Steiermarks FPÖ-Chef Kunasek: "Der Rommel-Vergleich ist unglücklich"
In der türkis-blauen Regierung (2017-2019) wird er österreichweit als FPÖ-Verteidigungsminister bekannt. Seit drei Jahren ist die steirische FPÖ wegen eines Finanzskandals in den Schlagzeilen. Es geht um den mutmaßlichen Missbrauch von Klubförderungen und den privaten Hausbau von Mario Kunasek (48). Im KURIER-Interview nimmt der steirische FPÖ-Chef zum Skandal Stellung und zu einem historischen Vergleich während seiner Buchpräsentation.
KURIER: In Umfragen führt die FPÖ im Bund wie in der Steiermark, in der im November ein neuer Landtag gewählt wird. Ihre FPÖ ist in einen Finanzskandal verwickelt, der, scheint es, nicht an Ihnen haften bleibt. Haben Sie selbst eine Erklärung dafür?
Mario Kunasek: Die FPÖ hat Themen frühzeitig erkannt – ich sage nur Stichwort Migration – und sie richtig transportiert. Dazu kommt, dass die FPÖ Steiermark gute Arbeit leistet, aber ich muss dazu sagen: Eine gute Stimmung ist noch keine Stimme.
Trauen Sie sich den ersten Platz in der Steiermark zu?
Die Wahrscheinlichkeit war noch nie so hoch. 2010 sind wir nach dem katastrophalen Jahr 2005 wieder in den Landtag eingezogen, 2015 konnten wir einen Überraschungserfolg einfahren, nach Ibiza 2019 wurde es schwierig und jetzt geht es seit Längerem bergauf.
Sie sind gewohnt, Befehle entgegenzunehmen, sagten Sie beim Wahlkampfauftakt in Graz. Heinz-Christian Strache, Norbert Hofer, Herbert Kickl: Von wem nehmen Sie die Befehle lieber entgegen?
Ich werte nicht. Jeder hat seinen eigenen Führungsstil und jeder hat Unglaubliches für die Partei geleistet: Strache hat uns in eine gute Regierungsbeteiligung geführt, Hofer war der richtige Mann zur richtigen Zeit, als er übernommen hat, und Kickl macht das, was jetzt richtig ist.
Sind Sie pragmatisch?
Auf alle Fälle!
Sind Ihre Mitbewerber, Landeshauptmann Drexler und SPÖ-Chef Lang, zu schwach oder der Finanzskandal zu kompliziert, um Ihnen zu schaden?
Der Landeshauptmann wirkt oft reserviert, aber das ist nichts Neues. Anton Lang fühlt sich in der zweiten Reihe wohl, denke ich. Wie Kickl es selbst gesagt hat: Wir haben diesmal den Willen zum Sieg und, wir machen im Gegensatz zu anderen Parteien, nicht Stimmung mit dem Strafrecht, sondern mit Themen.
Fürchten Sie nicht, dass die Ermittlungen gegen Sie Ihre Karriere zunichtemachen?
Nein, weil wir von Beginn an interessiert waren, den Skandal aufzuklären, denn wir sind als Partei geschädigt worden. Die Vorwürfe gegen mich stammen aus einer anonymen Anzeige und betreffen meinen privaten Hausbau. Ich gehe davon aus, dass es zu einem baldigen Abschluss kommt, denn mehr als Rechnungen und Kreditverträge übergeben und alle Zeugen einvernehmen, das kann man nicht. Ich würde mir mehr Tempo wünschen. Weniger, weil es für die Politik belastend ist, sondern für die Familie.
Man könnte beantragen, einzelne Causen aus dem Komplex auszugliedern?
Man kann das eine vom anderen nicht abkoppeln, weil es auch um Fördergelder geht. Ich hoffe auf die Einstellung, denn im November werden es drei Jahre sein. Und, weil immer von 700.000 Euro die Rede ist, die Ex-FPÖ-Funktionär Eder aus der Parteikasse entnommen hat: Es kann weit mehr sein, weil uns die Belege fehlen, insgesamt vielleicht über 1,8 Millionen Euro.
