Teilzeit-Sager: Kocher verärgert Grüne und rudert zurück

Teilzeit-Sager: Kocher verärgert Grüne und rudert zurück
Der Arbeitsminister sprach sich dafür aus, die Sozialleistungen für Teilzeitbeschäftigte zu kürzen.

Große Aufregung hat ein KURIER–Interview mit Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) ausgelöst. Konkret geht es um die Frage, wie Vollzeitbeschäftigung wieder attraktiver werden könnte. Kocher nennt „eine geringere Abgabenbelastung und noch treffsichereren Einsatz von Sozialleistungen“ als Beispiele. 

„In Österreich wird bei Sozial- und Familienleistungen wenig unterschieden, ob jemand 20 oder 38 Stunden arbeitet. Wenn Menschen freiwillig weniger arbeiten, dann gibt es weniger Grund, Sozialleistungen zu zahlen“, sagt Kocher zum KURIER.

Niedrigere Sozialleistungen für Teilzeitkräfte: Diese Aussage sorgt für massive Empörung. Die Regierung wolle bei Familien und Kindern sparen, moniert SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. „Das  lässt erahnen, was von dieser Bundesregierung noch kommt.“  Die FPÖ nennt die Aussage „familienfeindlich“. Und auch der grüne Koalitionspartner kritisiert Kocher. Die Diskussion sei „unangebracht und widerspricht auch der bisherigen Regierungslinie“, sagt Grünen-Sozialsprecher Markus Koza.

Nehammer kalmiert

Der Wirtschaftsbund und der Handelsverband unterstützten Kocher wiederum. Etwas direkter als Kocher formulierte es Christoph Walser, Präsident der Tiroler Wirtschaftskammer, Mitte Jänner. Weniger Arbeitende würden die gleichen Leistungen beziehen wie Fleißige, ärgerte sich Walser: „Man kann die E-Card durchziehen, egal, ob man eine oder 40 Stunden arbeitet.“

Aber: Kocher reagiert noch am Dienstag – und rudert zurück. Es gehe nicht um Kürzungen von Sozialleistungen, sondern darum, bei neuen Maßnahmen, Änderungen und Reformen den Teilzeit-Aspekt stärker zu berücksichtigen.

Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) versucht die Aussage zu relativieren: „Ich unterstütze Martin Kocher. Mitarbeiter werden dringend gesucht. Wir müssen Anreize setzen, um mehr Menschen in Arbeit zu bringen“, meint der ÖVP-Chef. Sozialleistungen stünden außer Streit, es gehe darum, ein „diffiziles System“ zu verbessern, da ersuche er um Geduld. So sei es zum Beispiel für manche Teilzeitbeschäftigte nicht attraktiv, ihr Stundenkontingent aufzustocken, weil sie dann in eine höhere Steuerstufe fallen und unterm Strich vom Mehrverdienst nicht viel übrig bleibe. 

Viele Frauen in Teilzeit

Was Kocher im Interview auch betont: Man müsse die Menschen besser informieren, was längere Teilzeitarbeit bedeutet: „Nämlich eine weit geringere Pension. Es muss darum gehen, eine informierte Entscheidung treffen zu können und das passiert derzeit zu wenig.“ 

Das betonten auch Experten immer wieder. Teilzeit ist in Österreich unter Frauen weitaus stärker verbreitet als unter Männern. Der aktuelle Bericht „Familien in Zahlen“ des Österreichischen Instituts für Familienforschung (ÖIF) zeigt: Bei Frauen mit Kindern unter drei Jahren, die berufstätig sind, arbeiten 83,1 Prozent in Teilzeit – also unter 36 Wochenstunden. Bei Müttern von Drei- bis Sechsjährigen sind es fast ebenso viele (81,5 Prozent). 
Das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo sieht großes Potenzial darin, Teilzeitbeschäftigte auf Vollzeit umzustellen. Doch dafür bräuchte es auch konkrete Vorschläge.

Warnung für langfristigen Folgen

Kocher warnte auch davor, die langfristigen Folgen von Teilzeitjobs zu negieren. "Wer mit 68 Jahren in Pension geht, der erhält deutlich mehr Pension im Monat als bei Pensionsantritt mit 62 Jahren. Aus wirtschaftlicher Betrachtung zahlt es sich jedenfalls aus, länger zu arbeiten", gibt der Arbeitsminister zu bedenken.

Die Unternehmen würden bereits auf die demografischen Veränderungen reagieren und Mitarbeiter bitten, länger im Berufsleben zu bleiben. "Es wird aber auch bei den Sozialpartnern ein Umdenken stattfinden müssen, weil ältere Arbeitnehmer am Ende ihrer Erwerbstätigkeit kollektivvertraglich oft mehr verdienen und damit teurer sind", so der Appell des Ministers.

Zu der geringen Beschäftigungsquote von geflüchteten Menschen aus der Ukraine hielt Kocher fest: "Einige Vertriebene wollen bald in die Ukraine zurückkehren und sehen keine Notwendigkeit, in Österreich zu arbeiten. Andere arbeiten auch im Homeoffice - für ukrainische Firmen. Wie es mittel- und langfristig weitergeht, müssen wir uns natürlich anschauen."

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