ÖVP-Landeschef Drexler für Schwarz-Rot im Bund: "Hätte Gestaltungskraft"
Im Juli 2022 wurde Christopher Drexler Nachfolger Hermann Schützenhöfers als ÖVP-Landeschef in der Steiermark. Er gibt sich nach einem dreiviertel Jahr im Amt die Note „Gut bis Befriedigend“.
KURIER: Sie gelten in Ihrer Partei als Intellektueller, waren lange Zeit ein Vordenker, Querdenker. Kann man sich das als Landeshauptmann noch erlauben, oder muss man da zwangsläufig ein bisserl langweilig werden?
Christopher Drexler: Ich will mit dem Vorurteil aufräumen, dass ich ein Intellektueller sei. Meine Ansprüche an einen Intellektuellen sind viel höher, als dass ich sie erfüllen könnte. Aber Langeweile ist sicher nicht meine Vision als Landeshauptmann.
Im Jahr 2003 haben Sie sich für Tempo 160 auf der Autobahn ausgesprochen. Würden Sie sagen, dass diese Forderung gut gealtert ist?
Es gehört zu den Vorteilen, die zugleich Nachteile sind, dass man nach einer langen politischen Laufbahn auch alte Positionen neu bewerten kann. Ich glaube, dass ich heute keine Tempolimitdebatte mehr beginnen würde. Insofern gehört die Forderung zu meiner Erbmasse, aber nicht zu meiner aktuellen Agenda.
Das heißt, Sie würden auch keine Debatte über Tempo 100 beginnen?
Die steirische Volkspartei hat bereits 1990 eine Volksbefragung in der Steiermark durchgeführt, bei der es unter anderem um Tempo 100 auf Autobahnen ging. Überraschenderweise hat das keine Mehrheit gefunden. Heute lese ich in einem Medium, dass auch aktuell zwei Drittel gegen Tempo 100 sind. Insofern glaube ich, wir haben adäquate Tempolimits in Österreich und sollten schauen, dass wir die einhalten.
Müssen unbequeme Themen immer mehrheitsfähig sein? Wäre es nicht Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Tempo 100 salonfähig wird?
Ich sehe Tempo 100 nicht prioritär bei der Bewältigung der Klimakrise. Wir haben in der Steiermark ein ambitioniertes Programm, um einen regionalen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Wir wollen rund 850 Hektar Flächen privilegiert für frei stehende PV-Anlagen ausweisen. Das ist ein ausreichend unbequemes Thema. Wir wollen zudem 250 Windkraftanlagen bis ins Jahr 2030 bauen. Auch das ist nicht nur bequem.
Kanzler Karl Nehammer hat in seiner Zukunftsrede Österreich als Autoland bezeichnet. Sehen Sie das auch so?
Österreich, notabene die Steiermark, ist natürlich ein Autoland, weil wir in der Mobilitätstechnologie vorne sind. Im Übrigen auch, wenn es darum geht, neue, klimaneutrale Technologien zu entwickeln.
Sie glauben wirklich, das hat der Kanzler gemeint?
Der Individualverkehr wird uns nie verlassen. Wenn wir Menschen im ländlichen Raum Zukunftschancen eröffnen wollen, ist er unabdingbar. Österreich besteht nicht nur aus urbanen Räumen, in denen der totale Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel leicht organisierbar ist. Wir brauchen also Technologien, Forschung und Entwicklung – alles Stärken der Steiermark. Um diese Technologieoffenheit ist es dem Kanzler gegangen. Nachher ist ihm das Wort im Mund umgedreht worden, um ihn ins Eck der Klimawandelleugner zu rücken.
Sie haben sich in einem KURIER-Interview unlängst als ein „Quäntchen rechts der Mitte“ bezeichnet. Wie gefällt Ihnen Schwarz-Blau in Niederösterreich?
