Rot siegt, Blau zerbröselt
Die Kärntner haben am Sonntag für einen tief greifenden politischen Wechsel gestimmt. Das Landessilber verscherbelt, die Schulden hoch, die Korruption ausufernd: die regierende FPK wurde mit einer beipiellosen Abfuhr abgewählt. „Der Ärger in der Bevölkerung saß tief“, sagt Peter Kaiser, der designierte neue Landeshauptmann.
Dieser Ärger bringt die SPÖ nach 24 Jahren wieder zurück an die Macht. 1989 hatte die SPÖ ihr früheres Stammland verloren. Seit gestern sind die Sozialdemokraten mit großem Abstand wieder stärkste Partei.
Kurswechsel
Honoriert haben die Kärntner auch den Kurswechsel in der ÖVP. Ihr früherer Obmann Josef Martinz hatte ja in der Parteienfinanzierungsaffäre fünf Jahre in erster Instanz ausgefasst. Die ÖVP lag darnieder.
Der neue ÖVP-Obmann Gabriel Obernosterer nahm dann einen radikalen Kurswechsel vor: scharfe Abgrenzung von der FPK, Rauswurf aller belasteten Funktionäre, Bekenntnis zu einem progressiven Reformprogramm gemeinsam mit SPÖ und Grünen. Kongenialer Partner Obernosterers an der Spitze der ÖVP ist Landesrat Wolfgang Waldner. Der Diplomat und Kulturmanager spricht lange Zeit unbetreute Zielgruppen wie die Kärntner Kulturszene an. Nach der Martinz-Affäre waren der ÖVP deutliche Verluste prophezeit worden, aber die Kärntner glauben der ÖVP den Sinneswandel offensichtlich. Obernosterer interpretiert das Wahlergebnis so: „Die ÖVP hat den Auftrag bekommen, mitzuregieren und das Land neu zu gestalten.“ Für die ÖVP wird Wolfgang Waldner in die neue Regierung einziehen.
Die Ergebnisse im Detail finden Sie hier.
Der künftige Landeshauptmann Peter Kaiser wird einer sehr bunten Regierung vorsitzen: Die SPÖ stellt drei Mitglieder, vier weitere Parteien jeweils eines: ÖVP, Grüne, FPK und auch das Team Stronach.
Der Wahlsonntag in der SPÖ-Kärnten war turbulent. Zwar hatte sich schon bald am Nachmittag bei Eintreffen der ersten Ergebnisse aus Oberkärntner Gemeinden der Machtwechsel abgezeichnet. Um 16 Uhr wurde Peter Kaiser von seinen Mitarbeitern mit Jubel empfangen. Zu diesem Zeitpunkt lag die SPÖ bei 34 Prozent, die FPK bei 21 Prozent.
Ungläubiges Staunen
Um 17 Uhr brach ungläubiges Staunen aus. Die ersten Ergebnisse aus Klagenfurt kamen herein und trieben die SPÖ-Werte in unvorhergesehene Höhen – und zertrümmerten die FPK noch mehr. Damit konnte die SPÖ beinahe zu alter Stärke aufschließen – und das mit einem sehr sparsamen Wahlkampf ohne Plakate. Die SPÖ-Funktionäre haben 150.000 der 240.000 Kärntner Haushalte besucht.
Abgestraft
Noch bei der Stimmabgabe, gemeinsam mit Gattin Margret, in seiner Heimatgemeinde Himmelberg, gab sich Dörfler zuversichtlich. Zu diesem Zeitpunkt lagen bereits die ersten Ergebnisse und Trends vor. Und sie sprachen eindeutig gegen die Blauen. Das Ergebnis ist für die FPK ein Desaster und historisch einmalig. Die Freiheitlichen wurden mehr als halbiert. Nur 17,1 Prozent der Kärntner gaben ihnen noch ihre Stimme.
Umso fulminanter fiel der Wahlsieg der Roten aus. Peter Kaiser und seine SPÖ erhielten 37 Prozent.
Dabei hatten die Blauen eine Wahlkampfmaschinerie gestartet, die laut neutralen Beobachtern noch jene von 2009 übertroffen hatte. Sie hielten sich weder an das vom Landtag mehrheitlich beschlossene Plakatverbot noch an die Wahlkampf-Kostenbeschränkung, „pflasterten“ jeden Ort zu und sollen 1,5 Millionen Euro (vereinbart waren maximal 500.000 Euro) in ihre Kampagnen investiert haben.
Totenstille
In den Büros der FPK-Regierungsmitglieder herrschte am Sonntag Totenstille. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stand der Schock ins Gesicht geschrieben. „Ein trauriger Tag für uns, keine Frage. Das müssen wir demütig zur Kenntnis nehmen“, sagte Parteichef Kurt Scheuch zum KURIER. „Aber wir gewinnen Wahlen gemeinsam und verlieren gemeinsam.“ Personelle Konsequenzen schloss Scheuch in einer ersten Reaktion aus: „Ich bleibe Parteichef.“
Noch am Abend beriet er mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Am Montag wollen die Blauen über die Konsequenzen aus dem Desaster diskutieren. Da wird sich auch entscheiden, wer den Regierungssitz übernimmt. „Ich gehe davon aus, dass ich es nicht sein werde“, sagte Dörfler. Auf jeden Fall wird er am Dienstag noch die turnusmäßige Regierungssitzung leiten. Laut KURIER-Informationen dürfte auch Scheuch nicht Landesrat werden. Vieles deutet darauf hin, dass Soziallandesrat Christian Ragger der neue starke Mann bei der FPK sein wird.
