Jetzt wird in Kärnten umgebaut

Jetzt wird in Kärnten umgebaut
Peter Kaiser strebt rot-schwarz-grüne Koalition an und beansprucht Finanzressort. Neustart bei FPK.

Peter Kaiser geht jeden Morgen joggen. Am Montag geriet sein 7,5-Kilometer-Lauf zum Glückwunsch-Parcour. „Jeder, der mich sah, hat mir gratuliert“, erzählt der angehende Landeshauptmann strahlend.

Tatsächlich ist in Kärnten am Sonntag noch nie Dagewesenes passiert: Vor der Wahl lag die SPÖ 16 Prozentpunkte hinter der FPK, seit der Wahl liegt sie 20 Prozentpunkte vor der FPK.

Auf diesen Umsturz folgt nun der politische Umbau des Landes. Die SPÖ hat drei Regierungssitze errungen, Grüne, ÖVP, Team Stronach und FPK je einen. Kaiser könnte sowohl nur mit Grün als auch nur mit Schwarz regieren – will seine Regierung aber breiter aufstellen. „Kärnten braucht ein kompaktes Regierungsprogramm“, sagt er. Und so zeichnet sich eine Reformkoalition aus SPÖ, ÖVP und Grünen ab, die gemeinsam über eine Zweidrittelmehrheit für Verfassungsänderungen verfügt. Kern des Programms ist die Abschaffung der Proporzregierung, die Aufwertung des Landtages und mehr Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Landesräte. Dem steht mit der endgültigen Mandatsverteilung 14 SPÖ, 5 ÖVP, 5 Grüne nichts mehr im Wege.

Kaiser beansprucht für die SPÖ das Finanzressort. „Eine Messlatte für den Erfolg der neuen Kärntner Regierung wird die Gesundung der Finanzen sein. Das ist daher die Aufgabe der stärksten Partei.“

Bei einem Kassasturz soll festgestellt werden, in welchem finanziellen Zustand die blaue Regierung Kärnten hinterlässt. „Wir hatten ja keine vollständige Akteneinschau, laut Bundesrechnungshof sollen die Schulden 3,66 Milliarden betragen“, sagt der angehende grüne Landesrat Rolf Holub.

Der Grüne warnt die FPK, ihre Macht in den verbleibenden Wochen bis zur Bildung der neuen Regierung zu missbrauchen: „Es kursieren Gerüchte, dass die FPK noch schnell ihre Leute versorgen will und Akten schreddert. Ich hoffe, dass das nicht stimmt, wir werden da sehr genau hinschauen.“

Weniger Parteiengeld

Auch Kaiser hat ein wachsames Auge auf die FPK. Das neue Parteiengesetz schreibt vor, dass die Wahlkampfkosten offenzulegen sind. Kaiser: „Wer die Ausgabengrenze überzieht, dem wird für 2013 die Parteienförderung gestrichen.“ Im Zuge des Sparkurses will Kaiser auch bei der Politik ansetzen: „Es wird zumindest symbolisch einen Spar-Beitrag aus der Parteienförderung geben.“

Für die ÖVP wird Landesrat Wolfgang Waldner gemeinsam mit Parteichef Gabriel Obernosterer die Regierungsgespräche führen. Waldner sagt, er habe kein Problem als Partner von Rot-Grün: „Zu seriösen, intelligenten und zivilisierten Menschen habe ich keine Berührungsängste.“ Die Frage werde sein, wie man sich inhaltlich trifft: „Es wird sicher Schmerzgrenzen geben.“ Obernosterer sagt, eine „bürgerliche Handschrift“ müsse in dem Pakt erkennbar sein.

Der neue Landtag muss sich binnen sechs Wochen konstituieren. Kaiser will jedoch bereits Ende März mit den Regierungsverhandlungen fertig sein. „Wir haben durch die Neuwahlblockade der FPK sehr viel Zeit verloren. Ich will wenigstens etwas davon gutmachen.“

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Es hat sich „ausgescheucht“. Kurt Scheuch hat gestern den FPK-Vorsitz zurückgelegt. Der neue starke Mann bei den Freiheitlichen in Kärnten ist Christian Ragger (40). Er wurde als geschäftsführender Parteiobmann eingesetzt und wird als Landeshauptmann-Vize auch den Regierungssitz übernehmen.

