EU-Kommission erwartet 2023 kaum Wachstum

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EU-Wirtschaftskommissar sieht Wirtschaft in Europa "an einem Wendepunkt". Die meisten Mitgliedstaaten dürften im 4. Quartal 2022 in Rezession rutschen. Höhepunkt der Inflation aber nahe.

Wegen der Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs rechnet die EU-Kommission im nächsten Jahr kaum noch mit Wirtschaftswachstum - aber mit deutlich mehr Inflation als zuletzt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte 2023 im Euroraum nur noch um 0,3 Prozent zulegen, teilte die Brüsseler Behörde am Freitag in ihrer Herbstprognose zur Konjunktur mit. Im Sommer hatte die EU noch 1,4 Prozent veranschlagt. 

"Die Wirtschaft in Europa steht an einem Wendepunkt", sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Denn für das Schlussquartal 2022 gehe die Kommission davon aus, dass die Eurozone und die meisten ihrer Mitglieder in eine Rezession rutschten. Auch Anfang 2023 dürfte das BIP noch schrumpfen. Grund seien große Unsicherheit, hohe Energiepreise, Kaufkraftverluste bei privaten Haushalten, das schwächere globale Umfeld und striktere Finanzierungsbedingungen.

Wegen eines überraschend guten Wachstums in der ersten Jahreshälfte 2022 dürfte die Wirtschaft im Gesamtjahr allerdings um 3,2 Prozent zulegen und damit stärker als noch im Sommer mit 2,6 Prozent gedacht. Die Inflationsrate indes dürfte noch einmal kräftiger steigen als ohnehin schon angenommen. Die Kommission erwartet für 2022 nun 8,5 Prozent.

Höhepunkt der Inflation nahe

"Wir glauben, dass der Höhepunkt der Inflation nahe ist", sagte Gentiloni. Damit sei wahrscheinlich noch Ende dieses Jahres zu rechnen. Im Oktober war die Teuerung in der Währungsunion auf den Rekordwert von 10,7 Prozent geklettert. Das ist mehr als fünfmal so hoch wie das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent. Für 2023 erwartet die Kommission 6,1 Prozent Inflation, die sich 2024 auf 2,6 Prozent deutlich abflauen dürfte.

Bei der Konjunktur trägt Deutschland die rote Laterne. Die deutsche Wirtschaft dürfte nach Einschätzung der Brüsseler Behörde 2023 mit 0,6 Prozent so stark schrumpfen wie kein anderer der Euro-Staaten. In Lettland werde die Wirtschaftskraft im nächsten Jahr ebenfalls fallen, allerdings nur um 0,3 Prozent. Das größte BIP-Wachstum traut die EU erneut Irland zu, wo es um 3,2 Prozent bergauf gehen dürfte.

Wenig negative Folgen für Arbeitsmarkt befürchtet

Für Deutschland ist die Kommission mit ihrer Prognose damit skeptischer als die deutsche Regierung und die Wirtschaftsweisen, die ein Minus von 0,4 Prozent beziehungsweise 0,2 Prozent erwarten. Bisher hatte die Kommission sogar noch 1,3 Prozent Wachstum für 2023 prognostiziert. 2024 dürfte die deutsche Wirtschaft dann um 1,4 Prozent wachsen. Für das laufende Jahr wird ein BIP-Plus von 1,6 Prozent angenommen und damit etwas mehr als im Sommer.

Trotz des starken Gegenwinds für die europäische Wirtschaft befürchtet Gentiloni nur wenig negative Folgen für den Arbeitsmarkt. "Der Jobmarkt ist immer noch sehr stark." Die Lage sei so robust wie seit Jahrzehnten nicht mehr und dürfte sich kaum ändern. Die Arbeitslosenquote in der Euro-Zone werde von 6,8 Prozent in diesem Jahr auf 7,2 Prozent im nächsten Jahr steigen, dann aber 2024 wieder auf 7,0 Prozent fallen. Insgesamt könne auch die EU gestärkt aus der gesamten Krise hervorgehen, sagte Gentiloni. Dafür sei es aber wichtig, dass Europa hier vereinigt zusammenstehe und etwa in Fragen der Energie an einem Strang ziehe.

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