Über Sie ist gerade ein Buch erschienen. Haben Sie im Alter von 48 Jahren schon so viel erlebt?
Ich bin nicht erst seit gestern in der Politik. Es ist doch gut, wenn es nach 20 Jahren auch einmal eine Niederschrift über die politische Tätigkeit gibt.
Bei der Buchpräsentation wurden Sie von einem Redner mit Generalfeldmarschall Rommel verglichen. Sie haben das auch auf Nachfrage nicht richtig oder in Abrede gestellt. Ist es Ihnen einerlei?
Nein, es ist mir nicht einerlei. Der Rommel-Vergleich ist unglücklich. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mit dem Generalfeldmarschall nichts zu tun habe. Der Mann, der diese Äußerung getätigt hat, ist kein FPÖ-Funktionär, sondern eher der ÖVP zuzuordnen, um das auch mal klarzustellen. Ich würde das so nie sagen – und: Ich führe solche historischen Diskussionen nicht.
Zurück in die Gegenwart. Österreichs Wirtschaft schwächelt. Die Steiermark lebt insbesondere von der Automobilindustrie. Wie schwierig ist die Situation derzeit?
Der Motor des Automobilclusters stottert. Deutschland hat Probleme im Automobilsektor und das hat Auswirkungen auf ganz Österreich und natürlich auch auf uns in der Steiermark. Wir spüren eine große Verunsicherung – und zwar vom kleinsten Ein-Personen-Unternehmen bis hin zur Industrie. Die Unternehmer wissen nicht, wie es weitergeht. Die Bürokratie aus der EU können viele nicht mehr stemmen und sagen deshalb ganz offen: Wenn das so weitergeht, dann geh‘ ich woanders hin. Die FPÖ erkennt das Problem, nur gehen wir anders damit um als Herr Babler.
Wie geht denn SPÖ-Chef Andreas Babler damit um?
Es gibt bei uns keinen Klassenkampf, kein Arbeitnehmer gegen Arbeitgeber. Alle wissen: Es geht nur gemeinsam.
Sie wollen demnach Sprachrohr für Arbeiter, Angestellte und Unternehmer sein?
2005 haben wir als soziale Heimatpartei vielleicht mehr im SPÖ-Lager nach neuen Wählern gesucht. Mittlerweile sind wir aber in der Mitte angekommen, sonst hätten wir in den Umfragen nicht bis zu 30 Prozent. Ich halte nichts davon, das eine mit dem anderen auszuspielen, das überlassen wir der SPÖ.
Die ÖVP beansprucht, die Mitte zu sein.
Wir müssen mit Kategorien vorsichtig sein. Ich lese immer wieder: "Der linke Rand, der rechte Rand, ich bin die Mitte.“ Es geht darum, für die Menschen zu arbeiten – und in meinem Fall für die Menschen in der Steiermark.
Spulen wir vor zum 25.11. – dem Tag nach der Landtagswahl …
… wir haben das Privileg, dass wir nicht auf den Bundespräsidenten angewiesen sind, der uns mit einer Regierungsbildung beauftragt oder nicht. In der Landesverfassung steht, dass die stimmenstärkste Partei die anderen zu Verhandlungen einzuladen hat. Das heißt, nach der Wahl und so wir Erster werden, wird es keinen blauen Montag geben, sondern verhandelt.
Wer wird nach der Wahl Ihr Ansprechpartner sein?
Das müssen Sie ÖVP und SPÖ fragen. Wenn ich als Landeshauptmann in eine Wahl gehe und als Zweiter oder Dritter herauskomme, dann kann das zu Mechanismen führen, die ein Personaldebatte auslösen werden. Ich habe zu allen Persönlichkeiten eine professionelle Beziehung.
Sollten Sie nach der Wahl nicht Erster sein, dann passiert was?