Das Besondere an der Steiermark ist, dass wir nicht nur eine Regierung haben, die arbeitet, sondern eine, die zusammenarbeitet. Das ist bekanntlich eine bürgerlich-sozialdemokratische Regierung, also eine schwarz-rote Regierung. Ich glaube, dass – vielen Schmähungen zum Trotz – schwarz-rote oder rot-schwarze Koalitionen eine gehörige Gestaltungskraft haben. Das sehe ich nicht nur in der Steiermark, sondern darüber hinaus. Meine Präferenz ist klar.
Wäre eine Zusammenarbeit von ÖVP und SPÖ im Bund derzeit für Sie denkbar?
Wenn diese Konstellation über eine Mehrheit verfügt, wäre sie gut für Österreich.
Das schwarz-grüne Experiment ist gescheitert?
Ich glaube nicht, dass diese Bundesregierung gescheitert ist. Ich glaube, dass sie sogar besser ist als ihr Ruf. Aber nach allem, was ich derzeit lese, glaube ich, dass sie keine Mehrheit mehr haben wird.
Die Steiermark ist ja personell nicht übertrieben prominent vertreten im Bund – abgesehen vom Bildungsminister, und der kam als Parteifreier in die Regierung. Hätten Sie gerne mehr Einfluss im Bund – oder wollen Sie eh nicht anstreifen?
Die Steiermark ist sehr prominent vertreten. Sowohl Vizekanzler Werner Kogler als auch Umweltministerin Leonore Gewessler (beide Grüne, Anm.) sind aus der Steiermark.
Und die machen eine sehr gute Arbeit?
Der Vizekanzler macht’s, glaube ich, sehr gut. Bundesministerin Gewessler macht es auch gut und engagiert, wenngleich ich in einigen Detailfragen nicht ihrer Meinung bin. Und Bildungsminister Polaschek, der erst relativ kurz der Bundesregierung angehört, ist ein exzellenter Experte, der sein Können als Uni-Rektor unter Beweis gestellt hat.
Experten tun sich auf dem politischen Parkett schwer. Eine Diagnose, die viele auch bei Minister Polaschek unterschreiben würden.
In einer Regierung ist es gut, wenn sie eine Mischung aus Persönlichkeiten hat.
Bei den jüngsten Wahlen haben amtierende Landeshauptleute gehörig an Stimmen verloren. Wie könnten Sie da eine Trendumkehr einleiten?
Die Steiermark ist ein besonderes Land, was die Mobilität und Flexibilität der Wählerinnen und Wähler betrifft. Bei vier Wahlen der Zweiten Republik hatten wir eine sozialdemokratische Mehrheit, im Jahr 2015 waren drei Parteien quasi gleichauf. Mein Ziel ist es, als Nummer eins durchs Ziel zu gehen, das ist unverrückbar.
Heiß debattiert wird derzeit über die Deutschpflicht in Unterrichtspausen ...
Ich will etwas Grundsätzliches zur politischen Diskussionskultur sagen: Wir haben wirklich große Herausforderungen, global, kontinental, national, regional. Wir erleben aber eine politische Diskussionskultur, die sich assoziativ von Detailthema zu Detailthema weiterhüpfend generiert. Deswegen bin ich grundsätzlich nicht der Meinung, dass solche Themen immer die volle Breite der Beachtung verdienen.
Und was ist mit der Deutschpflicht?
Die Kenntnis der deutschen Sprache ist wesentlichste Voraussetzung für gelingende Integration. Dennoch will ich keine Sprachpolizei am Schulhof, die jemanden rügt, der sich in einer anderen Sprache über sein Jausenbrot unterhält. Lassen wir die Kirche im Dorf. Und nebenbei, vielleicht als neue Facette in dieser Debatte: Es wäre gar nicht schlecht, wenn in der einen oder anderen Pause Englisch gesprochen würde. Also: Mehr Englisch in der Pause statt Sprachpolizei.
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