Wie sehen Sie Österreich als Hochschul-Standort?
Ein Riesenunterschied zu anderen Ländern ist die lange Tradition. Auch die Breite des Fächerkanons der Uni Wien ist selten. Die Stadt Wien macht die Uni auch sehr attraktiv.
Vom Rektor bis zu den Studierenden: Warum sind die Deutschen so gerne bei uns an den Universitäten?
Die Sprache macht es einfach und die Lebensqualität ist sehr hoch.
Wir hören gerne, dass es bei uns so schön ist. Aber anziehend ist doch auch, dass man bei uns keine guten Abitur-Noten braucht. Was halten Sie prinzipiell vom Studiertourismus, der ja auch Geld kostet und wo ausgebildete Menschen wieder abwandern.
Das ist tatsächlich problematisch, wenn es gewisse Grenzen überschreitet. Aber Ausbildungsmarkt und Arbeitsmarkt internationalisieren sich immer stärker. Es sind mindestens so viele Österreicher in Deutschland wie umgekehrt.
In systemrelevanten Bereichen ist das ein Problem.
Klar, in der Medizin etwa.
Ihr Vorgänger Heinz W. Engl ist Mathematiker. Inwieweit werden Sie als Kunsthistoriker Dinge anders sehen?
Es ist normal, dass Rektoren ihre Perspektive mitbringen. Es ist nicht verkehrt, dass jetzt einmal die Geisteswissenschaften ihre Sicht stärker einbringen.
Sie wollen die Uni international sichtbarer machen. Die Uni Wien rangiert im aktuellen QS-Ranking nur auf Platz 151. Was halten Sie generell von solchen Rankings?
Rankings gehören immer hinterfragt. Die Universitäten, die topgereiht sind, haben die Rankings erfunden und legen die Parameter fest. Die treffen aber auf die allermeisten europäischen Universitäten nicht zu.
Vorne sind immer dieselben: MIT, Oxford, Stanford.
Das sind Institutionen, die sehr exklusiv und teuer sind. Das entspricht nicht unserer europäischen Idee. Wir haben ein inklusives Bildungssystem und das ist auch eine große Qualität.
Wie wollen Sie die Universität trotzdem aufwerten?
Ein wichtiger Aspekt ist die Berufungspolitik. Wenn wir international berufen, bringt uns das Erfahrung, Netzwerke und Reputation.
Was schauen Sie sich von den besten Unis der Welt ab?
Die enge Kooperation zwischen Universität und privaten Stiftern. Das passiert traditionell in Österreich wenig, sollte man aber stärker versuchen. Auch, weil Wirtschaftsstandort und Wissenschaftsstandort nicht zu trennen sind. Wobei Forschung, auch angewandte, niemals Auftragsforschung sein darf.
Es gibt aktuell viele Herausforderungen. Wie kann sich die Uni versität einbringen?
Wir sind doch Teil der Lösung. Gerade Covid hat gezeigt, was Grundlagenforschung bedeutet: wir hätten niemals so schnell einen Impfstoff gehabt, wäre nicht jahrzehntelange Grundlagenforschung da gewesen.
Während der Pandemie haben sich Wissenschaftler auch wieder zurückgezogen.
Das war ein sehr spezieller Fall. Wissenschaft und Politiker haben nicht gewusst, wohin das gehen wird. Meinungen wurden auch wieder verworfen. Das ist normal, hat aber zu Wissenschaftsskepsis geführt.
Wie sehen Sie das Verhältnis Wissenschaft und Politik?
Die Autonomie der Hochschule ist zentral. Gleichzeitig ist die Politik unsere Finanzierungsquelle. Gute Zusammenarbeit ja, aber nicht Abhängigkeit.
Kurz zu den Fragen-Klassikern: Studiengebühren?
Die stehen nicht zur Debatte. Man muss sich mehr damit beschäftigen, wie man ein Universitätssystem finanziert, das ohne Studiengebühren auskommt. Und dabei auch kompetitiv bleibt.
Zugangsbeschränkungen ?
Haben wir teilweise schon, da, wo es notwendig ist. Wobei interessant ist, dass das schiere Nachfragen „warum wollen sie das Studieren?“ schon zu weniger Anmeldungen führt.
Weil mehr nachgedacht wird. Was halten Sie von „Ich probier’ mal ein Studium?“
Eine gewisse Findungsphase ist völlig legitim. Trotzdem muss diese Findungsphase mit der Frage, wann wird das Studium abgeschlossen, in Korrelation stehen.
Hatten Sie selbst eine solche Findungsphase?
Nein, ich wollte immer Kunstgeschichte machen.
Ihre Eltern sahen das nicht als brotlos an?
Ohne Geisteswissenschaften fehlt doch ein großer Teil. Wir leben nicht im luftleeren Raum, sondern in einem Rahmen mit Tradition, Erinnerungskultur, Kunst, Literatur. Und unsere Absolventen kommen in allen Bereichen unter, weil Bildung zentral ist.
Zum Amtsantritt: Was wollen Sie zuerst tun?
Überlegen, wie wir nach der Pandemie die Lehre neu aufstellen. Und ich möchte ein Centre for Advanced Studies für unsere Top-Wissenschaftler. Dort können sie Forschung mit eigenem Gastwissenschaftlerbudget machen.
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