Feministische Außenpolitik: "Viel mehr als nur Networking"

Ein Treffen, perfekt für ein Selfie in den sozialen Medien: Zehn Außenministerinnen hatte Deutschlands Annalena Baerbock kürzlich zum gemeinsamen Frühstück auf der Münchner Sicherheitskonferenz um sich versammelt. „We’re getting there“ steht unter dem Foto auf Twitter. Mit zehn ihrer Kolleginnen bricht Österreichs Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) – ähnlich medienwirksam – in wenigen Tagen ins Krisenland Moldau auf.
Netzwerken unter Frauen
Eine gute Gelegenheit für Schnappschüsse also, und ein bisschen netzwerken unter Frauen? So einfach wollen sich die Politikerinnen ihre Initiativen nicht abtun lassen. „Feministische Außenpolitik“ sei der Versuch, „historisch gewachsene Machtstrukturen“ aufzubrechen, betont etwa Baerbock, deren Ministerium in wenigen Tagen Leitlinien für feministische Außenpolitik vorstellt. Eine Botschafterin für feministische Außenpolitik soll fix installiert, jedes Hilfsprojekt im Ausland darauf untersucht werden, ob es die Gleichberechtigung von Frauen berücksichtigt – und dazu jene Probleme, die vor allem Frauen betreffen: Sexuelle Gewalt, Diskriminierung.
Andere Sicht auf Politik?
Es gehe darum, ganz konkret, „Frauen und ihre Nöte sichtbarer zu machen“, schildert Edtstadler ihre Bemühungen. Beim gemeinsamen Ministerinnen-Besuch in Kiew etwa stand die Begegnung mit Opfern von Vergewaltigung im Fokus. Die Gespräche fanden nur unter Frauen statt: Da kämen die Dinge offener zur Sprache.

"Anders als der männliche Blick"
Frauen hätten eben einen anderen Blick auf gesellschaftliche Probleme, „nicht besser, nicht schlechter, einfach anders als der männliche Blick, der seit Jahrhunderten dominiert.“ Frauen hätten außerdem einen emotionaleren Zugang, das spiegle sich positiv in ihrer Politik wider.
"Toxisches Verhalten" der Männer
Bei diesem Argument widerspricht Kristina Lunz, deutsche Aktivistin und Expertin für feministische Außenpolitik: „Es sind in Wahrheit die Männer, die emotional handeln, wenn sie Kriege ankündigen oder in andere Länder einmarschieren.“ Lunz erkennt darin toxisches Verhalten, impulsive Reaktionen auf Kränkungen.
Eine andere Sicht auf außenpolitische Themen hätten Frauen aber schon, das würden auch Studien zeigen: „Wenn Frauen an Friedensverhandlungen beteiligt sind, geben Regierungen mehr Geld für menschliche Sicherheit und weniger für Militarisierung aus“, so die Expertin. Das liege vor allem an „unserer patriarchalen Gesellschaft“, die erzeuge unterschiedliche Sicherheitsbedürfnisse und Gewalterfahrungen für Männer und Frauen. Das Geschlecht ist hier natürlich nicht der einzige Faktor: „Einen weißen Mann hält im Alltag etwas ganz anderes sicher als eine Frau mit Fluchthintergrund.“
Fürsorgen für andere
Feministische Außenpolitik ist also Sicherheitspolitik, die Probleme erfasst, die vor allem Frauen betreffen. Frauen könnten die Probleme benachteiligter Gruppen besser erfassen: „Die Pflegearbeit liegt noch immer überwiegend in den Händen der Frauen – von uns wird deshalb das Mitdenken und Fürsorgen für andere von klein auf erwartet“, so Lunz.
Für mehr Frauen in der Politik brauche es aber keine eigene Begründung: „Eine faire Machtverteilung steht uns einfach zahlenmäßig zu – da können Frauen eine noch so gute oder schlechte Politik machen.“ Lunz hält die feministische Außenpolitik für die einzig realistische Möglichkeit, weltweit Sicherheit und Frieden für alle zu schaffen. Und diese Politik sei mehr als Netzwerk-Treffen von Frauen.
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