Bildungsminister Polaschek überlegt Prüfung nach 8. und 9. Schulstufe
In der neuen KURIER-Veranstaltungsreihe „Frag den Minister“ konnten Leser und Publikum ihre Fragen an Bildungsminister Martin Polaschek richten. Chefredakteurin Martina Salomon führte durch den Abend. Mit dabei waren vor allem Lehrer, Schüler, Studierende und Personen aus der Wissenschaft.
Wird der Lehrermangel ein Dauerzustand bleiben, Herr Minister?
Nein. Aber wir werden sicher nicht so schnell wieder in eine Situation zurückkommen, in der wir einen Überfluss haben. Ich würde meinen, wir werden in drei bis vier Jahren in einigen Fächern wieder eine Entspannung erleben. In anderen Fächern werden wir aber zumindest noch in den nächsten 7 bis 10 Jahren einen Bedarf haben. Wir arbeiten darauf hin, diesen Bedarf langfristig abdecken zu können. Daher haben wir mit „Klasse Job“ die größte Lehrkräfteinitiative der Zweiten Republik gestartet und konnten damit bereits 1.000 zusätzliche Lehrkräfte gewinnen.
Video: Frag' den Minster - KURIER Gespräch mit Bildungsminister Martin Polaschek
Oft wird gefordert, es sollte mehr Verwaltungspersonal geben an den Schulen, damit sich die Lehrerinnen und Lehrer auf das Unterrichten konzentrieren können. Wie sehen Sie das?
Wir haben hier bereits einige Maßnahmen gesetzt, um die Lehrkräfte zu entlasten. Im administrativen Bereich z.B. haben wir die Zahl der unterstützenden Kräfte durch eine Zusatzfinanzierung des Bundes langfristig von 400 auf 700 erhöhen können. Wir arbeiten weiter intensiv daran hier noch weitere Schritte zu setzen und erstellen gerade ein Konzept für pädagogische Assistenz, um mehr entlastendes Personal in die Schulen bringen zu können.
Was tun Sie, damit die Wissenschaftsskepsis in Österreich zurückgeht?
Ich habe sofort, als ich Minister geworden bin, gesagt, wir müssen hier tätig werden. Ich habe deshalb die Stärkung des Vertrauens in die Wissenschaft zu einem der Schwerpunkte des Ressorts gemacht. Wir haben eine Zehn-Punkte-Programm erarbeitet, um aktiv gegen Wissenschaftsskepsis, aber auch gegen Demokratieskepsis vorzugehen. Zum Beispiel schicken wir jetzt Wissenschaftsbotschafterinnen und -botschafter in die Schulen. Und ich habe eine Studie in Auftrag gegeben, um herauszufinden, was die Gründe für diese Wissenschaftsskepsis in Österreich sind, sodass wir zielgruppenorientiert weitere Maßnahmen setzen können.
An der Universität Wien sind über 80 Prozent der Wissenschaftler befristet angestellt. Mit der Novelle des Universitätsgesetzes im letzten Jahr wurde eingeführt, dass spätestens nach acht Jahren die Beschäftigung an einer Universität endet. Können Sie hier gesetzlich etwas tun?
Es haben noch nie so viele Forscherinnen und Forscher Anstellungen bekommen, auch unbefristete Anstellungen. Das Gesetz sieht vor, dass die Universitäten autonom entscheiden, wie lange sie Jungwissenschafterinnen und Jungwissenschafter befristet anstellen wollen. Es gibt verschiedene Zugänge zu diesem Thema, unterschiedliche Herausforderungen und verschiedene Strukturen von Universitäten.
Die neue Regelung der Kettenverträge soll einen adäquaten Interessenausgleich gewährleisten und rechtzeitig eine klare Perspektive schaffen. Aber es gab auch davor schon eine Kettenvertragsregelung, die wir dahingehend angepasst haben. Denn, wenn jetzt auf einmal alle Personen angestellt werden, dann bedeutet das, dass über längere Zeit niemand neuer mehr angestellt werden kann.
Ich bin Schulleiterin im 15 Bezirk in Wien in einer allgemeinen Pflichtschule. Wissen Sie Bescheid über die Belastungen, die wir derzeit zu tragen haben? Es ist nicht mehr auszuhalten.
Ich schaue mir viele Schulen an, auch solche, in denen es nicht so gut läuft. Der Bund ist aber nicht Pflichtschulerhalter. Die Schulerhalter sollen noch mehr von der Möglichkeit Gebrauch machen psychosoziales und administratives Unterstützungspersonal einzusetzen, um die Lehrkräfte und Schulleiter zu entlasten. Dazu haben wir von Bundesseite für den gesamten Bereich zusätzlich Geld zur Verfügung gestellt. Wir werden hier in den nächsten Jahren noch mehr vertiefende Gespräche mit den Ländern führen müssen. Aber das führt zu einem allgemeinen Bereich: Wir brauchen eine generelle Neuausrichtung, wo wir mit Schule hinwollen - eine Gesamtstrategie und daran werden wir zu arbeiten beginnen müssen.
Finden Sie, dass österreichische Studierende im eigenen Land Studierende zweiter Klasse sind? Bei einem öfteren Studienwechsel gibt es keine Studienbeihilfe. Krankenversicherung muss man selbst zahlen. Es gibt kaum Vereinbarkeit von Studien und Berufstätigkeit. Dafür wird Studierenden aus der Ukraine die Studiengebühren erlassen.