Dann werden wir uns am Montag nach der Wahl zusammensetzen.
Wenn die FPÖ im Bund den ersten Platz erreicht und in die Regierung kommt, wechseln Sie womöglich als Minister wieder nach Wien?
Das ist kein Thema. Designierte Minister wären gut beraten, auch beim Regierungsprogramm mitzuverhandeln – das kann ich wegen der Landtagswahl in der Steiermark schon zeitlich fast nicht.
Als ehemaliger Verteidigungsminister gefragt: Was spricht gegen Sky Shield?
Es ist nicht nur eine militärische Frage, denn ich habe gerade erst mit einigen Militärs bei der Airpower gesprochen, die Sky Shield militärisch für gut halten. Mein Problem ist ein außenpolitisches, weil es der Neutralität widerspricht. Auch die neue Sicherheitsstrategie ist ein eigenartiges Papier.
Inwiefern eigenartig?
Einerseits will man sich der NATO annähern, andererseits will man die Neutralität stärken: Wie soll sich das ausgehen? Wir müssen uns klar darüber werden, welche Position wir als neutrales Österreich in Europa einnehmen wollen. Ich darf daran erinnern, dass Österreich einer der größten Truppensteller der EU am Balkan ist. Gleichzeitig ärgert es mich, wenn Friedensverhandlungen nicht mehr in Österreich stattfinden, denn den grünen Verhandlungstisch Wien haben wir teils der EU und der NATO wegen geopfert.
Das Bundesheer ist nicht beliebt.
Wie kommen Sie darauf? Das Bundesheer steht im Vertrauensindex ganz oben.
Der Personalmangel aber spricht für sich.
Das Heer als Arbeitgeber ist nicht attraktiv genug, denn es ist im direkten Konkurrenzkampf mit der öffentlichen Verwaltung oder Polizei.
Attraktiver würde das Heer wodurch?
Durch ein besseres Einstiegsgehalt und flachere Gehaltskurven. Wir brauchen ein breiteres Berufsbild, Durchlässigkeit im System und Flexibilität statt eines starren Beamtenapparats. Vielleicht müssen wir ein eigenes Militärdienstrecht schaffen, in dem du als Junger besser verdienst und später mehr Chancen im öffentlichen Bereich hast. Unteroffizier, wie ich es bin, ist kein anerkannter Beruf.
Meinen Sie mit Durchlässigkeit auch, dass man von der Militärpolizei in die Bundespolizei wechseln können soll?
Genau das meine ich. Man sollte aber auch Wechsel innerhalb des Landesdienstes und Vordienstzeitenanrechnungen erleichtern.
Wie politisch ist das Heer? Wie Chatnachrichten zwischen Ihnen als Verteidigungsminister und Ex-FPÖ-Chef Strache nahelegen, sehr.
Das Heer ist weniger politisch als der Beobachter glaubt. Ich habe in 1,5 Jahren als Verteidigungsminister keine Widerstände gespürt und, Sie können mir glauben, das sind nicht alles Freiheitliche da drinnen. Da ziehen alle an einem Strang und was die Posten betrifft, die Sie ansprechen: Transparenter als wir kann man nicht besetzen. Ich habe mich im Gegensatz zu Vorgängern wie Doskozil immer an die Empfehlungen der Kommission gehalten.
Sollten Sie Landeshauptmann werden: Was wird es unter Ihnen nicht geben? Das Leitspital in Stainach-Pürgg?
2019 gab es den mehrheitlichen Beschluss, unter anderem mit der regierenden SPÖ, das Projekt vorerst zu stoppen, was man dann aber nicht getan hat. Das Votum der Bevölkerung spricht dagegen und Experten sagen, dass Liezen den Personalmangel nicht lösen wird. Mit mir als Landeshauptmann wird das Leitspital im Bezirk Liezen nicht gebaut, weil ich überzeugt bin, dass es kostengünstiger und effizienter geht, indem man Rottenmann ausbaut und Schladming und Bad Aussee spezialisiert.
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