Noch vor kurzem hätte kaum jemand geglaubt, dass Ulrike Lunacek, die kürzlich ihren 60. Geburtstag gefeiert hat, die hoch angesehene Position als Vizepräsidentin des EU-Parlaments und grüne Delegationschefin aufgeben würde. Nun kandidiert ist sie die Spitzenkandidaten der Grünen für die Nationalratswahl.
Lunacek ist kein Grünes "Urgestein", sondern ein Kind der 90er: Die Niederösterreicherin stieß 1995 – in denkbar schlechten Zeiten - zu den Grünen. Damals kandidierte sie erstmals für den Nationalrat und erlebte eine vernichtende Niederlage der Partei.
Nach der erfolgreichen Wahl 1994 stand man nun mit 4,8 Prozent (-2,5 Prozent) wieder am Anfang der Grünen-Bewegung. Lunacek verpasste den Einzug ins Parlament, wurde aber 1996 entschädigt, als sie zur Bundesgeschäftsführerin der Grünen avancierte.
Drei Jahre später kandidierte sie abermals für ein Parlamentsmandat, das sie bis 2009 ausübte. Dann schlug Lunaceks europäische Ader etwas fester. Von den Grünen wurde sie zur Spitzenkandidatin für die EU-Wahl 2009 gewählt.
Und das obwohl die leidenschaftliche Schwimmerin 1995 gegen den EU-Beitritt Österreichs gestimmt hatte, ensprechend der Parole ihrer Partei. Es sei eine Stimme gegen einen Staatenbund gewesen, der an einem Demokratiedefizit leide und beherrscht sei von einem marktradikalen Projekt.
Auch bei der EU-Wahl 2014 trat Lunacek als Spitzenkandidatin der Grünen an und konnte am Ende ein Mandat dazugewinnen.
Gekämpft hat Lunacek für so ziemlich alles, was sie bisher erreicht hat. Ihr Selbstbewusstsein schöpfte die offen lesbische Politikerin unter anderem aus ihrem Einsatz für die Rechte Homosexueller.
Auch ihre politischen Gegner hatten selten etwas zu lachen. Nachdem der FPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl Andreas Mölzer die EU mit dem Dritten Reich verglich, forderte Lunacek den sofortigen Rücktritt. Kurz vor der Stimmenabgabe zog sich der FP-Politiker zurück.
Im EU-Parlament kann sie sich schnell einen Namen machen, seit 2013 ist sie Vizepräsidentin der Grünen Fraktion im EU-Parlament und Kosovo-Berichterstatterin.
Die Tochter des Generaldirektors der Raiffeisenwarenzentrale wuchs schnell zu einer weltoffenen Frau heran. Als Dolmetschstudentin für Englisch und Spanisch in Innsbruck unternahm sie unter anderem mehrere Südamerika-Reisen.
Vor fast 30 Jahren hat Lunacek Rebeca, ihre Partnerin, bei einer internationalen Lesben- und Schwulenkonferenz in Wien kennengelernt. Die Peruanerin war damals die Direktorin der ersten Schwulen-/ Lesbenorganisation in Lima zur Zeit des Bürgerkriegs. Zuerst war es eine Fernbeziehung, dann teilte man sich eine Wohnung.
Schon früh war Lunacek für die Rechte von Frauen aktiv. Sie war etwa beim Aufbau des Innsbrucker Frauenhauses involviert, Redakteurin des Magazins "Südwind" und Obfrau des Vereines "Frauensolidarität".
Wie die Grünen am 15. Oktober abschneiden werden, ist noch ungewiss. Lunacek gab sich bei ihrer Kür optimistisch: "Es wird uns gelingen zuzulegen, stärker zu werden und ein Wörtchen mitzureden bei den Regierungsverhandlungen."
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