Das zu vergleichen, wäre nicht fair. Es gibt einen Krieg in der Ukraine. Diese Leute haben ihr Land verlassen müssen und wollen hier jetzt eine Zeit lang studieren. Sie haben hier keine Familie und keinen Job. Deshalb haben wir uns entschlossen, dass wir diesen Menschen für eine bestimmte Zeit die Studiengebühren erlassen. Dazu stehe ich voll und ganz.
Glauben Sie, wird künstliche Intelligenz und andere Programme das Bildungssystem nachhaltig beeinflussen?
Ich glaube, es ist uns allen noch nicht bewusst, wie vielfältig das sein wird. Es wird manche Arten von schriftlichen Arbeiten, wie wir sie gewohnt sind, künftig nicht mehr geben, weil wir einfach nicht mehr gewährleisten können, dass die Menschen sie selber verfasst haben. Ich gehe deshalb davon aus, dass sich unsere gesamte Lehr und Lernkultur deutlich ändern wird. In welche Richtung das gehen wird, das kann man jetzt sicher noch nicht sagen. Mir ist es aber wichtig, dass wir neue Technologien als Chance sehen und in den Unterricht integrieren. Wir haben mit „Digitaler Grundbildung“ ein eigenes Pflichtfach geschaffen und auch die fächerübergreifende Einbindung in den Lehrplänen verankert.
Wann, Herr Minister, kommen Sie von den Umfragen ins Tun? Wir brauchen ganz, ganz dringend eine Prüfung am Ende der Mittelschule. Wir brauchen ganz, ganz dringend Eignungsprüfung für die AHS. Und wir brauchen vor allem wieder Vorsitzende von außen bei den Reifeprüfung.
Eine Art Prüfung am Ende der 8. und 9. Schulstufe beschäftigt uns intensiv. Wir arbeiten derzeit an einem entsprechenden Gesetzesentwurf. Wichtig ist, dass Schülerinnen und Schüler über den gesamten Bildungsverlauf die entsprechende Förderung erfahren, sodass sie am Ende der Schulzeit über gewisse Kompetenzen verfügen. Was die Wiedereinführung von externen Vorsitzenden bei der Matura angeht: Ich habe vor, dass wir das bei der nächsten Novelle mitnehmen.
Die Prüfungsanforderungen, die an die Kinder im häuslichen Unterricht gestellt werden, wird kaum ein Realschüler bewältigen. Warum wollen Sie dieses System des häuslichen Unterrichts zerstören?
Das Staatsgrundgesetz garantiert den häuslichen Unterricht. Aber wir haben eine Verantwortung für die Kinder und müssen Sorge tragen, dass sie einen qualitätsgesicherten häuslichen Unterricht bekommen. Der häusliche Unterricht muss jenem in der Schule qualitativ gleichgestellt sein. Es geht darum, es jenen, die einen häusliche Unterricht ernst nehmen, weiter zu ermöglichen. Aber wenn Eltern sich nicht wirklich darum kümmern, müssen wir die Kinder schützen.
Kindergärten sind die wichtigsten Einrichtungen in der Bildungslaufbahn. Wie können Sie es verantworten, dass die Rahmenbedingungen österreichweit derart schlecht sind?
Die Arbeitsbedingungen in den elementarpädagogischen Einrichtungen zu Regeln steht nicht in meiner Macht. Laut Bundesverfassung sind das die Länder und Gemeinden – auch in finanzieller Hinsicht. Wir haben trotzdem von Seiten des Bundes für die nächsten fünf Jahre insgesamt eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt. Und wir haben uns mit den Ländern darauf geeinigt, dass sie sich auf bestimmte Qualitätsmindeststandards verständigen. Aber wir können den Ländern in ihrem Kompetenzbereich nichts vorschreiben.
Wäre es nicht vernünftig, wenn ein Bildungsminister von der Elementarpädagogik bis zur Hochschule für alles verantwortlich wäre?
Jetzt haben wir ein sehr komplexes System. Einfach eine zentrale Kompetenz darüber zu legen, würde es vielleicht ändern. Aber wir brauchen eine inhaltliche Diskussion dazu. Und die beginnt jetzt immer mehr auch in den Ländern.
Ich bin Quereinsteigerin in den Lehrberuf. Viele von uns arbeiten für ein Mindestgehalt und jahrelang ohne Dienstvertrag. Bitte ändern Sie das.
Die Bildungsdirektion ist für die Anstellungen zuständig. Damit das aber in Zukunft nicht passieren kann, haben wir ihnen einen sehr umfangreichen Katalog an Anregungen, wie man hier Änderungen vornehmen könnte vorgelegt. Und ich gehe davon aus, dass es gelingen wird.
Seit Fred Sinowatz haben wir keinen Bildungsplan. Haben Sie einen - vom Kindergarten bis zur Universität?
Ich glaube nicht, dass es notwendig ist, allen Menschen einen Bildungsplan von der Elementarpädagogik bis zu den Universitäten vorzulegen. Wir müssen Chancen bieten und auf die Talente der einzelnen Menschen eingehen und sie fördern. Aber es muss uns gelingen, dass die Kinder, wenn sie aus der Schule kommen, über entsprechende Grundkompetenzen verfügen. Das hat für mich höchste Priorität.
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