Hunderte Polizisten wollen weg aus Wien
Seit 13 Jahren wartet Alex M.* mittlerweile, um in ein anderes Bundesland versetzt zu werden.
Der Wiener Polizist stellte damals einen Antrag, um nach Niederösterreich zu wechseln. Niederösterreich wäre aber nicht die einzige Option für den Beamten, auch für ein zweites Bundesland hat sich M. beworben.
Bislang jedoch ohne Erfolg, die Warteliste ist lang. M. hat es bei beiden Wunschbundesländern noch nicht einmal unter die ersten 100 Bewerber geschafft. „Jedes Jahr rückt man immer nur wenige Plätze nach vorn. Das ist sehr zermürbend“, erzählt der Beamte.
2,2 Millionen Überstunden
Ein Grund, warum er wechseln will, sind die vielen Überstunden. „Die Überstundenbelastung in Wien ist der Hammer, mit 130 oder 140 Überstunden im Monat“, berichtet M. Ein Blick in die Statistik bestätigt das: Mehr als 2,2 Millionen Überstunden sind allein im Vorjahr bei der Polizei in Wien angefallen.
Gewerkschafter warnen seit Jahren, dass die fehlende Work-Life-Balance den Personalmangel in Wien weiter verstärke. „Früher war ich gern Polizist in Wien, aber vom Familienleben hat man nichts mehr“, schildert M. Er ist nicht der einzige Polizist, der Wien verlassen will.
580 Versetzungsansuchen
Laut Innenministerium (BMI) gibt es derzeit 580 Versetzungsansuchen in der Bundeshauptstadt. „Bei den Zahlen handelt es sich um alle systematisch erfassten Versetzungsansuchen, die teils schon vor mehreren Jahren eingelangt sind. Nicht mehr aufrechte Versetzungsansuchen werden von den Bediensteten oft nicht zurückgezogen, man kann also davon ausgehen, dass die tatsächliche Zahl geringer ausfällt“, betont man seitens des BMI.
Man verspricht den Polizeischülern aus den Bundesländern beim Recruting, dass sie bald wieder wegkönnen aus Wien. Das stimmt aber nicht. Es ist wichtig, den Leuten reinen Wein einzuschenken. Wenn man nach Wien kommt, bleibt man mindestens für die nächsten zehn Jahre hier.
Eine Anfrage des KURIER zu dieser Thematik an die Polizeigewerkschaft FCG (Fraktion Christlicher Gewerkschafter) blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Da „personenbezogene Daten“ zudem gelöscht werden, könne man nicht sagen, wie sich die Zahl der Versetzungsansuchen in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Der Großteil der in Wien tätigen Polizisten kommt aus den umliegenden Bundesländern – weshalb viele nach einigen Jahren wieder zurück in ihre Heimat wollen.
"Könnte mir viel Geld sparen"
Das ist der zweite Grund, warum M. entschied, einen Versetzungsantrag zu stellen. „Ich habe außerhalb von Wien ein Haus geerbt, würde mir also viel Geld sparen, wenn ich meine Wohnung in Wien aufgeben könnte“, berichtet der Polizist.
Personal
Österreichweit gibt es derzeit rund 32.000 Polizisten, rund 7.700 unterstehen der Landespolizeidirektion Wien.
Versetzungsliste
In der Versetzungsliste werden Kriterien wie das Dienstalter sowie soziale Umstände berücksichtigt.
580 Ansuchen
wegen Versetzung wurden in Wien gestellt, österreichweit wollen derzeit laut BMI insgesamt 799 Bedienstete wechseln
Auch der Familienzuwachs spiele eine Rolle. „Wir wollten mit den Kindern ins Haus ziehen. Zuerst haben wir ein Kind bekommen, da hab ich mir gedacht, bald muss die Versetzung durch sein. Wieder sind Jahre vergangen, wir mussten uns eine größere Wohnung suchen. Dann ist das zweite Kind gekommen“, erzählt er. Familiäre Beziehungen sind laut BMI einer der Hauptgründe für Anträge – reichen aber als Argument allein für eine rasche Versetzung oft nicht aus.
Soziale Härtefälle
Ausnahmen sind soziale Härtefälle, wie etwa schwere Erkrankungen von Kindern oder Partnern. Möglich ist auch eine Tauschversetzung zwischen den Bundesländern. „Dies bedeutet, dass wir Bedienstete aus den Bundesländern viermal pro Jahr 1:1 versetzen. Hier stellt sich das Problem, dass zum Beispiel wesentlich mehr Bedienstete von Niederösterreich nach Kärnten wollen als umgekehrt“, so ein BMI-Sprecher.
Ein Umstand, der dazu führe, dass die Wartezeiten der Bediensteten von Niederösterreich nach Kärnten entsprechend lang seien. Man prüfe derzeit aber adaptierte Aufnahmequoten – sprich mehr Klassen für Bundesländer aufzunehmen, aus denen viele Leute um Versetzung angesucht haben – um den Prozess zu beschleunigen.
*Name von der Redaktion geändert
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