Wissenschaftsfeindlichkeit

Wissenschaftsfeindlichkeit
Schwieriges Studiendesign mit Selbstreflexion

Der Wissenschaftsminister will eine Studie in Auftrag geben, bei der Gründe für die in letzter Zeit immer stärker sichtbare Wissenschaftsfeindlichkeit erhoben werden sollen. Gut so!

Das Design dieser Studie wird aber eine Herausforderung. Gesellschaftliches Vertrauen in Wissenschaft und Technologie war – außer in einer kurzen Phase einer gewissen „Technikgläubigkeit“ – nämlich nie eine Selbstverständlichkeit. Kaum etwas hat die Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Expertise dann so nachhaltig beschädigt wie die lange Zeit üblichen haltlosen „Unbedenklichkeitsbescheinigungen“ für Risikotechnologien, welche von ExpertInnen allzu lange relativ sorglos öffentlich vertreten worden sind.

Wissenschaftsfeindlichkeit hat also eine jahrzehntelange Vorgeschichte und umfasst eine breite Palette von Ursprüngen. Dabei spielt auch die Transformation der Universitäten an der Jahrtausendwende zur „unternehmerischen Universität“ eine wesentliche Rolle. Dem nun dominanten Wettbewerb war geschuldet, dass nur mehr die Bereiche genauer unter Beobachtung standen, die im finanziellen Erfolg sichtbar wurden.

Eine Folge dieser Professionalisierung ist allerdings das Aussteigen der nicht in diesen Projekten Involvierten aus dem Kontakt zur Gesellschaft. Darüber hinaus findet der gesellschaftliche Beitrag oft als „Vermessungsgehilfen“ für Großprojekte statt, die von der Wissenschaft ansonsten nicht geleistet werden könnten. Natürlich kann dieser Kontakt auch dazu genutzt werden, um die Kriterien wissenschaftlichen Arbeitens unter eine größere Anzahl von interessierten Menschen zu bringen. Das erfordert ein größeres Engagement der jeweiligen Projektverantwortlichen. Die dafür aufzuwendende Zeit lohnte sich jedenfalls, müsste aber auch im inneruniversitären Leistungskatalog der Betroffenen ihren Niederschlag finden.

Aber gibt es nicht auch Fragestellungen, die von Menschen eingebracht werden könnten, wo Wissenschaft aus unterschiedlichen Gründen nicht forscht? Etwa weil ein Thema die Karriere nicht befördert, politisch zu heikel ist? Gibt es nicht schon vielerorts die Klage Betroffener, dass ihre Themen an der Universität nicht gewünscht sind? Dies bedarf dringend einer selbstreflexiven Phase an den Universitäten. Die Selbstreflexion könnte damit beginnen, dass diese Diskussionen nicht nur innerhalb der Universitäten stattfinden, sondern gemeinsam mit interessierten „Laien“. Um eine elementare Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, könnte gerade hier das innerhalb der scientific community übliche Verfahren des „contradictory argument“ in der breiten Öffentlichkeit praktiziert und damit Verständnis für dieses Verfahren erlangt werden. Die Chance, damit auch die Universitäten neu zu positionieren, sollte jedenfalls genutzt werden!

Günther R. Burkert ist Verfasser des Buches „Die vernetzte Universität. Von der Kritik der Ökonomisierung zur Neuausrichtung auf die Gesellschaft“

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