Dörfler vor Abschied
Vom Ausmaß der Abfuhr zeigte sich Dörfler „überrascht“. Im Unterschied zu Scheuch („Wir müssen erst analysieren“) hatte er sofort eine Erklärung parat: „Die Menschen sind mit dieser Politik nicht zufrieden. Gerhard Dörfler ist durchgerasselt. Ich bin jetzt Landeshauptmann außer Dienst.“
Um seine Zukunft brauche man sich aber keine Sorgen zu machen: „Ich werde sicherlich kein politischer Versorgungsfall sein.“ Dörfler deutete an, nach zwölf Jahren der Politik ade zu sagen.
BZÖ als lachender Sechster
„Es schaut nicht schlecht aus“, sagte Josef Bucher zum KURIER. Wahlkampfleiter Stefan Petzner ergänzte: „Es läuft gut.“ Zehn Minuten später strahlten beide, die erste Hochrechnung ergab den Einzug in den Landtag.
„Die Totenglocken werden stumm bleiben“, kommentierte dies Bucher. „Wir haben unser Ziel erreicht, der unermüdliche Einsatz aller hat sich gelohnt.“ Wie sich die Orangen in der Landeshauptmann-Frage verhalten werden, ließ er noch offen: „Wir werden beraten, unsere Schlüsse ziehen und dann entscheiden.“ Er selbst wird nicht ins Landesparlament einziehen, sondern weiterhin Klubobmann im Nationalrat bleiben. Denn Bucher ist überzeugt, dass das Kärntner Ergebnis sich positiv auf die Bundeswahl im Herbst auswirken wird.
Bucher, der seinen Wahlkampf hauptsächlich gegen die FPK geführt hatte, feierte in seiner Heimatstadt Friesach einen persönlichen Erfolg: Mit 21,1 Prozent liegt das BZÖ klar vor den Blauen (14,6). Sein Abgeordneter Sigisbert Dolinschek verweist stolz auch auf das sensationelle Ergebnis in der Gemeinde Stall in Mölltal (Bezirk Spittal/Drau), wo Vizebürgermeister Christian Fercher mit 26,5 Prozent das BZÖ zur stimmenstärksten Partei im Wahlkreis 4 machte, vor FPK (24,2) und SPÖ (22,2).
Zufrieden war auch Bundesparteiobmann-Stellvertreter Herbert Scheibner: „Ziel war der Einzug in den Landtag, das wurde geschafft. Bucher hat gezeigt, dass er und das BZÖ ein Faktor im Land sind.“
Für Jörg Haiders Schwester Ursula Haubner ist die FPK „in dieser Form Vergangenheit. Sie hat's geschafft, das zu zerstören, was mein Bruder in 30 Jahren aufgebaut hat.“
Fast fünf Jahre war Gerhard Dörfler Landeshauptmann von Kärnten. Jetzt ist nicht so sehr er abgewählt worden, sondern vielmehr das Regime der Scheuch - Brüder, als dessen freundlich lächelnder Repräsentant sich Dörfler hergab. Die Wahlen im Jahr 2009 hatte noch der tote Jörg Haider für Dörfler, damals BZÖ, gewonnen.
Dann bestimmten die Scheuchs, wo es lang ging. Sie verließen das BZÖ und dockten bei Straches FPÖ an. Und so sehr sich Dörfler zwischendurch bemühte, der FPK ein menschliches Antlitz zu geben - er scheiterte. Gut, dass er mit Staatssekretär Ostermayer - durchaus überraschend - die Ortstafelfrage regelte. So bleibt eine gute Erinnerung an ihn. Jetzt wird der Sozialdemokrat Peter Kaiser neuer Landeshauptmann.
Er ist in der Partei nie groß aufgefallen und nachdem sich alle SPÖ-Ortskaiser zerfleischt hatten, durfte er an die Spitze. Gerade zur rechten Zeit. Niemand kann heute sagen, ob er ein guter Landeshauptmann wird. Die Grünen haben stark zugelegt, aber dafür, dass sie fast alleine - mit Hilfe der Medien - die Justiz zu den Korruptionsverfahren gezwungen haben, ist ihr Erfolg gar nicht so groß. Die ÖVP kann offenbar aufatmen, wenn sie in der Landesregierung bleibt.
Wenn SPÖ, ÖVP und Grüne regieren, dann braucht niemand die Stronach-Truppe. Im Gegensatz zu Niederösterreich hatte Stronach in Kärnten einen Spitzenkandidaten, der auch in den Landtag einziehen will. Was er dort machen wird, werden wir sehen. Das Stronach Ergebnis zeigt jedenfalls. Mit iel Geld kann man keinen politischen Erfolg gewinnen. Jetzt aber warten wir auf die Sacharbeit. Das BZÖ überlebt in Kärnten, ein paar Haider-Nostalgiker dürften dazu beigetragen haben.
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