Ich hoffe sehr stark, dass wir im Laufe des Frühjahrs auf EU-Ebene eine Entkoppelung von Gas- und Strompreis zustande bringen. Das wäre der entscheidende Schritt, denn das wäre eine Ursachenbekämpfung und nicht mehr eine Symptombehandlung. Das würde Strom substanziell billiger machen und verhindern, dass weitere Standortnachteile für die europäische Wirtschaft entstehen.
Außerdem würde eine Stromverbilligung wohl inflationsdämpfend wirken, oder?
Richtig, man könnte den Strompreis vor allem im Sommer, wenn man wenig Gas-Strom braucht, substanziell nach unten bringen.
Welches Modell der Entkopplung von Strom- und Gaspreis zeichnet sich in der EU ab? Worauf setzen Sie?
Auf das iberische Modell, aber mit Zusatzkomponente. Wir müssen ja Strom aus Gas erzeugen, um das Netz zu stabilisieren, wenn kein Wind weht, keine Sonne scheint, der Wasserstand niedrig ist. Gas-Strom ist teuer, aber eben nur in begrenzter Menge nötig. Das iberische Modell sieht eine Preisobergrenze für alle Stromarten außer den Gas-Strom vor. Wenn Gas-Strom zum Einsatz kommt, und dieser teurer als die eingezogene Strompreisobergrenze ist, gibt es einen Zuschuss für die Differenz zum Marktpreis. Die Zusatzkomponente wäre, das Erzeugen von Gas-Strom mengenmäßig auf das Nötige zu begrenzen, damit nicht zu viel der Mangelware Gas in die Stromproduktion fließt.
Wie ist die Perspektive bei der Gasversorgung? Was hat man aus dem ersten Kriegsjahr gelernt?
Für 2023 hoffe ich sehr, dass wir es schaffen, uns beim Gaseinkauf nicht wieder gegenseitig in Europa die Preise in die Höhe zu treiben. Die europäischen Energieminister haben kürzlich beschlossen, Gas koordiniert zu beschaffen. Auch das wird die Preise senken. Darüber hinaus müssen wir in Europa weiter die Infrastruktur ausbauen, LNG-Terminals und Pipelines errichten und natürlich den Ausbau der Erneuerbaren vorantreiben.
Gutes Stichwort. Für den Ausbau der Erneuerbaren sollten Umweltverträglichkeitsprüfungen beschleunigt werden. Das Gesetz dazu ist aber blockiert, weil die ÖVP, wie wir hören, das Errichten von Chaletdörfern in der Bergwelt hineinschmuggeln wollte. Kriegen Sie das wieder flott?
Wir sind recht weit, ich bin optimistisch, dass wir das Gesetz bald durch den Nationalrat bringen. Außerdem wird demnächst die sogenannte Permitting-Verordnung der EU in Kraft treten, die für den Bau von Infrastruktur im erneuerbaren Energiebereich ohnehin beschleunigte Verfahren erlaubt.
Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist groß. Wie viel Zuwanderung brauchen wir?
Was 2023 passieren wird: Weil die Wirtschaft nicht mehr so stark wächst, wird es nicht mehr so viele offene Stellen geben. Aber beim nächsten Aufschwung wird die Knappheit noch stärker spürbar werden. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Das AMS wird weiter den Fokus auf Qualifizierung legen. Und die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte, die seit Oktober in Kraft ist, dürfte wirken. Die Zahl der Arbeitsbewilligungen ist deutlich gestiegen.
Wer kommt denn?
Menschen aus der Türkei, Indien, vom Westbalkan. Mit diesem Instrument sollte es gelingen, qualifizierten Zuzug und Asylsystem zu unterscheiden. Aber wir haben auch im Inland Arbeitskräftepotenzial. Wir haben zum Beispiel – oft wegen fehlender Kinderbetreuung – die höchste Teilzeitarbeitsquote bei Frauen von ganz Europa. Und es gibt noch andere Stellschrauben, an denen man drehen kann.
Wird die Regierung das Jahr 2023 durchhalten? Die Regierung funktioniert, sie wird bis zum regulären Termin 2024 arbeiten.
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