Konstruktiv mitarbeiten, dabei aber klare Kante zeigen: Das gab Armenak Utudjian bei seinem Amtsantritt als Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK) vor einem Jahr als Devise aus. In diesem Jahr hat der ÖRAK unter anderem ein Konzept für den lange – und zuletzt wieder lauter – geforderten Kostenersatz im Falle eines Freispruchs oder eines eingestellten Verfahrens erarbeitet.
Dieses verwendet Justizministerin Alma Zadić jetzt, um mit dem Finanzminister über ein Budget zu verhandeln, wie sie am Freitag beim Anwaltstag in Linz verkündet hat. Im KURIER-Interview verrät Utudjian erste Details.
KURIER: Wie sieht Ihr Konzept für den Kostenersatz aus?
Armenak Utudjian: Unser Konzept sieht einen angemessenen Ersatz für Verteidigungskosten vor, Grundlage sind unsere Allgemeinen Honorarkriterien (AHK) – also je nachdem, wie lange die Hauptverhandlung dauert, wie viele Schriftsätze es gibt.
Bei einem Freispruch – aber wie rechnet man, wenn das Verfahren vorher eingestellt wurde?
Die AHK geben auch Honorarsätze für Eingaben im Rahmen der Ermittlungen wie zum Beispiel bei Vernehmungen von Beschuldigten vor.
Der Ibiza-Akt hat Tausende Seiten, Anwälte müssen regelmäßig hineinschauen. Wie deckt man das ab?
Es gibt die Möglichkeit, anstatt Einzelleistungen eine Pauschale zu verrechnen, damit wäre das Aktenstudium abgegolten.
Heinz-Christian Strache behauptet, er habe einen hohen sechsstelligen Betrag für seine Verteidigung ausgegeben. Wie viel würde er mit Ihrem Konzept ersetzt bekommen?
Es kommt darauf an, welche Leistungen notwendig waren. Nach unserem Konzept wird jedenfalls nur die zweckentsprechende Rechtsverfolgung abgegolten.
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Und wer sagt, was notwendig ist?
Das Gericht – so, wie jetzt im Zivilverfahren, wenn der Unterlegene die Verfahrenskosten zu tragen hat.
Was halten Sie von der Idee, eine Grenze zu ziehen: Kostenersatz soll es nur bei Verfahren geben, die länger dauern als ein halbes Jahr.
Das kann ich nicht bestätigen, aber es ist denkbar, dass es für Ermittlungsverfahren, die sehr rasch beendet werden, keinen Kostenersatz gibt, dafür aber höhere Pauschalsätze bei längerer Dauer.
Wie muss man sich das vorstellen?
Der Aufwand würde an den AHK berechnet, aber es könnte Obergrenzen je nach Verfahrensdauer geben. Betrag X, wenn das Verfahren kürzer dauert als ein halbes Jahr, einen höheren Betrag Y, wenn es bis zu einem Jahr dauert, und so weiter. Aber ich weiß natürlich nicht, was in der Regierung genau verhandelt wird.
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Wie viel Budget braucht Ihr Konzept?
Einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag.
Haben Sie die möglichen Folgen mitbedacht? Etwa, dass Staatsanwaltschaften zu früh einstellen könnten, weil sie sparen wollen?
Ich gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaften ihren Auftrag ernstnehmen und sich nicht von Kostenüberlegungen leiten lassen.
Oder dass Ihr Berufsstand das neue System ausnützt und Verfahren in die Länge zieht?
Das kann man nie ausschließen, aber wie gesagt: Kostenersatz wäre nach unserem Konzept nur für zweckentsprechenden Aufwand zu leisten. Wenn jemand zu viel Aufwand verrechnet, wird gekürzt.
Sie wollen zudem besseren Rechtsschutz bei der Handysicherstellung. Die Regierung wartet da eine Entscheidung vom Verfassungsgerichtshof ab. Verstehen Sie das?
Nein, wir hätten uns schon erwartet, dass das Justizministerium selbst aktiv wird. Wir haben im vergangenen Herbst ein Gutachten vorgelegt und arbeiten mit einer Arbeitsgruppe laufend an einem Vorschlag, der für alle involvierten Kreise – Richter, Staatsanwälte und Verteidiger – akzeptabel ist. Kürzlich haben wir auch einen IT-Experten hinzugezogen. Diesen Vorschlag werden wir dann dem Justizministerium präsentieren.
Anwälte wollen naturgemäß maximalen Schutz, Staatsanwälte eher weniger Einschränkung. Wo wären Sie bereit, Abstriche zu machen?
Wir haben gefordert, dass eine Sicherstellung erst ab einer Strafandrohung von einem Jahr zugelassen wird. Wir können uns aber vorstellen, an dieser Grenze zu schrauben, damit beispielsweise auch Delikte von Hass im Netz umfasst sind.
In Ihrem Antrittsinterview haben Sie gesagt, die Anwaltschaft wird, wenn sie gegen die Regierung die Stimme erhebt, als „Strafe“ finanziell ausgehungert. Ist das noch so?
Zu Beginn meiner Amtszeit gab es offene Baustellen, deshalb war die Situation etwas konfrontativer. Vieles konnte zu Beginn des Jahres ausgeräumt werden, mittlerweile habe ich ein gutes Einvernehmen mit der Regierung, aber man muss achtsam bleiben.
Zum Anwaltstag nach Linz sind gleich zwei Ministerinnen – Alma Zadić und Karoline Edtstadler gekommen. Ist das schon eine Charmeoffensive im Vorfeld der Nationalratswahl?
So kann man es sehen, aber ich sehe es als Zeichen der Wertschätzung für die Rechtsanwälte und ihrer Bedeutung für Rechtsstaat und Verfassung. Das würde ich mir jedes Jahr wünschen.
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