Omikron wird zum Balanceakt: Positive Signale, aber keine Entwarnung
Die Omikron-Variante, die auch in Österreich zunehmend Raum greift, beschäftigt zwischen den Feiertagen Politik und Experten: Am Montag gab es einen Test-Gipfel der Länder und eine Sitzung der neuen gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination – kurz: Gecko.
Bei Gecko wurden noch keine neuen Maßnahmen beschlossen. Es handelte sich, so ein Sprecher, um ein Expertengespräch, um Fragestellungen der Regierung zu bearbeiten. Eine Frage drängt sich ganz besonders auf, wenn man nach Großbritannien blickt: Wenn Omikron infektiöser ist, aber zu milderen Verläufen führt – ist künftig dann nicht mehr die Spitalsauslastung, sondern die Infrastruktur das Problem?
In Großbritannien gibt es bereits Engpässe in der Gastronomie, beim Zugverkehr und im Handel, weil zu viele Mitarbeiter infiziert oder als Kontaktpersonen in Quarantäne sind. Sogar Weihnachtsmänner waren um den 24. Dezember knapp.
Deshalb werden Rufe nach einem Kurswechsel laut: Hohe Infektionszahlen seien bald Normalität, heißt es – man dürfe durch strenge Quarantäneregeln aber nicht die Versorgungssicherheit gefährden.
Es fehlen noch Daten
Was also sagen die Experten? "Ja, es gibt Hinweise, dass die Omikron-Variante leichtere Erkrankungen hervorruft", sagt die Epidemiologin Eva Schernhammer von der MedUni Wien und selbst Mitglied im Gecko-Expertengremium. "Aber man muss auch dazu sagen, dass die Daten noch sehr unvollständig sind und uns vor allem über den Krankheitsverlauf bei Älteren und Ungeimpften noch Informationen fehlen."
Ähnlich wie Simulationsforscher Niki Popper sieht auch Schernhammer mittlerweile eine gute Immunitätslage in der Bevölkerung: Einerseits durch die vielen Infektionen in der Delta-Welle, andererseits durch die relativ hohe Rate an Dreifachgeimpften (rund 40 Prozent). "Aber für Lockerungen ist es sicher noch zu früh."
Man müsse jetzt einmal über die Feiertage kommen und mit mehr Daten mehr Sicherheit gewinnen: "Vor allem müssen wir Gewissheit haben, dass nicht gleichzeitig zu viele Menschen auf einmal erkranken."
Davor warnt auch der Statistiker Erich Neuwirth: „Nach bisherigen Daten ist bei der Omikron-Variante die Generationszeit – also wie lange es dauert, bis von einem Erkrankten zum nächsten Infizierten Symptome auftreten – mit zwei Tagen deutlich kürzer als bei der Delta-Variante“ (vier bis fünf Tage). Diese raschere Verdoppelung der Fälle könnte den Effekt der großteils milderen Krankheitsverläufe aufheben – "und damit trotzdem zu einer Überlastung der Spitäler führen."
Schernhammer und Neuwirth sind sich einig: Vorerst sollte es keine Lockerungen bei den Maßnahmen geben. Es sei verfrüht, darüber zu reden.
Potenzial an Ausfällen
In der heimischen Wirtschaft ist man mit derlei Forderungen vorsichtig, wie ein KURIER-Rundruf zeigt. Es brauche definitiv "intelligente Lösungen", um die Waage zwischen Gesundheitsschutz und Versorgungssicherheit zu halten, sagt etwa Rainer Will, Chef des Handelsverbands.
Ein Beispiel: Gibt es in einer Filiale einen Infektionsfall, müssten alle Kollegen als Kontaktpersonen in Quarantäne – und die Filiale müsste zusperren. Dass sich K1-Personen jetzt schon nach fünf Tagen freitesten können, sei eine Erleichterung, dennoch brauche es eigene Sicherheitskonzepte für die kritische Infrastruktur, sagt Will.
Das Potenzial an Ausfällen sei groß: Von 330.000 Angestellten im Handel ist knapp ein Drittel noch ungeimpft, und auch von den Geimpften ist ein Großteil noch nicht geboostert.
Präventions- und Störungskonzepte
Bei den ÖBB baut man auf eigene Präventionskonzepte: Die 3-G-Regel wurde dort bereits im September eingeführt, laut Schätzungen sind rund 80 Prozent der Mitarbeiter geimpft.
Die interne Corona-Ampel steht auf Rot. Zugführer und Zugbegleiter arbeiten in festen Teams, die einander nicht besuchen dürfen, um zu verhindern, dass bei einem Infektionsfall zu viele „betriebskritische“ Kräfte auf einmal ausfallen. Zudem gibt es für jede Strecke Betriebsstörungskonzepte. Kommt es tatsächlich zu gröberen Ausfällen beim Personal oder bei ausländischen Partnerbahnen, können Züge umgeleitet oder der Fahrplan ausgedünnt werden.
Nach der Gecko-Sitzung am Montagabend wurden übrigens keine Ergebnisse kommuniziert. Dem Vernehmen nach plant die Regierung in nächster Zeit aber keine Verschärfung der Maßnahmen – genauso wenig aber eine Lockerung der Quarantäneregeln.
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