Grüne wollen "weiterkämpfen" - wackelt jetzt Parteichef Kogler?
Im Wiener Metropol wissen die Grün-Anhänger nach der ersten Hochrechnung um 17 Uhr nicht so recht, wohin mit sich. Ein paar Leute klatschen, vereinzelt schallen „Wuuuh“-Rufe und Fluchworte aus der Menge, andere schauen nur betreten in ihre halbleeren Gläser. 8,3 Prozent für die Grünen. Mehr als 29 für die FPÖ. Johannes Rauch, Gesundheits- und Sozialminister, steht neben der Wiener Grünen-Chefin Judith Pühringer in der ersten Reihe. Das Lächeln wirkt wie versteinert.
Es dauert eine Weile, bis sich Rauch dann vor die TV-Kameras stellt und ein erstes Statement abgibt. Das Ergebnis sieht er als „Auftrag, aufzustehen und weiterzukämpfen“. Dem Klima seien Wahlergebnisse egal, sagt er. Auf die Frage, ob sich die Grünen denn zu sehr auf das Klimathema eingeengt hätten, winkt Rauch ab. „Die Bilder aus Niederösterreich (gemeint ist die Hochwasser-Katastrophe vor zwei Wochen) zeigen, dass das Thema aktueller ist denn je.“
Angst vor Blau-Schwarz ist groß
Das heißt: Auch bei den Landtagswahlen in Vorarlberg und in der Steiermark die als Nächstes anstehen, wollen sich die Grünen auf ihr Kernthema fokussieren. Ein zweites gäbe es da auch noch – zur Erinnerung und weil es am Wahlabend so aktuell ist, schreit Rauch diese Botschaft dann von der Bühne ins Publikum: „Wir werden nicht zulassen, dass die Rechten dieses Land übernehmen.“ Denn dass die FPÖ fast auf 30 Prozent kommt, schockt viele hier im Metropol fast noch mehr als das eigene (vorläufige) Ergebnis. Die Angst vor Blau-Schwarz ist groß.
Verbrannte Erde
Wobei die Grünen gerade jetzt, da die ÖVP schwer angeschlagen ist, durchaus Chancen für eine türkis-rot-grüne Dreierkoalition sehen. Rauch sagt am Wahltag: „Selbstverständlich sind wir bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen.“
Atmosphärisch wird das schwierig. In den vergangenen viereinhalb Jahren konnten sich die Grünen bei vielen Herzensanliegen gegen die ÖVP durchsetzen. Zuweilen hat die Partei, die 2019 auf 13,9 Prozent kam, die „übermächtigen“ Türkisen wie den Juniorpartner wirken lassen – und dabei verbrannte Erde hinterlassen.
Zuletzt durch Klimaministerin Leonore Gewessler und ihr Ja zum EU-Renaturierungsgesetz. Die ÖVP will nicht mehr mit ihr zusammenarbeiten. Aber gerade sie könnte jetzt in der Partei noch wichtiger werden: Schon seit Längerem wird sie als Nachfolgerin von Parteichef Werner Kogler genannt. Am Wahlsonntag dann lauter denn je.
Der am 20. November 1961 in Hartberg geborene Kogler studierte Volkswirtschaft und war in den 1980er-Jahren Gründungsmitglied der Alternativen Liste Steiermark und Österreich. Von 1985 bis 1988 war der Gemeinderat in Graz. Seit 1999 saß er im Nationalrat, unter anderem als Leiter des Rechnungshofausschusses, Budget- und Finanzsprecher seiner Partei und Stellvertreter von Eva Glawischnig. Nach dem Debakel 2017 übernahm er zunächst interimistisch die Partei, seit Herbst 2018 ist er gewählter Bundessprecher. Nach der Wahl 2019 verhandelte er erfolgreich eine Regierungskoalition mit der ÖVP, der er seit 2020 als Vizekanzler und Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport angehört. Kogler ist mit der Vorsitzenden der Grünen Wirtschaft Sabine Jungwirth verheiratet.
War's das für Kogler?
Als der ORF Minister Rauch fragt, ob es nach diesem Ergebnis eine Veränderung an der Spitze braucht, ob Kogler noch der Richtige sei, stellt er sich nicht sofort reflexartig hinter ihn. Der Vorarlberger sagt stattdessen: „Wir werden das Ergebnis wie immer genau analysieren und unsere Schlüsse daraus ziehen. Das Bestreben ist, immer, besser zu werden.“ Erst bei der zweiten Nachfrage nach einer möglichen Ablöse sagt der Minister: „Das ist nicht die Frage, die sich jetzt stellt.“ Vielleicht aber sehr bald. Die Gremien tagen am Dienstag.
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