Christopher Drexler: „Weniger mit der Gießkanne verteilen“
Braucht Österreich neun Bundesländer, und wie beschädigt ist die ÖVP durch die ständigen Korruptionsvorwürfe? Darüber sprach der neue steirische Landeshauptmann Christopher Drexler mit dem KURIER.
KURIER: Herr Landeshauptmann, gibt es etwas, worüber Sie mit Ihrem Vorgänger politisch gestritten haben?
Christopher Drexler: Ich habe in den vergangenen 30 Jahren unendlich viele Stunden mit Hermann Schützenhöfer diskutiert. Entscheidend ist für mich, was ich gelernt habe. Das war beispielsweise, den Wert von Verhandlungen anzuerkennen und das Verbindende zu suchen. Also: Diskutiert? Ja. Gestritten? Dazu habe ich keine Wahrnehmung.
Ein Grund, warum Bürger die Politik frustriert, ist die Vielstimmigkeit beim Pandemie-Management. Ist Österreich nicht zu klein für neun Test- und Impfregime?
Für mich steht fest: Die Pandemie braucht einheitliche Bewältigungsregeln. Trotzdem kann es klug sein, Unterschiede zu machen. Ein urbaner Ballungsraum gehorcht anderen Regeln als ein alpines Seitental. Und zum Föderalismus: Der ist nicht hinderlich, sondern das Gegenteil. Föderalismus ist Wettbewerb! Was ist der Unterschied zwischen unseren Bundesländern und einem Département in Frankreich? In Österreich rennt jemand, wenn es eine industrielle Krise gibt, während in Frankreich alles von Paris aus gelöst werden soll.
Sie haben gesagt, für Sie ist der Klimaschutz jetzt prioritär. Allein was das Verbauen von Grünland angeht, haben Sie eine Mega-Aufgabe vor sich – die Steiermark verbraucht so viel Grünfläche wie Kärnten und Oberösterreich zusammen …
Mir geht es darum, dass die Steiermark den Klimaschutz mit wirtschaftlicher Dynamik verbindet. Zum Bodenverbrauch: Hier nehmen wir ausnahmsweise eine unrühmliche Spitzenrolle ein. Ich werde mir sehr genau anschauen, wie es zu diesen Verbrauchszahlen kommt. Verbaut ist nicht gleich verbaut. Ein Supermarkt-Parkplatz ist nicht dasselbe wie die neue, versiegelte Trasse der Koralmbahn.
Wird sich in Zukunft jede Familie weiterhin ein Haus im Grünen bauen dürfen?
Das Einfamilienhaus wird nicht ausgedient haben. Wir werden nicht als Politik hergehen und sagen: Du darfst kein Haus mehr bauen. Aber wir müssen insgesamt schauen, dass wir dennoch einen sensibleren Umgang mit den Ressourcen üben. Und deshalb würde ich, lange bevor ich jemandem sage, er soll kein Einfamilienhaus bauen, danach trachten, dass wir – anstatt Satellitenhandelszentren um die Dörfer zuzulassen – die Ortskerne der Städte und Märkte wieder beleben.
Zur Teuerung: Öffentliche Energie-Unternehmen kündigen langjährige Verträge und verlangen danach höhere Tarife von den Kunden. Im Gegenzug gibt die öffentliche Hand den Bürgern Geld. Ist das klug?
Die Landesregierung hat vergangenen Donnerstag den Steiermarkbonus beschlossen. Zumindest jene Haushalte, die sich ökonomisch besonders schwertun, bekommen diesen Bonus von 300 Euro – also all jene, die eine Wohnunterstützung beziehen oder die im vergangenen Winter einen Heizkostenzuschuss beantragt haben. Wir haben hier Instrumente geschaffen, von denen wir hoffen, dass bei jenen, die es wirklich brauchen, auch die Betroffenheit gelindert oder abgefedert wird.
Der Bund hat mit seinen vielen Hilfen genau das nicht gemacht. Es gibt den Teuerungsausgleich, den Klimabonus etc. Vieles davon ist sozial nicht gestaffelt.
Das war der Subtext meiner Aussage.
Sie hätten das also in Bundesverantwortung nicht so gemacht?
Ich will wirklich nicht sofort in das Fahrwasser kommen, alles besser zu können und alles zu kommentieren, was auf der Bundesebene geschieht. Aber für die Zukunft sagen wir so: Man sollte nicht aus den Augen verlieren, dass man weniger nach dem Prinzip der Gießkanne verteilt und mehr auf die tatsächliche Betroffenheit achtet.
Wäre für Sie ein Strom- und Gaspreisdeckel zielführend?
Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass man möglichst lange die normalen Gesetzmäßigkeiten des Marktes wirken lassen soll. Aber man hat gesehen, dass Ausnahmesituationen oft besondere Antworten erfordern. So kann natürlich auch bei den Energiepreisen eine Situation eintreten, wo man sagt: Okay, mit allen normalen Maßnahmen – einschließlich der Abfederung durch die öffentliche Hand – können wir nicht mehr das Auslangen finden. Dann müssen wir sozusagen Ungewohntes, Unkonventionelles oder Neues machen. Da darf es keine Denkverbote geben.
Wie geht es Ihnen mit dem Image Ihrer Partei und dem kollektiven Korruptionsverdacht?
Davon kann man nur wegkommen, indem man ganz aktiv und offensiv auf Transparenz setzt. Deshalb möchte ich unverzüglich in Verhandlungen über ein Transparenz- und Objektivierungspaket in der Steiermark treten, obwohl bei uns keine großen Skandaldiskussionen laufen. Wir sind ja in der Steiermark in den vergangenen Jahren nicht in einer Welt der täglichen Empörung und des täglichen Skandals gewesen.
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