Laut Scheuch steht Ragger für einen Neustart nach dem desaströsen Wahlergebnis (siehe Ergebnisse hier). Doch mit dem Neuen steht im Grunde ein Alter künftig an der Parteispitze. Auch Ragger hat das Image eines Losers, hat mit so umstrittenen Aktionen wie der Einführung des Pflegeregresses (Kinder und Eltern von Pflegeheimgepatienten müssen je nach ihrem Nettoeinkommen dazuzahlen) zum Misserfolg beigetragen. Für Ragger spricht, dass er als einziger der bisherigen blauen Regierungsmitglieder nicht im Visier der Justiz war bzw. ist. „Jörg Haider hat uns Demut und Disziplin vor dem Wähler mitgegeben. Das ist offensichtlich verloren gegangen, dafür will ich mich entschuldigen“, befindet Ragger angesichts der verheerenden Wahlresultats. „Wir wurden allerdings unter unserem Wert geschlagen.“ Mitte Mai, beim außerordentlichen Landesparteitag, soll Ragger zum Chef gewählt werden. Das ist mit Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache akkordiert. Der kündigt im KURIER einen „Wiedervereinigungsparteitag mit der FPK“ an.

Dörfler im Landtag

Kurt Scheuch (45), der am 1. August 2012 von Bruder Uwe die Partei übernommen hatte, hat zwar den Chefsessel geräumt, er bleibt aber in der Politik. „Es gibt keine Flucht vor der Verantwortung. Ich habe ein Direktmandat errungen und werde im neuen Landtag vertreten sein“, sagte er zum KURIER. Vermutlich als Klubobmann, Auch Gerhard Dörfler (57) wechselt in das Landesparlament, zumindest „vorübergehend“. Er werde es Wolfgang Schüssel gleichtun – „und die Politik auch von der anderen Seite kennenlernen“, sagte er zum KURIER. Ein Direktmandat hat auch Ex-Landesrat Harald Dobernig (32) geschafft. Damit wären alle blauen Wahlverlierer wieder auf der Gewinnerseite.

Obwohl erst vor wenigen Tagen 40 Jahre alt geworden, gilt Christian Ragger als "alter Hase" am politischen Parkett Kärntens. Bereits 1999 zog der Wolfsberger Rechtsanwalt - damals für die FPÖ - in den Kärntner Landtag ein. 2008 wurde er stellvertretender Klubobmann des BZÖ, nach der Wahl 2009 wurde er Soziallandesrat. Ragger gilt als sehr ehrgeizig, nun soll er die Kärntner Freiheitlichen - die nunmehrige FPK - nach dem Totalabsturz am Sonntag stabilisieren.

Raggers Ära als Soziallandesrat in Kärnten war durchaus von Einsparungen geprägt. Für großen Wirbel sorgten etwa Kürzungen beim Heizkostenzuschuss und die Wiedereinführung des Pflegeregresses. Nach dem Rücktritt von Uwe Scheuch im vergangenen Sommer übernahm Ragger auch die Bildungsagenden, hinterließ dort aber keine bleibenden Spuren.

Ragger wurde am 20. Februar 1973 in Wolfsberg geboren. Er besuchte zuerst das katholische Privatgymnasium in St. Paul/Lav., die Matura machte er 1991 am BORG in Wolfsberg. Anschließend ging er nach Graz, um Jus zu studieren, 1994/95 machte er ein Auslandsjahr an der Universität Teramo in der italienischen Region Abruzzen. Im März 1997 spondierte er zum Magister.

FPÖ, BZÖ, FPK

Seine politische Laufbahn begann er im Ring freiheitlicher Jugend. 1993 holte ihn der damalige FPÖ-Bezirksobmann Kurt Ruthofer in die FPÖ, dessen Stellvertreter er wurde. Nach der Landtagswahl 1999 zog Ragger in den Kärntner Landtag ein und wurde FPÖ-Bezirksobmann in Wolfsberg. Er ist verbindlich im Ton, in der Sache steht er aber an Härte den Scheuch-Brüdern um nichts nach.

Wie für fast alle seiner Fraktionskollegen war nach der Gründung BZÖ im April 2005 der Wechsel zu den Orangen eine Selbstverständlichkeit. Ebenso selbstverständlich machte er die "Wiedervereinigung" mit der Bundes-FPÖ - und damit den Schwenk zur FPK im Dezember 2009 - mit. Ragger ist verheiratet und hat einen Sohn und eine Tochter. Er lebt mit seiner Familie in Wolfsberg.

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