Neues Modell: Kostenersatz bei Freispruch soll verdreifacht werden
Überlange Strafverfahren stehen seit Jahren in der Kritik. Was das kosten kann, scheint der Politik und der breiten Öffentlichkeit aber erst nach den zwei Freisprüchen für Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bewusst geworden zu sein. „Weit über 100.000 Euro“ will Strache für seine Verteidigung bezahlt haben, an „Kostenersatz“ bekam er dann nur 3.000 Euro. Und Strache ist nur einer der prominenteren Fälle.
Im Sommer haben sich ÖVP und Grüne darauf geeinigt, dass es einen „angemessenen Ersatz“ braucht – nicht nur bei Freispruch, sondern auch bei Einstellung des Verfahrens. Im Herbst folgte der Budgetbeschluss: 70 Millionen Euro sind 2024 dafür reserviert.
Jetzt wird über ein passendes Modell verhandelt. Der KURIER kennt erste Details.
Vorab: Die tatsächlich angefallenen Kosten werden nicht gedeckt, die Beträge aber deutlich erhöht. Das bemerkt man schon am Budget. Zuletzt wurden pro Jahr rund drei Millionen Euro ausgeschüttet, mit dem neuen Modell sind dann bis zu 70 Millionen verfügbar.
Extrem lange Verfahren
Derzeit gibt es einen Pauschalbetrag, den der Richter innerhalb eines gewissen Rahmens je nach Verfahrensart zusprechen kann. Bei dieser Systematik will man offenbar bleiben.
Bei Verfahren mit Schöffen und Geschworenen werden derzeit 5.000 bzw. 10.000 Euro ersetzt – künftig sollen dem Vernehmen nach bis zu 30.000 Euro möglich sein. Bei Verfahren mit Einzelrichter bei Landesgerichten gibt es derzeit 3.000, bei Bezirksgerichten 1.000 Euro – auch hier soll der Rahmen kräftig erhöht werden.
Diese Obergrenzen gelten für den „Normalfall“. Bei extrem langen und komplexen Verfahren soll der Richter das Höchstmaß um die Hälfte überschreiten und sogar verdoppeln können, wie zu hören ist.
Beistand auch bei Ermittlungen
Neu ins Gesetz kommt ein Ersatz für Kosten bei Einstellung des Verfahrens. Damit wird anerkannt, dass Beschuldigte ja nicht nur für die Gerichtsverhandlung, sondern oftmals auch im Vorfeld, während der Ermittlungen, Beistand eines Anwalts brauchen.
Auch dafür soll es einen Pauschalbetrag im vierstelligen Bereich geben; und auch hier soll die Option eingeräumt werden, das Höchstmaß zu überschreiten, wenn die Ermittlungen extrem umfangreich waren.
Keinen Anspruch auf Kostenersatz hat man übrigens schon jetzt, wenn man den Verdacht selbst herbeigeführt hat oder wegen Zurechnungsunfähigkeit freigesprochen wurde – beispielsweise, wenn man in volltrunkenem Zustand eine Straftat begangen hat.
Weiterentwicklung
Das jetzt vorliegende Modell, in dem schlicht die Pauschalen erhöht wurden, dürfte der kleinste gemeinsame Nenner von Türkis und Grün sein. Mehr geht sich in den knapp acht Monaten bis zur Wahl offenbar nicht aus.
Die ÖVP hat in ihrem „Österreichplan“ eine Weiterentwicklung angekündigt – und zwar „volle Rückerstattung der Kosten bei Freispruch“ (mehr dazu hier).
Das entspräche mehr der Forderung des ÖRAK (Österreichischer Rechtsanwaltskammertag) nach einem Kostenersatz, der sich an ihren Honorarkriterien orientiert (hier).
Die Richtervereinigung legte dagegen ein Veto ein: Für sie würde das einen deutlichen Mehraufwand bedeuten (der KURIER berichtete). Und mit 70 Millionen Euro dürfte man da auch nicht auskommen.
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