung ermöglicht überhaupt eine Wahlfreiheit, wer in Karenz geht.
Einige bleiben freiwillig länger zu Hause oder arbeiten lieber weniger.
Es geht darum, eine informierte Entscheidung zu treffen. Im neuen Eltern-Kind-Pass wird es deshalb jetzt ein neues, verpflichtendes Modul geben. Dabei müssen Eltern ein Beratungsgespräch absolvieren, in dem sie über die Konsequenzen von Karenz bzw. Teilzeitarbeit und auch die Möglichkeit des Pensionssplittings informiert werden.
Wie informieren Sie die Älteren, die Kinderlosen, die das nicht betrifft?
Deshalb begrüße ich ja die Debatte über die Vor- wie Nachteile von Teilzeit, wenngleich sie nicht auf dem Rücken der Mütter ausgetragen werden darf.
Es wird oft nicht debattiert, sondern ideologisiert.
Das sehe ich anders.
Wir müssen über den Leistungsbegriff sprechen. Es ist eine Leistung, arbeiten zu gehen und auch eine Leistung, Kinder zu erziehen. Die Wahlfreiheit, dass Familien auch länger ihre Kinder zu Hause betreuen möchten, steht nicht zur Disposition. Gleichzeitig müssen wir darauf achten, dass die Errungenschaften unseres Sozialsystems weiter bestehen und sich finanzieren lassen. Deshalb müssen wir Anreize schaffen, damit mehr Menschen Vollzeit arbeiten. Ich meine da vor allem die Jungen, die nach der Ausbildung in den ersten Jobs 30 Stunden oder weniger arbeiten wollen.
Wie kann die Politik verhindern, dass das Gros der Jungen, die Teilzeit arbeiten, nicht im Alter in prekären Verhältnissen lebt?
Eine Maßnahme gegen Altersarmut wäre das automatische Pensionssplitting, hier liegt der Vorschlag beim Koalitionspartner. Dass die derzeitige Variante so wenig in Anspruch genommen wird, hat damit zu tun, dass zu wenige darüber Bescheid wissen und weil man in der Jugend andere Sorgen hat, sich weniger Gedanken über das Alter macht.
"Leistung muss sich lohnen“. Das war ein Leitsatz von Sebastian Kurz. Jetzt sprechen wir von Anreizen für Vollzeitarbeit. Was ist da in er Zwischenzeit passiert?
Corona hat sicher - das zeigen auch Studien - viel verändert und beschleunigt wie beispielsweise Homeoffice. Gleichzeitig führt der Arbeitskräftemangel dazu, dass Menschen sich den Job aussuchen können und nicht die Unternehmer, die suchen. Bei den Jungen sehe ich zudem, dass die Unerreichbarkeit, sich etwas schaffen und leisten zu können, dazu führt, dass sie weniger arbeiten. Frühere Generationen konnten sich leichter Wohlstand aufbauen.
Als Integrationsministerin gefragt: Wir werden den Arbeitskräftemangel nur durch Zuzug bewältigen. Gleichzeitig verfolgt die Regierung eine rigide Migrationspolitik. Wer soll überhaupt zu uns kommen wollen und woher?
Wir hatten sehr viel Zuwanderung über das Asylwesen. Die Fluchtmigration deckt aber vielfach nicht den Arbeitskräftebedarf – sei es wegen minderer Qualifikation oder mangelnden Sprachkenntnissen.
Wir müssen Menschen, die langfristig hierbleiben dürfen, schneller in den Arbeitsmarkt integrieren und Deutschkurse parallel forcieren.
Ist die Rot-Weiß-Rot-Karte das probateste Mittel, um qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland zu holen?
Sie ist ein gutes Instrument, das entbürokratisiert und reformiert wurde. Man muss beispielsweise nicht mehr einen Wohnsitz im Inland angeben, ehe man einen Antrag stellt.
Sind Sie für die Hörbarkeit von Frauen – das Gendern?
Sprache schafft Realität. Ich spreche immer Frauen und Männer an. Man kann das, denke ich, gut und pragmatisch im Sprachgebrauch lösen, ohne, dass es unlesbar oder kompliziert wird.
In Deutschland und Österreich wurde viel über Geschlechtsidentität diskutiert. Warum?
Gemäß VfGH-Erkenntnis gibt es ein drittes Geschlecht und deshalb sind beispielsweise Formulare der öffentlichen Hand mit männlich, weiblich und divers ausgestaltet. Entscheidend ist, dass Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung oder Identität keinen Platz in Österreich hat.
Sind Sie für eine Unterhaltsgarantie?
Sie steht nicht im Regierungsprogramm. Es gibt aber jetzt schon den Unterhaltsvorschuss. Wenn Eltern ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen, springt der Staat ein.
Sie sind für Frauen, Familien, Integration und Medien zuständig. Wie viel Zeit haben Sie für Frauenpolitik?
Mein Zugang ist, dass Frauenpolitik alle Lebensbereiche durchdringen muss. Egal, ob Integration, Familie oder Medien. Die Medienförderung fällt z.B. höher aus, wenn Frauen gefördert werden. Und: Frauenpolitik wird nicht nur im Frauenressort gemacht, sondern auch in der Bildung, im Innenressort, in der Justiz etc.
Apropos Medien. Gab es mit den Grünen schon ein Gespräch betreffend ORF?
Wir sind am Beginn der Verhandlungen, die Gespräche sind am Laufen.
Ist die ÖVP geschlossen für die Idee der Haushaltsabgabe statt der GIS?
Das VfGH-Erkenntnis gibt vor, dass wir eine andere Finanzierung finden müssen. Es ist meine Aufgabe, diese Finanzierung zu lösen.
Kommentare