Neuer MFG-Chef Aigner: „Verzeihen, aber nicht vergessen“
Joachim Aigner hat 2021 mit der MFG den Sprung in den oberösterreichischen Landtag geschafft, seither geht es für die impfkritische Partei bergab: In Niederösterreich ist die MFG nur in einzelnen Bezirken angetreten, Kärnten lässt sie aus.
Für die Salzburg-Wahl im April habe man die Unterstützungserklärungen jedoch fast beisammen, die Personalprobleme seien gelöst, sagt er.
Aigner hat nun die MFG-Bundespartei übernommen und will sie bis zur Nationalratswahl aufbauen. Wie er das – abseits des Corona-Themas – schaffen will.
KURIER: Die Regierung startet einen Versöhnungsprozess zu Corona. Sind Sie ein versöhnlicher Mensch?
Joachim Aigner: Ja, definitiv. Es braucht eine Versöhnung in der Gesellschaft – in den Familien, unter Freunden und am Arbeitsplatz. Aber was die Regierung jetzt vorhat, ist ein feiger Rückzug aus dem Geschehenen. Es fängt schon damit an, dass der Bundeskanzler den Experten die Schuld gibt. Wir fordern eine echte Aufarbeitung, aber außerparlamentarisch mit Fachleuten aus Medizin und Juristerei – ohne politische Beteiligung.
Warum ohne Politik?
Das beste Beispiel ist der ÖVP-U-Ausschuss, der viel Zeit und Geld gekostet hat. Konsequenzen gibt es nicht.
Die MFG hat Experten zitiert, die vor Tausenden Impftoten gewarnt haben. Sehen Sie da auch Aufarbeitungsbedarf?
Es gibt eine Übersterblichkeit. Wir fordern, dass dem nachgegangen wird und und haben dazu einen Antrag im Landtag eingebracht.
Was können Sie zum Versöhnungsprozess beitragen?
Wir sagen den Menschen: Reicht euch die Hände, beginnt zu verzeihen. Aber vergesst nicht, was euch angetan worden ist.
Haben Sie überhaupt Interesse an Versöhnung? Sie sind Nutznießer der negativen Stimmung.
Wir sind aufs Parkett gekommen, weil Politik und Gesellschaft nicht so funktionieren, wie die Menschen es sich verdient haben.
Die Corona-Gesetze laufen im Juni aus. Wie lange wird es die MFG noch geben?
Corona ist nicht vorbei, die Aufarbeitung beginnt erst. Es wird es noch sehr lange dauern, bis es uns nicht mehr brauchen würde.
Wie geht es Ihnen als neuen Bundesparteichef mit den Splittergruppen in Salzburg und in Niederösterreich?
Ich habe kein Problem damit. Wenn jemand merkt, dass es für ihn nicht passt, dann ist er frei, zu gehen. Die Splittergruppen tragen trotzdem unsere Werte weiter.
Ist es in Ihrer Partei, die sich aus Protest gebildet hat, schwierig, langfristig gemeinsame Nenner zu finden?
Ein Beispiel: Bei einem Feuerwehrfest gibt es immer Leute, die anpacken und jene, die tun, was zu tun ist. Dann gibt es noch ca. 20 Prozent, denen nie etwas passt. Wenn die gehen, ist es kein Nachteil.
Ein Feuerwehrfest wird aber nie zum österreichweit erfolgreichen Festival, wenn regelmäßig 20 Prozent der Truppe gehen.
Wir haben großes Potenzial an Anpackern. Bisher war ich nur für Oberösterreich zuständig, wir haben 60 Ortsgruppen und viele Ehrenamtliche. Wir wachsen sukzessive.
Wird die MFG 2024 bei der Nationalratswahl antreten?
Warum nicht? Es ist aber noch zu früh, um zu sagen, wer Spitzenkandidat wird. Es gibt sicher Menschen, die das besser können als ich. Bevor wir das entscheiden, werden wir die Menschen in Oberösterreich, die mich gewählt haben, fragen, ob sie wollen, dass ich bundesweit antrete.
Welche Themen – abseits von Corona – will die MFG bundesweit angehen?
Beim Krisensicherheitsgesetz schauen wir sehr genau hin. Laut Entwurf könnte die Regierung für sechs Wochen eine Krise ausrufen. „Krise“ ist sehr unbestimmt formuliert. Menschen könnten wieder sehr schnell eingesperrt werden, nächste Regierungen könnten diese Macht missbrauchen. Wir wollen Eilverfahren beim Verfassungsgerichtshof, damit solche Verordnungen geprüft werden, bevor sie in Kraft treten.
Die MFG agiert ähnlich wie die FPÖ, Sie haben zuletzt aber Äußerungen von Gottfried Waldhäusl und Udo Landbauer als „blaue Grauslichkeiten“ bezeichnet.
