Nein, natürlich nicht. Eine Staatsanwaltschaft hat den Auftrag, einen Vorwurf aufzuklären. Der Punkt ist aber: Anklage erheben darf sie nur, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung höher ist als die eines Freispruchs. Bei dieser Einschätzung gibt es sicher Nachbesserungsbedarf.
Das wäre eigentlich Aufgabe der Fachaufsicht.
Ich habe den Eindruck, dass sich die Fachaufsicht nicht mehr einmengt, seit es den internen Justiz-Streit und wiederholte Vorwürfe der WKStA gab, sie könnte nicht frei ermitteln. Anders kann ich mir nicht erklären, warum Fehler in der Anklage bei Chorherr, aber auch bei Strache, durchgerutscht sind.
Bei der aktuellen Forderung nach einer Stärkung der Beschuldigtenrechte schwingt der Vorwurf mit, Beschuldigte würden schlecht behandelt. Ist das so?
Der zentrale Kritikpunkt ist, dass es für eine Handyabnahme, die ein gravierender Eingriff ist, derzeit keiner richterlichen Bewilligung bedarf. Das versteht niemand.
Es gibt aber die Möglichkeit, sich zu beschweren.
Die Beschwerde ist ein zahnloses Rechtsmittel. Sie hat keine aufschiebende Wirkung, die Staatsanwaltschaft kann in der Zwischenzeit ungehindert weiterermitteln und Zufallsfunde ausmachen.
Ohne Zufallsfunde auf Thomas Schmids Handy wäre vieles nie aufgeflogen. Heiligt der Zweck die Mittel?
Jede Zwangsmaßnahme muss auf rechtsstaatliche Beine gestellt sein. Ich habe Verständnis, dass man Zufallsfunde nicht ausklammern kann. Aber es wäre bedenklich, wenn man ein Handy sicherstellt, weil man es genau darauf abgesehen hat. Ich sage nicht, dass das passiert ist, aber es ist möglich.
Wie meinen Sie das?
Alleine im Casinos-Akt gibt es mehr als 100 anonyme Anzeigen. Ich bin überzeugt, dass viele von politischen Gegnern stammen, die das Strafrecht als Waffe benutzen und so hoffen, dass einem Konkurrenten das Handy abgenommen wird.
➤ Der KURIER berichtete bereits von einer Verhandlung im VfGH über Handy-Sicherstellungen
Der WKStA wird vorgeworfen, sie würde gegen FPÖ- und ÖVP-Politiker härter vorgehen als gegen andere. Ihr Eindruck?
Ich glaube nicht, dass es eine politische Schlagseite gibt. Nur eines: Es hat vor Strache noch nie einen Politiker gegeben, bei dem eine anonyme Anzeige für eine Hausdurchsuchung und eine Handyabnahme gereicht hätte.
Werden Promis anders behandelt – schon wegen der medialen Aufmerksamkeit?
Schwierig zu sagen. Es gibt sicher eher einen Promi-Malus als einen Promi-Bonus. Manche Staatsanwälte sind so abgeklärt, denen ist egal, was die Medien berichten. Andere erliegen schon eher dem medialen Druck, anzuklagen.
Apropos: Warum prüft die Justiz nun schon seit einem halben Jahr, ob Ex-Kanzler Kurz wegen Falschaussage angeklagt wird oder nicht?
Ja, das ist merkwürdig. Ich glaube, dass man nach den Freisprüchen bei Strache, Chorherr und Co. vorsichtiger geworden ist und mehr darauf achtet, wie wahrscheinlich eine Verurteilung wäre.
Sie haben mit Strache vier Jahre lang einen recht kontroversen politischen Charakter vertreten. Hat Ihnen das beruflich geschadet?
Es war mir klar, dass man als Anwalt eines Herrn Strache nicht Everybody’s Darling sein kann. Ich glaube aber nicht, dass es Mandanten abgeschreckt hat, weil letztlich die Qualität zählt. Und da sprechen die Verfahrensergebnisse eine klare Sprache.
Sie waren gegenüber Medien immer recht zurückhaltend – anders als Kollegen, die aktiv Litigation PR betreiben.
Ja, weil ich überzeugt bin, dass einem Mandanten eher geholfen ist, wenn er wenig in den Medien vorkommt. Litigation PR kann nur Notwehr sein, um Vorwürfe zu entkräften – sofern man das kann. Sonst bleibt immer ein negativer Beigeschmack.
Ohne es mir zu verraten: Wissen Sie, ob Strache das, was ihm vorgeworfen wird, getan hat? Etwa in der noch offenen Spesenaffäre?
Was mein Mandant mir sagt, prüfe und hinterfrage ich. Aber ich nehme mir das Privileg heraus, ihm zu glauben. Es wäre ja auch dumm, mich als Anwalt anzulügen. Was das Spesenverfahren betrifft, wird es noch Überraschungen geben. Es ist nicht alles so, wie es bisher dargestellt wurde.
Baut man als Anwalt eine persönliche Beziehung zu seinem Mandanten auf?
Der Beruf ist auch ein psychologischer. Ein Anwalt ist für lange Zeit oft eine der wenigen Bezugspersonen, mit der ein Mandant alles bespricht – das gesamte Schicksal. Man kann zu Strache stehen, wie man will: Es ist hart, von so weit oben so tief zu fallen. Da empfinde ich natürlich eine gewisse Empathie.
Kommentare