Ich finde es grauslich, wenn sich jemand über Hilfszahlungen für Menschen aufregt, die in ihrem Land von einer Naturkatastrophe betroffen sind. Es ist selbstverständlich, dass man da etwas von seinem Wohlstand abgibt. Und was Waldhäusl betrifft: Wenn Menschen ein Recht haben, hier zu leben, darf man sie nicht ausgrenzen. Etwas anderes ist, Menschen draußen zu halten, die unser System überlasten können. Das sieht die FPÖ wie wir.
Und wie finden Sie es, dass Herbert Kickl den Bundespräsidenten am Aschermittwoch als „Staatsgefährder“ und „senil“ bezeichnet hat?
Ich habe ihn als Neutralitätsgefährder bezeichnet. Kickl hat nicht ganz unrecht.
Als Chef einer Protestbewegung: Haben Sie Verständnis für die Klimakleber?
Das ist ein gutes Beispiel dafür, was wir unter Meinungsfreiheit verstehen: Ich glaube nicht, dass der Klimawandel menschengemacht ist, aber ich verstehe es, wenn andere das glauben und sich deshalb auf die Straße kleben. Dass sich jemand ärgert, der im Stau steht, gehört dazu. Das schafft Aufmerksamkeit, muss aber im rechtlichen Rahmen stattfinden.
Aber dass der Klimawandel ein Problem ist, das erkennen Sie schon an?
Das Klima hat sich immer schon geändert. Oberösterreich war im 15. Jahrhundert ein Weinbaugebiet und wird es jetzt wieder.
Und das finden Sie gut?
Nein, aber das Klima verändert sich immer. Es gibt Wissenschaftler, die sagen, es ist nicht gut, und andere, dass es nicht menschengemacht ist. Die Frage ist: Was gilt?
Kommen wir in Ihr Bundesland zurück: Ist die MFG zu einer Oberösterreich-Partei geworden?
Wir sind nur hier im Landtag, wir sind in Tirol und im Burgenland in Gemeinderäten. Im Herbst 2021 hätten wir in jedem Landtag und auch im Nationalrat den Einzug geschafft. Bundesobmann zu sein ist ein schweres Los. Eine junge Bewegung österreichweit aufzubauen, ist eine riesige Herausforderung.
In Oberösterreich läuft die Debatte zur Abschaffung des Proporzsystems. Sie sind gegen den Proporz. Warum? Für eine kleine Partei wie Ihre wäre das ja eine Chance, in die Regierung zu kommen.
Unter diesen Voraussetzungen will ich das nicht, weil man seine Macht als echte Opposition verliert, wenn man als kleine Partei gleichzeitig in der Regierung sitzt. Der Proporz ist veraltet, die Zeiten haben sich geändert. Proporz bedeutet, dass man Kompromisse eingehen muss. In einem Kompromiss gibt es nur Verlierer, weil jeder nachgeben muss. Je kleiner eine Partei, desto mehr muss ich den Wählerauftrag verkaufen.
Wie geht es Ihnen atmosphärisch mit ÖVP-Landeshauptmann Stelzer?
Er ist nicht sehr amused, dass es uns gibt. Wir sind halt die patscherte, freche Opposition. Patschert, weil wir nach dem Wahlabend nicht einmal einen Bleistift hatten, geschweige denn Personal oder Büroräumlichkeiten. Wir sind da hineingestolpert und haben seither die Strukturen aufgebaut.
Ihr Verhältnis zu FPÖ-Chef Haimbuchner?
Er wäre auch froh, wenn es uns nicht gäbe. Wir zeigen auf, dass die FPÖ in Oberösterreich eine andere ist als im Bund. Haimbuchner ist Erfüllungsgehilfe für die ÖVP.
Im Landtag sitzen Sie zwischen Grünen, SPÖ und Neos. Wie geht es Ihnen damit?
Mir ist völlig egal, wo ich sitze. Aber wenn Sie darauf hinauswollen, ob wir politisch links, rechts oder die Mitte sind, dann ist die Antwort: egal. Wir machen, was für die Menschen gut ist.
Was machen Sie für die Menschen?
Wir haben 28.000 Mitglieder befragt, 8.400 haben geantwortet. Es haben sich fünf Kernthemen ergeben. Stärkung der direkten Demokratie, die immerwährende Neutralität, die Aufarbeitung des Geschehenen im Bereich Corona, Korruptionsbekämpfung, ganz viele Verfehlungen im Kleinen, direkt vor ihrer Haustür. Und die freie Meinungsäußerung, gegen die in Oberösterreich gerade ein Großangriff gestartet wird. Das sind die fünf Bereiche, und dafür treten wir ein. Wir lehnen uns jetzt nicht zurück, kassieren die Kohle und 2027 fahren wir wieder aus. Ich bin immer noch viel draußen, ich bin schon zwei Stunden mit dem Auto gefahren, um dann vor den Menschen zu sprechen, auch wenn es mal nur 15 waren. Ich kenne daher inzwischen sehr viele Wirtshäuser in diesem Land.
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